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Ex-Polizeipräsidentin über Prostitution„Es darf nicht mehr cool sein, ins Bordell zu gehen“

Ex-Polizeipräsidentin Elke Bartels plädiert für das Nordische Modell eines Sexkaufverbots. Sie hofft, damit Zwangsprostitution bekämpfen zu können.

Legal und ohne Anlass von der Polizei nicht zu kontrollieren: Prostitution wie hier in der Hamburger Herbertstraße Foto: dpa | Markus Scholz

Interview von Louisa Eck

taz: Kann man Prostitution abschaffen?

Elke Bartels: Das glaube ich nicht. Prostitution als solches will ich auch gar nicht im Kern angreifen. Sondern ich möchte die Auswüchse bekämpfen, die sich aus der Prostitutionsschutzgesetzgebung ergeben. Die erlaubt vieles, was meines Erachtens nicht menschenwürdig ist. Prostitution als solche hat es immer gegeben und wird es wahrscheinlich auch weiterhin geben. Aber Zwangsprostitution – die darf es eigentlich nicht mehr geben.

taz: Welche Regeln bräuchte es, um Zwangsprostitution abzuschaffen?

Bartels: Viele bezeichnen Deutschland als das Bordell Europas. Bei uns ist es einfach, Frauen in die Prostitution zu zwingen. Es bedarf entweder neuer Prostitutionsschutzgesetze oder – meiner Meinung nach die beste Waffe – der Einführung des Nordischen Modells, das heißt des Sexkaufverbotes.

taz: Würde sich dann nicht die bestehende Prostitution ins Verborgene verlagern?

Der Vortrag

„Prostitution in Deutschland aus polizeilicher Sicht:“ 19. 3, 19 h, Kultursaal der Arbeitnehmerkammer, Bürgerstraße 1, Bremen

Bartels: Das Dunkelfeld ist vor allem bei der Zwangsprostitution so riesig, dass ich denke, dass es gar nicht erweitert werden kann. Das Problem ist, dass die Polizei keine Möglichkeit hat, dieses Dunkelfeld aufzuhellen. Vor der Liberalisierung konnte man Kontrollen durchführen. Jetzt kommen wir in diese Bordelle nicht rein, außer wenn wir gerufen werden.

taz: Ohne Anlass darf die Polizei nicht kontrollieren?

Bartels: Im Moment darf die Polizei tatsächlich nicht anlasslos kontrollieren. Aber das dürfte sie, wenn der Sexkauf strafbar wäre.

taz: Könnte die Polizei solche Kontrollen personell überhaupt stemmen?

Bartels: Das ist ein sicherheitspolitisches Problem. Im Moment müsste die Polizei das Personal umschichten oder mehr anfordern, wenn mehr Leute zur Kontrolle auf Streife geschickt werden sollen. Sie müsste aufrüsten – auch zur Kontrolle der anderen Wege, dennoch Frauen anzubieten, vor allem im Internet. Aber es wären keine Streifengänge durch Bordelle nötig, weil es die ja nicht mehr gäbe.

taz: Aber wäre ein Sexkaufverbot nicht ein Eingriff in die freie Berufswahl der freiwilligen Prostituierten?

Bartels: Freiwilligkeit ist ein dehnbarer Begriff. Ob Frauen das freiwillig machen, hängt davon ab, wie man Freiwilligkeit definiert. Wenn zum Beispiel eine schlecht bezahlte Reinigungskraft sagt, sie verkauft ihren Körper, um mehr Geld zu verdienen. Auch traumatische Erlebnisse können dazu führen, dass man in die Prostitution abwandert. Die Frage ist, ist das noch freiwillig oder nicht?

Im Interview: Bio Elke Bartels

69, ist Juristin und war elf Jahre lang Polizeipräsidentin in Duisburg.

taz: Kann die Polizei aktuell gar nichts tun?

Bartels: Im Moment hat die Polizei kaum einen Ansatzpunkt. Wenn ich bedenke, wie wenige Ermittlungsverfahren angestrengt werden können – das ist nur eine Spitze des Eisbergs. Und meist wissen wir nicht einmal, ob es zum Gerichtsurteil gekommen ist. Durch den Datenschutz sind die Gerichte nicht verpflichtet, der Polizei den Ausgang des Verfahrens mitzuteilen.

taz: Zielt der Wunsch nach dem Nordischen Modell auf einen Wandel der Gesellschaft?

