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Essay Brexit und RechtspopulismusDas Volk gegen die da oben

Dass die Briten den Schritt zum Austritt gegangen sind, hat viele Gründe. Für rechte Populisten ist das Anti-EU-Ressentiment ist ein gefundenes Fressen.

Einer ist schon jetzt eine Witzfigur Foto: dpa

„Daran habe ich immer geglaubt, dass man sich wichtigen Entscheidungen stellen muss und sich vor ihnen nicht wegducken darf“, sagte David Cameron Freitagmorgen, nachdem das Schockergebnis des Brexit-Referendums bekannt geworden war. Daran sah man schon, wie weit der britische Premier von der Realität entfernt ist. Cameron hat aus Parteitaktik ein Referendum ausgeschrieben, er und die Tories haben seit Jahrzehnten auf der billigen Klaviatur des Antieuropäertums gespielt – dann braucht man sich über das Ergebnis nicht zu wundern. Die Positionen der populistischen Rechten übernehmen und dann ein Pro-Votum empfehlen – das ist so absurd, dass man am liebsten laut auflachen möchte.

Leadership, das sich „wichtigen Entscheidungen stellt“, ist so ziemlich das Gegenteil von dem, was dieser grandios gescheiterte Möchtegernstaatsmann repräsentiert. Wäre es nicht so tragisch, müsste man sagen: Dieser Mann ist als Premier eine Lachnummer, die nicht leicht zu überbieten ist. Er wird in die britische Geschichte als Witzfigur eingehen.

Dass die Briten den Schritt zum Europa-Exit tatsächlich gegangen sind, hat natürlich viele Gründe.

Da ist zunächst einmal das jahrzehntelange Antieuropäertum des rechten Tory-Flügels. Euroskepsis ist in Großbritannien nichts, was erst mit dem Aufkommen von Populismus und Wutbürgertum zu grassieren begann. Es gibt hier einen Traditionsstrang von „Britishness“, der Exklusivität hochhält. Der konnte freilich immer nur die britische Europapolitik bremsen – aber er war nie stark genug, die britische EU-Mitgliedschaft generell infrage zu stellen.

Dass es jetzt so weit kam, hängt mit zwei weiteren Faktoren zusammen, die – und das ist das Beunruhigende – nichts mit skurrilen Britenspleens zu tun haben.

Wutbürgertum

Erstens das, was man so generell das Wutbürgertum nennt (und das mit Bürgerlichkeit nur dem Namen nach zu tun hat): das Ressentiment gegen die politische Klasse und deren Elitenprojekte, der Zorn auf die Welt und Veränderungen, die ins Aggressive umschlagende Verängstigung, Xenophobie und Abwehr von Zuwanderung. All das verdichtet sich in einer Wut und dem Bestreben, es „denen da oben“ endlich einmal zu zeigen.

Und überall in Europa richtet sich diese Wut auf „Europa“, auf „Brüssel“, auf „die Eurokraten“ und deren „undemokratisches Regime“. Marine Le Pen, ­Geert Wilders, Heinz-Christian Strache und seine FPÖ, Ungarns Viktor Orbán und viele andere schaffen es spielend, diese Wut zu kapitalisieren.

All das ist eine amorphe, antipolitische Stimmung, die getragen wird von der Vorstellung in breiten Bevölkerungskreisen, dass die politischen Eliten in ihrer Arroganz „die einfachen Leute“ verachten, verkaufen, betrügen.

Diese Gemengelage grassiert überall in Europa, aber auch über Europa hinaus: Man denke beispielsweise nur an Donald Trump und andere Produkte dieses giftigen politischen Emotionscocktails.

Rhetorische Spiele

Die „einfachen Leute“ fühlen sich von der Etabliertenpolitik nicht mehr repräsentiert, und dieses Gefühl wird von den Populisten noch geschürt. Die Rhetorik der Etablierten wiederum unterstützt dieses Gefühl auch noch: Wann immer sie hilflos und gut gemeint beteuern, man müsse nun „rausgehen zu den Leuten“, dann senden sie die Botschaft, dass sie etwas anderes sind als „die Leute“, dass man von denen getrennt ist und dass es notwendig ist, auf paternalistisch-herablassende Art zu denen hinzugehen und ihnen die Welt zu erklären.

