Erster Bundeshaushalt der Ampel: Lindner hofft auf Ende der Notlage
Die Regierung nimmt viel mehr Schulden auf als beabsichtigt. Als Reaktion auf Krieg und Inflation soll bald ein Ergänzungshaushalt folgen.
Augenblicklich umfasst der Etatentwurf 2022 Einnahmen und Ausgaben von 458 Milliarden Euro. Knapp 100 Milliarden Euro davon stammen aus neuen Schulden. Wegen Corona hatte schon die alte Regierung die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse ausgesetzt.
Auch weitere Posten will die Ampel teilweise oder ganz mit Krediten finanzieren, etwa den Energie- und Transformationsfonds und das neue Sondervermögen für die Bundeswehr. Die Mittel des Ergänzungshaushaltes werden ebenfalls aus neuen Schulden stammen – sie sollen unter anderem die hohen Energiekosten zugunsten von Privathaushalten und Firmen abfedern.
„Wir kennen die makroökonomischen Auswirkungen des Ukraine-Krieges nicht“, sagte Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) zur Begründung des Ergänzungshaushaltes. Deshalb müsse man sich noch etwas Zeit lassen, um weitere Maßnahmen zu beschließen. „Das zweite Entlastungspaket wird kommen“, so Lindner.
Union kritisiert den Entwurf
„Der Haushalt ist geschönt und auf Sand gebaut“, kritisierte dagegen Christian Haase, der haushaltspolitische Sprecher der Union im Bundestag. „Infolge des Ukraine-Kriegs sind viele Positionen falsch oder im Zweifel noch gar nicht veranschlagt.“ So seien die Steuereinnahmen deutlich zu hoch angesetzt und Ausgaben für die Kosten für die Flüchtlinge nicht berücksichtigt, erklärte Haase.
Konkret sind im Haushaltsentwurf für 2022 nochmals rund 24 Milliarden Euro Mehrausgaben wegen Corona enthalten, etwa Hilfen für Unternehmen. Die Verkehrsinvestitionen sollen während der kommenden fünf Jahre in Richtung 20 Milliarden Euro jährlich zunehmen.
Für den Bau von Sozialwohnungen stellt die Koalition dieses Jahr zwei Milliarden zur Verfügung, ab 2025 dann schon 3,5 Milliarden. Insgesamt 50 Milliarden Euro sind jährlich für Investitionen eingeplant.
Im Bundeshaushalt 2023 will die Regierung die Schuldenbremse einhalten. „Das ist ein „Befehl unserer Verfassung“, sagte Lindner. Er hoffe, dass es nicht mehr nötig sei, eine Haushaltsnotlage zu beschließen – die Voraussetzung für die Lockerung der Schuldenbremse.
Um das zu schaffen, müssten die Ausgaben 2023 um rund 50 Milliarden Eurogegenüber 2022 sinken. Ob das gelingt, ist fraglich. Andererseits entwickeln sich die Steuereinnahmen gut. Nach Berechnungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) lagen sie 2021 um 13 Prozent über dem Vorjahr. Die Wirtschaft erholte sich erstaunlich schnell von der Corona-Krise. Und in diesem Jahr steigen die Steuereinnahmen außergewöhnlich deutlich als Folge der Inflation.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit
Kanzlerkandidat-Debatte
In der SPD ist die Hölle los
Russischer Angriff auf die Ukraine
Tausend Tage Krieg
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Verfassungsklage von ARD und ZDF
Karlsruhe muss die unbeliebte Entscheidung treffen
BSW stimmt in Sachsen für AfD-Antrag
Es wächst zusammen, was zusammengehört