Bartels: Ja. Leider werden in unser Gesellschaft sogar Festivitäten wie Junggesellenabschiede in Bordellen gefeiert. Beim Sexkaufverbot gäbe es gar keine Bordelle mehr. Aber auch wenn man nur kleinere Stellschrauben dreht, muss man die Gesellschaft dahin bringen, dass es eben nicht mehr cool ist, hinzugehen.

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11 Kommentare

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  • Das wahre Problem wird nie benannt - die ausufernde 'Armut' in der Welt. Viele weibliche Prostituierte kommen aus armen europäischen Ländern, wie Rumänien, Bulgarien etc. nach Deutschland. Wenn Deutschland nicht nach den USA und China der dritte Exportweltmeister wäre, würden viele andere Länder vielleicht nicht so arm sein und deren Menschen wären nicht gezwungen ihre Länder zu verlassen, um zu uns zu kommen und hier zu "arbeiten".

    Prostitution kann man niemals ganz verschwinden lassen, aber man kann sie massiv verkleinern. Dazu muss es nur soziale Gerechtigkeit in der Welt geben, denn dann wären Frauen nicht mehr gezwungen ihre Körper fremden Männern "anzubieten". Und gegen skrupellose Zuhälter kann man auch ganz leicht etwas machen, aber man sperrt ja lieber harmlose Schwarzfahrer bei uns ins Gefängnis, als solche menschenverachtenden Kreaturen endlich mal wegzusperren.

    Aber wie gesagt, das Thema 'Armutsprostitution' möchte man nicht so gerne ansprechen, denn das ist das wahre Tabuthema bei dieser ständigen Diskussion um das Verbot von Prostitution. Wir sind hier in der linken und sozialen taz, aber dennoch wird nicht einmal hier das eigentliche Problem angesprochen - 'Armut'.

    • @Ricky-13:

      taz: *Ex-Polizeipräsidentin Elke Bartels plädiert für das Nordische Modell eines Sexkaufverbots.*

      Man vergisst bei dem Nordischen Modell immer gerne, dass die skandinavischen Länder echte Sozialstaaten sind. Bei uns steht der Sozialstaatsgedanke doch nur noch in Art. 20 GG - aber ohne wirkliche Bedeutung. Skandinavische Staaten lassen ihre ehemaligen Prostituierten sicherlich auch nicht hungern oder schicken sie in ein Jobcenter, damit sie dort mit § 10 SGB II gezwungen werden jeden Job anzunehmen. In Deutschland ist das seit Jahren leider Normalität geworden; denn nur so konnte und kann Deutschland auch weiterhin der Exportmeister von Europa bleiben. Der schwedische Wohlfahrtsstaat wurde als politisches Projekt ab den 1930er Jahren aufgebaut. Bei uns wurde der Sozialstaat mit der SPD unter Gerhard Schröder und seiner Agenda 2010 aber massiv abgebaut.

      Apropos Zwangsprostitution. Was ist denn ein größerer Zwang als Armut? Und da wären wir bei dem größten Zuhälter, und der heißt 'Armut'. Die Armut schickt jeden Tag weltweit arme Frauen in die Prostitution. Gegen Armutsprostitution hilft soziale Politik und ein BGE, aber sicherlich kein "Nordisches Modell".

  • Ob das Verschieben in die Illegalität die richtige Lösung ist? Ich bezweifle dies. Es wird zu mehr Kriminalität führen, die in Verbindung mit der Prostitution steht.

    Anstatt sich mit der dann illegalen Prostitution zu beschäftigen, sollte die Polizei herausfinden, wie man Zwangsprostitution aufdeckt und bekämpft. Das wird zwar eine schwere Aufgabe, aber im Endeffekt würden viele Probleme gelöst. Freilich wird es ein harter Kampf gegen die Mafia von bestimmten Zuhältern und deren Spießgesellen sein. Es wird sich gesamtgesellschaftlich lohnen.

  • Bordelle sind ein Fluch, aber mit einem Verbot ist nicht unbedingt eine Lösung erreicht. Länder, in denen Prostitution verboten oder stark eingeschränkt sind, haben sie am Ende doch. Oftmals dann hinter bestimmten Mauern und Strukturen, was meist eher den Zuhältern und Banditen hilft, als den Frauen. Und restriktive Gesetze in anderen EU-Staaten lenken Freier auch nach Deutschland, das ist auch eine Tatsache. Entsprechend gibt es viele Bordelle und Wohnungen im Saarland oder Rheinland-Pfalz, weil Frankreich das restriktiert, weichen die Freier aus.