Neben der spezifisch britischen Emotionalität und der populistischen „Wir da unten gegen die da oben“-Mentalität gibt es aber noch einen dritten Grund, und der ist in gewissem Sinne der schlimmste, weil er fahrlässig selbst verschuldet ist und die Europäische Union zerstören kann, und der dafür verantwortlich ist, dass aus eurokritischen Minderheiten eine Mehrheit werden kann: die fatale Politik der Europäischen Union selbst.

Die Europäische Union wurde mehr und mehr zu einem neoliberalen Projekt, in dem „Marktfreiheit“ und „Wettbewerbsfähigkeit“ die zentralen Glaubensartikel sind. In den vergangenen sechs Jahren kam dann noch eine flächendeckende Austeritätspolitik dazu, die vor allem in der Eurozone zu permanenter Stagnation und in den Krisennationen der Peripherie zu sozialen Katastrophen führte.

Das ist fatal, weil es das Bild der Europäischen Union in den Augen der Bürger einfärbte. Diese EU wird einfach nicht mehr mit Wohlstand, Fortschritt und wachsenden Chancen verbunden (wie das in den achtziger und bis weit in die neunziger Jahre der Fall war), sondern mit Wohlstandsverlusten, mehr ökonomischem Stress und Wettbewerb, bei dem die Bürger und Bürgerinnen unter die Räder kommen.

Bedrohung statt Versprechen

Europa ist kein Versprechen mehr – es ist eine Bedrohung.

Dafür sind die politischen und administrativen Eliten der Länder grosso modo selbst verantwortlich und besonders auch noch jene politische Strömung, die dem Kontinent seit Jahren ein „Ihr müssten den Gürtel enger schnallen“ verordnete.

Etwas salopp gesagt: Es sind Leute wie Wolfgang Schäuble und Co, die die Europäische Union an den Rand des Kollapses gebracht haben.

Tolle Leistung, danke schön dafür!

taz.am wochenende

Ein Land prägt eine Religion. Wie Muslime in Deutschland leben, lesen Sie in der taz.am wochenende vom 25./26 Juni. Außerdem: Rebellion für die Selbstbestimmung. Von weiblicher Solidarität und Schubladendenken - das #TeamGinaLisa steht. Und: Die Briten haben über den Austritt aus der EU abgestimmt. Was kommt jetzt? Am Kiosk, eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo.

Diese Politik hat den Spaltpilz in dieses Europa gepflanzt, weil Krisen plötzlich nicht mehr im Geiste der Kooperation gelöst, sondern die Mitgliedstaaten gegeneinander aufgewiegelt wurden: Solider Norden gegen die Schlawiner im Süden, so wurde die Debatte etwa in der Finanz- und Eurokrise geframed.

Nicht nur ein Gegeneinander schlich sich ein, sondern ein Geist des autoritären Regierens. Nationale Regierungen, die nicht spuren wollten, wurden auf Linie gebracht wie etwa die griechische. Die Troika wurde zum Sinnbild dieses fatalen Kurses: bürokratische Eliten, die mit grenzenloser Überheblichkeit glauben, sie könnten Befehle erteilen.

Die bösen Geister, die diese Politik rief, wird sie nun selbst nicht mehr los.

War das Setting des Gegeneinanders in der Euro- und Finanzkrise noch eines, das im Wesentlichen an der Nord-Süd-Achse (und vor allem in der Eurozone) wirkte, so gingen die Fronten bei der nächsten Krise schon durcheinander: Ost gegen West, Peripherie gegen Zentrum, beinahe jeder gegen jeden.

Bild einer dysfunktionalen Union

Die Blockbildungen, wer sich mit wem verbündet und welche politischen Fragen wo auf fruchtbaren Boden fallen, die mögen teilweise variieren – aber das Gesamtbild einer dysfunktionalen Union, die für die Bürger und Bürgerinnen kaum mehr nennenswerte Vorteile bietet und deren zentrifugale Tendenzen ins Chao­ti­sche übergehen, setzte sich erfolgreich in den Köpfen fest. Von London bis Athen, von Wien bis Budapest.

