Experte über US-Iran-Beziehungen: „Die Zeichen deuten auf Krieg“
Lieber ein Präventivschlag gegen Iran als den Atomdeal: Das ist die Linie von USA, Israel und Saudi-Arabien, glaubt Außenpolitikexperte Josef Braml.
taz: Herr Braml, US-Außenminister Mike Pompeo sagt seinen Deutschlandbesuch ab und fährt stattdessen in den Irak, um gegen Iran Front zu machen. Iran kündigt an, Teile des Atomabkommens nicht mehr umzusetzen. Wie bewerten Sie die Situation?
Josef Braml: Die Zeichen deuten schon länger auf Krieg. Seit die Amerikaner einseitig den Nukleardeal mit dem Iran aufgekündigt haben, gab es nur zwei logische Optionen. Entweder die Amerikaner, Israelis und Saudis finden sich damit ab, dass sich Iran nuklear bewaffnen könnte. Oder, und das wird so kommen: Sie lassen sich nicht darauf ein und schlagen präventiv zu, mit Luftschlägen.
Was wir gerade erleben, dient also unmittelbar der Kriegsvorbereitung?
Ja. Ich sehe das schon seit Längerem, angefangen mit der Show des israelischen Premiers Netanjahu über die iranische Gefahr. Jetzt sind auch die Saudis wieder die Guten, trotz des Imageschadens nach dem Mord an dem Journalisten Kashoggi.
Können Europäische Union und Deutschland eine Eskalation verhindern und das Nuklearabkommen erhalten?
Die kurzfristige Absage des Besuchs durch den amerikanischen Außenminister Pompeo war bezeichnend. Er hat uns, die vermeintliche Führungsmacht Europas, brüskiert. Europa hatte ja mit dem Atomabkommen mit Iran einen außenpolitischen Erfolg und gemeinsam mit der Obama-Regierung versucht, die Kuh vom Eis zu holen. Das ist jetzt null und nichtig.
Und es gibt keine Chance mehr, das Abkommen zu retten?
Europa kann dem Druck der USA nicht standhalten, weil auch europäische Firmen wissen, wo das künftige Geschäft ist: nicht im Iran, sondern in den USA. Wer in den USA Geschäfte macht oder Geschäfte über den Dollar abwickelt, muss sich der Militär- und Wirtschaftsmacht USA beugen. Wer dem nichts entgegenzusetzen hat, dem bleiben nur rhetorische Floskeln.
Sollten die USA wirklich Iran angreifen, was macht dann Russland?
forscht und publiziert bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) in Berlin. Früher arbeitete er unter anderem für die Weltbank und im US-Kongress. Für sein aktuelles Buch „Der amerikanische Patient. Was der drohende Kollaps der USA für die Welt bedeutet“ (Siedler-Verlag) wurde er auf der Frankfurter Buchmesse 2012 mit dem International Book Award ausgezeichnet.
Die Russen werden sicherlich protestieren, aber dass sie eingreifen werden, wage ich zu bezweifeln. Dieses russische Regime, dessen Stabilität von hohen Ölpreisen lebt, wird sicherlich stillhalten. Und wenn die Saudis da noch mit Scheckbuchdiplomatie ein bisschen nachhelfen …
Was würden Sie Bundesaußenminister Heiko Maas jetzt raten?
Europa souveräner aufstellen. Vielleicht könnte Maas die Kanzlerin an das erinnern, was sie einst selbst sagte: dass wir uns auf andere nicht mehr verlassen können und unser Schicksal selbst in die Hand nehmen müssen.
Heißt das auch: mehr Militärausgaben?
Ja. Wir müssen mehr Geld in die Hand nehmen und wir könnten das auch.
Und Sie meinen, dass Europa derzeit in einer Verfassung ist, die solche größere Einheit überhaupt denkbar erscheinen lässt?
Nachdem Europa bei der Umstellung auf die Sommerzeit nicht auseinandergeflogen ist, bin ich da wieder optimistischer geworden.
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