  • Wie soll ich das verstehen, Frau Bartels sagt: "Prostitution als solches will ich auch gar nicht im Kern angreifen." Aber ein Sexkaufverbot gemäß dem nordischen Modell einführen, damit werden Sexkäufer kriminalisiert, übrigens Prostituierte auch, diese werden in Schweden erst mal nicht bestraft, im Wiederholungsfall aber schon.



    Es kann dich kein echtes Problem sein, Gesetze so zu ändern, dass auch in Bordellen anlasslos kontrolliert werden kann.



    Übrigens haben manche Frauen schon Panik davor, wenn ihnen ihre Verdienstmöglichkeit genommen wird, die sie freiwillig und mit mehr oder weniger Spaß an der Sache ausüben. Gut, sie können dann vielleicht putzen gehen, macht sicher mehr Spaß.

    • @celcon52:

      Je nach Bundesland hat die Polizei mehr oder weniger Befugnisse Prostitutionsstätten zu betreten.



      Siehe auch ProstSchG §29 Überwachung des Prostitutionsgewerbes. Interessanter Punkt dabei:



      "Zur Verhütung dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung können die Grundstücke, Geschäftsräume und die für sexuelle Dienstleistungen genutzten Räume auch außerhalb der für Prostitutionsgewerbe üblichen Geschäftszeiten betreten werden. Dies gilt auch dann, wenn sie zugleich Wohnzwecken dienen. Die betroffene Person oder Dritte, die Hausrecht an den jeweiligen Räumen haben, haben die Maßnahmen nach Satz 1 zu dulden; das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung (Artikel 13 Absatz 1 des Grundgesetzes) wird insoweit eingeschränkt."

  • Dass es "cool" sei ins Bordell zu gehen, ist erstmal vor allem eine steile These der Interviewten. Was sagten denn die Zahlen aus Skandinavien? Ist dort Zwangsprostitution wirklich zurückgegangen oder nur weniger sichtbar geworden? Wie werden Erkenntnisse zu diesem Dunkelfeld dort erhoben und wie würden wir es hier machen?



    Das zentrale Gegenargument lautet ja, dass ein Sexarbeitsverbot das Milieu nur (wieder) weiter in den Untergrund treiben würde, weil das Verbot Angebot und Nachfrage nicht wirklich verändert und auch das Armutsproblem hinter Sexarbeit nicht löse. Das Verbot könne hier sogar verschärfend wirken, weil illegal um weniger Freier:innen konkurriert wird.

    Abgesehen davon wird hier Sexarbeit mit Zwangsprostitution wie so oft gleichgesetzt.

  • "Prostitution als solches will ich auch gar nicht im Kern angreifen. (...) Es bedarf ... der Einführung des Nordischen Modells, das heißt des Sexkaufverbotes."



    Da komm ich nicht mit. Wenn der Kauf von Sex verboten ist, ist Prostitution verboten. Oder verstehe ich das Sexkaufverbot nicht bzw. falsch?

  • Die mir hier fehlende Frage: warum gibt es keine funktionierende Wirtschaftsaufsicht?

    Wir kontrollieren in jedem Dönerladen, ob der Salat richtig gelagert wird, aber nicht, ob Prostituierte freiwillig arbeiten. Und das darf nicht sein.

    Wenn Prostitution ein Gewerbe ist, braucht sie eine funktionierende Wirtschaftsaufsicht. Wer steht der im Weg?

    • @Arne Babenhauserheide:

      Das Problem ist, keine Prostituierte würde aussagen, dass sie dazu gezwungen wird und wer sie dazu zwingt. Sonst bräuchte sie 24 Stunden Polizeischutz und ihre Familie im Heimatland vermutlich auch. Ohne eine solche Aussage ist leider auch kein Verfahren möglich.



      Es ist wirklich ein Dilemma und extrem ärgerlich, dass hier seit Jahren nichts wirkungsvolles getan wird.

  • "Festivitäten wie Junggesellenabschiede in Bordellen gefeiert." Das ist vernachlässigbar. Aber wo würden dann Politiker und Manager ihre "Sausen" abhalten?