Diese Europäische Union ist auch von ihren Freunden und Freundinnen kaum mehr zu verteidigen – und ist deshalb als Feindbild ein gefundenes Fressen für die Rechtspopulisten. Überall können sie die scheinbaren Interessen der „einfachen Leute“ gegen Europa in Stellung bringen.

Das zeigte sich insbesondere in England dramatisch. Die Labour-Party kämpfte nur halbherzig für ein „Remain“, ihrem linken Vorsitzenden Jeremy Corbyn fiel kaum ein Argument ein, das gegen den Brexit sprach. Viele Linke warben mit dem Argument für das „Remain“, ein Brexit würde unter den gegebenen Umständen nur den Rechten helfen. Ein „linker Exit“ wäre wünschenswert, aber der stünde nicht zur Wahl. Deshalb gab diese Linke die Parole aus: „Remain and revolt.“ Es versteht sich von selbst, dass derart um die Ecke gedachte Argumentationen in einer polarisierten Atmosphäre nicht gerade dazu beitragen, nennenswert gegen den rechten Populismus zu punkten.

Die Populisten in Europa werden jetzt einen Zahn zulegen und versuchen, einen Dominoeffekt zu produzieren. Noch haben sich viele der Rechtsparteien gescheut, den definitiven EU-Austritt zu fordern. Parteien wie etwa die FPÖ fordern eine solche Sezession bisher nicht offen. Aber es ist anzunehmen, dass sich das in den nächsten Monaten ändern wird. Zu verlockend ist die Aussicht, mit einer Anti-EU-Referendumsforderung die Regierungen unter Druck zu setzen und zu fordern, „das Volk“ solle entscheiden. Schon Freitag haben sich der Front National, Wilders Freiheitspartei und die FPÖ markant in diese Richtung bewegt.

Die Europäische Union ist jetzt an einen Wendepunkt. Wenn Merkel, Schäuble und Co glauben, man könnte so weitermachen, dann fliegt uns dieses Europa um die Ohren.

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33 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

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  • Warum soll es Europa besser gehen, als denen in der sog. "dritten Welt" welche die Überheblichkeit schon seit Jahrzehnten ohne Ausnahme zu spüren bekommen. Solange aber, und ist leider zu erwarten, wird weiter so gemacht wie bisher, die Fehler liegen immer bei den Anderen. Das in erster Linie die Austeritätspolitik in Europa zu diesem Desaster geführt hat, sollte eigentlich nicht verwundern. Denn dies wird nicht nur von Europa, sondern vom gesamten Westen, welcher gerade einmal 10% der Weltbevölkerung, ohne Rücksicht auf Verluste realisiert, nur dieses Mal mit dem Unterschied, dass es Europa trifft.

  • 6G
    6474 (Profil gelöscht)

    ein sehr guter artikel der mir aus der seele spricht.danke dafür!

    • @6474 (Profil gelöscht):

      Das "Geld-drucken" der Europäischen Zentralbank ist eher Neo-Keynesianismus. Und das Drücken der Kosten eher eine Reaktion of Dumbing-Anbieter wie China, die mit einer künstlich abgewerteten Währung zB unsere Solarindustrie kaputt gemacht hat.

  • Fragt sich nur:

     

    Wer erzieht die Umerzieher-/innen?

  • Als wenn die selbsternannt "Linke" immer so tapfer für das europäische Projekt ins Horn geblasen hätte. Im Gegenteil! Allerorten wird mit der als undemokratisch, neoliberal und unsozial verschrieenen EU im gleichen Orchester zusammen mit den Rechtspopulisten das gleiche Stück gespielt. Und dann wundert man sich und ist beleidigt, dass man bei der Wählerschaft nur die zweite Geige spielt. Schuld daran ist natürlich wieder Schäuble, Merkel und Co.

    • @Rudolf Fissner:

      Hola! Da schau her!

       

      Aber Sie sann sich sicher -

      Rechte&linke - Hirn&Hand -

      Voneinander - öh wissen¿!

      Fein. Frag ja nur mal!;)

  • Zitat: "...die fatale Politik der Europäischen Union selbst.

    Die Europäische Union wurde mehr und mehr zu einem neoliberalen Projekt, in dem „Marktfreiheit“ und „Wettbewerbsfähigkeit“ die zentralen Glaubensartikel sind."

     

    Wow, das klingt ja aber auch total proeuropäisch. Zum Glück haben die Briten diesen Artikel nicht gelesen, sonst wären wohl noch mehr für den Brexit gewesen… Besonders widersprüchlich finde ich dann wenn in dem Artikel dann auf einmal gesagt wird, Schäuble, "Merkel und co." sind schuld. 1. Merkel und co. sind deutsche Regierung, nicht EU Regierung. Also was ist nun schuld? Die Politik von Nationen wie Deutschland? oder die "Europäische Union selbst"? Außerdem: Schäuble, Merkel und co. wurden gewählt. Und damit betreibt der Autor genau so ein "Elitenbashing" wie die Populisten. Wer traut sich zu sagen "Das deutsche Volk, das ständig Merkels, Schäubles und Schröders wählt ist schuld?"

     

    Ja, es ist ein Dilemma, wie soll man einzelne Projekte der EU kritisieren ohne gleich antieuropäisch zu wirken? Gut finde ich, dass im Artikel die obskure Rolle der altlinken Labour Führung angedeutet wird. Corbyn, vor einem Jahr von jungen Leuten als "britischer Sanders" is Amt gehieft, hat jetzt durch seine verquarzte Haltung exakt diese linke und weltoffene Jugend verraten. Ja, es scheint vielen (alt-)linken Spaß zu machen auf die "Neoliberale EU", auf die "Neoliberale Globalisierung" zu schimpfen. Was ist die Alternative? Bedingungslos alles zu unterstützen was die derzeitige EU-Führung macht? Was ich mich dann immer frage: Wir haben Hartz4, wir haben eine Ungleichverteilung des Vermögens in Deutschland, in fast jeder größeren Stadt gibt es Gruppen die gegen "neoliberale Stadtpolitik" kämpfen. Warum traut sich trotzdem niemand zu sagen „Düsseldorf ist neoliberal“ oder "Deutschland ist zu einem neoliberalen Projekt geworden"?

  • Well done!

  • Die Mehrheit der Briten sind also "Wutbürger"...?

     

    Na, man kann es sich aber auch zu einfach machen.

     

    Jene Generation, die dort mehrheitlich für den Austritt gestimmt hat, die vielgescholtenen "über 50-jährigen", sind mit den Beatles und Stones aufgewachsen, haben jung die politische Revolution der 60-er Jahre und die sexuelle der 70-er Jahre erlebt, haben Punk als Musik erfunden und als Lebensstil gelebt, habe die Friedensbewegung der 80-er massgeblich geprägt. Und das sind jetzt plötzlich alles Wutbürger?

    • @TurboPorter:

      Als*45 sag ich mal trocken -

      Sie wissen aber schonn - daß diese

      "kulturelle Firnis auf zwei Beinen"

      eben dieses geblieben ist - &

      speziell Old Great Britain - in besonderer Weise fossile Klassengesellschaft - & nicht nur wg

      Iron Maggie - bis heute geblieben ist?! - Danke - dann isset ja jut!!;)

      kurz - and around - Druiden -;;)

      Nix dagegen - launig zu lesen!

      Aber Robert Misiks Analyse -

      korrekt - & da - liegt die Latte!;)

      kurz - nix gegen Porter - ;)

      Turbo - muß nicht sein!

      • @Lowandorder:

        Klassengesellschaft sind wir auch. Kapitalismus ist immer Klassengesellschaft, auch wenn die Profiteure das gern anders sehen.

         

        Die EU als neoliberales Fehlkonstrukt macht Europa kaputt.

        • @DR. ALFRED SCHWEINSTEIN:

          lesen se doch mit -

          "besonders fossile…"

          Sone gewisse Binnendifferenz;)

          könnte auch le chefle -

          Schon mal aufgegangen sein.

          Heute immerhin - Die Sonne -

          Sol lucet omnibus;)

      • @Lowandorder:

        apropos geistliche Getränke:

         

        ".... wenn dein Pferd unter ferner liefen streunt -

        Ist ein Porter noch immer dein Freund;)

        (geklaut bei Harry Rowohlt - klar;))

  • Man könnte fast von einem Glücksfall reden, dass es den Brexit gab, gell! ?

    Denn so können die geneigten Kommentatoren wieder die Kiste Schäuble, Neoliberalismus, Austerität und so weiter auspacken und gewohnte Mechanismen greifen. Schön!

     

    Aber im Falle Brexit (oder Polen oder Ost-EU-ler oder Dänemark, Österreich, Niederlande, also letztlich alle außer GR) ist das unzutreffend bis grob falsch.

     

    Es geht auf der einen Seite um Glaubwürdigkeit der Politik und instrumentalisierte Zuwanderungsangst und Rassismus auf der anderen Seite.

     

    Das eine klarzumachen und das andere zu bekämpfen ist das Ziel.

    Mit Südländerlikes ist kein Brexit zu verhindern.

  • 5G
    571 (Profil gelöscht)

    Mir fehlt generell noch eine Einschätzung über die Rolle und den Einfluss der britischen Massenblätter.

  • Erstaunlich wie zäh Märchen doch selbst nach ihrer Enttarnung geglaubt werden. Die EU ist von Anfang an als eine Wirtschaftsunion gedacht worden. Das begann mit der EGKS und den Montanverträgen zum Aufbau einer Schwerindustrie, die zu jener Zeit als Hauptarbeitgeber volkswirtschaftlich sinnvoll war.

     

    In ihrer weiteren Geschichte wurde stets eine Marktregulierung vorgenommen, der einen auskömmlichen Wohlstand für die Mitgliedstaaten sorgte.

     

    Erst mit dem Zerfall des RGW drängten nun freiheitsdurstige, ach so unterdrückte Ostblockstaaten in diese Union, weil eine gewendete korrupte Politikerkaste unbedingt sich die Rosinen herauspicken wollte. Als Gegengabe werden ihre Bürger als Wanderarbeiter verhökert, wie weiland der Fürst von Hessen-Kassel seine männlichen Untertanen als Kanonenfutter vertickte. Die alte EU profitiert von diesen Sklavenarbeitern, die dank David Cameron und Andrea Nahles einen Tritt bekommen, wenn sie die geforderte Arbeitsleistung nicht erbringen können. Das ist die gegenwärtige EU. Die soll erhaltenswert sein?

     

    Jetzt sind wir an einem Punkt angelangt, wo Profite ohne lästiges europäisches Humankapital erwirtschaftet werden können. Darum wird jetzt nur noch Leichenfledderei betrieben, bis die Freihandelsabkommen jegliche Regulierung überflüssig machen und die Weltregierung in die Hände von wenigen Konzernen legen.

     

    Der Kardinalfehler der saturierten und berauschten EU-Bürger war die Tatsache, dass der europäische Gedanke als Staatsidee religiös überhöht wurde. In Wirklichkeit ist dies nur der Regierungswechsel von einst gewählten Staatsregierungen zur absoluten Herrschaft des ungehemmten Marktes.

     

    Ein neues Europa muss aus der gemeinsamen Enteignung, Zerschlagung der Unternehmen und Umerziehung Ihrer Führungskräfte bestehen.

    • @achterhoeker:

      Umerziehung?

      Ich hab gleich nochmal nach oben gescrollt um die Uhrzeit des Posts zu checken - war aber doch noch früher Nachmittag. Also ernstgemeint?

    • @achterhoeker:

      "Ein neues Europa muss aus der gemeinsamen Enteignung, Zerschlagung der Unternehmen und Umerziehung Ihrer Führungskräfte bestehen."

       

      Dem ist nichts hinzuzufügen.

      • @DR. ALFRED SCHWEINSTEIN:

        Sie werden knöcheltief im Blut derjenigen stehen die Sie ansprechen und bekehren wollen.

        Weltverbesserer sind der Welt Übel......

  • "... aber das Gesamtbild einer dysfunktionalen Union, die für die Bürger und Bürgerinnen kaum mehr nennenswerte Vorteile bietet..." - zum beispiel? welche vorteile denn? keine staus an den grenzen?

  • Ein ganz guter Artikel zum Thema. Ein Aspekt wurde aus meiner Sicht noch nicht ausreichend behandelt: Die Lage der arbeitenden Klasse. Im UK, in Deutschland und auch in anderen west- und mitteleuropäischen Ländern erlebt die arbeitende Klasse permanente Lohndrückerei durch EU-Bürger, die gern für eine Handvoll Euro arbeiten. Darüber darf nicht gesprochen werden und so verlieren die Parteien, die sich als links verstehen, diese Wähler.

     

    Also wenn nach dem Brexit weiter so geschwafelt wird (und da reicht es nicht sich auf Merkel und Schäuble zu fokussieren, auch Steinmeier und die Grünen reden nur für ein saturiertes Bürgertum, das keine Existenzängste hat) und sich nichts konkretes für den kleinen Mann bessert, dann fliegt die EU auseinander und das wäre dann auch gut so.

  • Die EU ist antidemokratisch neoliberal und wer gegen sie ist, schützt die Demokratie. Das hat mit "Wutbürgertum" nicht viel zu tun. Und wer sich nicht repräsentiert fühlt, fühlt sich des halb nicht repräsentiert, weil er faktisch nicht repräsentiert wird - das haben aber alle nationalen Regierungen genau so an sich.

     

    Kurzum: Auch im Brexit zeigt sich lediglich das gesellschafspolitische Scheitern des Neoliberalismus in Europa und die gesellschaftspolitische Endkrise des Weltkapitalismus.

  • 3G
    33324 (Profil gelöscht)

    In der EU gibt es keine offene Diskussion und schon überhaupt keine Einigkeit darüber, wie weit der Integrationsprozess der einzelnen Staaten innerhalb der Union getrieben werden soll. Wir dürfen nicht davon ausgehen, dass in allen europäischen Ländern sich eine Mehrheit der Menschen eine Aufhebung nationaler Grenzen und eine "Republik Europa" wünschen würde, auch wenn wir als Linksdenkende uns dies gerne so vorstellen.

  • 2G
    24636 (Profil gelöscht)

    Neben dem von Hebel der stärkste Kommentar bislang.

  • "Das Volk gegen die da oben"

     

    Die Verantwortung dafür, dass dieser Spruch in vielen EU-Staaten ausreicht, immer mehr Menschen von den etablierten Parteien wegzutreiben, tragen in hohem Maße diese etablierten Parteien sowie ihre Unterstützer selbst. Der ihnen verordnete Mainstream erlaubt bei etlichen Themen keinerlei Debatte über Alternativen mehr, was einer Demokratie per se nicht gut tut.

     

    Das Beispiel Brexit ist geradezu ein Lehrstück dafür: Als Gegner mit nahezu identischen Positionen scharten sich neben George Soros bis hin zu deutschen "Anarchisten" tausende von Politikern verschiedenster Couleur, Heerscharen von "Experten", Wirtschaftsverbände und Gewerkschaften, Kirchen und sonstige Institutionen. Alle genannten haben bisher dem "gemeinen" Bürger angesichts seiner Skepsis nichts zu bieten als zu behaupten, man würde etwaige Bedenken selbstverständlich ernst nehmen. In der Realität fährt der Zug aber seit Jahren exakt in der vorgegebenen Richtung weiter.

     

    Dieses Problem ist auf Dauer auch nicht dadurch in den Griff zu bekommen, indem man Menschen, die es wagen angesichts dieses Mainstreams auch nur ein Stirnrunzeln zu zeigen, als „dumm“, „einfältig“, „unsolidarisch“ oder gar rechtsradikal abzuqualifizieren. Nein, auf diese Weise wird man langfristig auch die gutmütigsten gegen sich aufbringen. Gedanken zu verbieten ist schon immer gescheitert, speziell dann, wenn man versuchte, bereits geringfügige Zweifel als des Teufels zu deklarieren. Exakt das wiederholt sich leider heute.

  • "Etwas salopp gesagt: Es sind Leute wie Wolfgang Schäuble und Co, die die Europäische Union an den Rand des Kollapses gebracht haben."

     

    Nicht nur Schäuble sondern die "Etablierten". Der offene Arbeitsmarkt - zwangsläufig zu Lasten der Unterschicht - ist doch Konsens von Schwarz bis Grün.

  • Kluger Beitrag. Danke. Sehr schön ist auch Yanis Varoufakis' Artikel im Guardian: https://www.theguardian.com/commentisfree/2016/jun/24/brexit-britain-disintegrating-eu-yanis-varoufakis

    Die Trennung verläuft nicht nach Nationen, sondern nach Klassen und Schichten, und so lange zig Menschen sich angekoppelt fühlen und durch die arrogante Austeritätspolitik von Leuten wir Schäuble weiter abgekoppelt werden, werden die 'Populisten' weiter Zulauf haben, zumal die Linke mit Ausnahme von Varoufakis oder Wagenknecht offenbar zu blöd sind, eine zeitgemäße, verständliche Kapitalismuskritik zu bieten und den monetären Schwachsinn des Euros aufzudröseln. So fliegt uns der Laden wirklich bald um die Ohren.

  • " ...Europa ist kein Versprechen mehr – es ist eine Bedrohung....

    Etwas salopp gesagt: Es sind Leute wie Wolfgang Schäuble und Co, die die Europäische Union an den Rand des Kollapses gebracht haben.

    Tolle Leistung, danke schön dafür!..."

     

    Schließe mich mit dem Rest voll an.

    Klare Ansage - Robert Misik halt. http://misik.at/ - Wer sonst!

  • Trotz dem an sich guten Artikel: Ich wunder mich jedes Mal, dass behauptet wird, es gehe um Europa. Nicht vielmehr um eine Wirtschaftsunion europäischer Staaten oder besser Regierungen? Allein das Wort "Europäische Union" war schon von Beginn an ein Euphemismus.

    • @TV:

      Die europäische Union ist eine Wirtschaftsunion, aber es gab viele Menschen, die sich wünschten und auch aktiv daran gearbeitet haben, dass mehr daraus wird. Tatsächlich ist aber der fromme Wunsch letztendlich recht weit weg von der Realität geblieben. Das hat dazu geführt, dass die Mainstream-Rhetorik zwar mit dem Wunsch Schritt gehalten hat und immer mehr von Wertegemeinschaft und Europa=EU sprach und spricht. Tatsächlich ist die EU aber immer eine fast ausschließliche Wirtschaftsgemeinschaft geblieben.

       

      Es ist nicht zuletzt genau dieser Konflikt zwischen politischer Rhetorik und sozialer und wirtschaftliche Realität, die zu so viel Unzufriedenheit mit der EU geführt hat. Die Rechten nutzen sie, indem sie sagen: Seht euch dieses vermurkste vereinte Europa an. Wollen wir da nicht lieber wieder vereinzelte Nationalstaaten? Das andere Lager sagt: Das ist nicht das vereinte Europa, wie ich es mir vorstelle. Wir brauchen eine neue EU.

       

      Fazit: Es gibt in allen politischen Lagern inzwischen Leute, die die EU ganz loswerden wollen. Die Träumer, die durch Reformen von der Wirtschafts- zur politischen und kulturellen Wertegemeinschaft gelangen wollten, sind nur noch eine Minderheit.

      • @user21617:

        Wenn aber die kulturelle und politische Union kein Wunsch der Mehrheit ist - warum soll genau das dann jetzt die Lösung sein.

         

        Es scheint manchen einfach unmöglich zu sehen, das weder die neoliberale Banken-EU noch die progressive Gereinigten Staaten von Europa gewollt sind.

  • Die Hetze, dass nur Rechtsextreme gegen die EU seien, funktioniert gut. Sie macht es der Linken unmöglich, sinnvoll gegen diese Union der Banken und Finanzkasinos zu argumentieren.

     

    Die Linke sollte dringend an ihrer Kommunikationsstrategie arbeiten. Denn als überzeugter Europäer sage auch ich:

     

    Diese EU? Nein, Danke!

    • 3G
      33324 (Profil gelöscht)
      @Volker Birk:

      Es geht in dieser Frage doch schon lange nicht mehr um links oder rechts, rinks oder lechts. Es geht darum, ob man das Establishment weiter hin gewähren lässt oder ob man es nun endlich zu Fall bringt.