Erste große Aktion von „Disrupt Tesla“: Campen gegen größeres Teslawerk
Für kommendes Wochenende rufen Klimaaktivist*innen zu Protesten in Grünheide auf. Das Bündnis „Disrupt“ will die E-Auto-Fabrik dort blockieren.
„Schon jetzt werden dort jährlich rund 300.000 Blechlawinen produziert, die unsere Straßen und Städte verstopfen“, kritisiert der Sprecher des linken Bündnisses „Disrupt Tesla“. „Die Tesla-Fabrik steht für Luxusautos, Profite für Elon Musks Großkonzern und den Raubbau von Ressourcen im Globalen Süden“, sagt Becker. „Das ist das Gegenteil von dem, was wir als Gesellschaft brauchen, nämlich gute Konzepte für eine soziale Verkehrswende.“ Den weiteren Ausbau der Fabrik wollen die Aktivist*innen verhindern.
Für das kommende Wochenende mobilisiert „Disrupt“ nach Grünheide. Aus ganz Deutschland sollen Klimaaktivist*innen anreisen, um das Teslawerk zu blockieren. Von Mittwoch bis Samstag soll es ein Camp für mehr als 700 Personen geben, darüber hinaus gibt es eine Bettenbörse für Privatunterkünfte in Berlin und Umgebung. Ziel der Aktivist*innen ist es, die E-Auto-Produktion der Fabrik lahmzulegen – oder zumindest deren Ablauf zu stören. Außerdem planen sie Workshops, Waldspaziergänge und eine Demonstration am Samstag, den 11. Mai.
Die Tage vom 8. bis 12. Mai sollen die erste große Aktion des Bündnisses Disrupt werden, das aus einem Neufindungsprozess von „Ende Gelände“ im vergangenen Sommer hervorgegangen ist. Auslöser dafür war die Feststellung, dass sich das Label Ende Gelände überholt hat – die Zeiten der Massenaktionen gegen Kohlekraftwerke im Rheinland sind vorbei, der Kohleausstieg ohnehin beschlossene Sache. 2021 orientierte sich das Bündnis thematisch um und erklärte die Gasindustrie zum neuen Hauptgegner. Doch die Teilnehmerzahlen von knapp 8.000 Aktivist*innen in weißen Maleranzügen im Jahr 2019 konnte das Bündnis nie wieder erreichen.
Klimabewegung im Suchprozess
Das hat neben der Coronapandemie auch inhaltliche Gründe: Die Kritik an fossilem Gas ist schwieriger zu vermitteln als die an Steinkohle oder Braunkohle. Für Gas werden keine Dörfer abgebaggert, auch hinterlässt die Förderung keine dystopisch anmutenden, schwarz-braunen Krater in der Landschaft. Die Energiekrise infolge des russischen Angriffskriegs trug ihren Teil dazu bei, dass Gas in der Öffentlichkeit eher als notwendiger Garant für eine stabile Energieversorgung gilt denn als fieser Klimakiller. Und während die Antikohleproteste im Rheinland eine jahrelange Tradition auch in der lokalen Bevölkerung haben, lässt sich vergleichbares nicht über Anti-Gas-Proteste sagen.
Und dann kam im vergangenen Jahr auch noch die Flaute von Fridays for Future. Wie viele andere soziale Bewegungen erholten die Fridays sich nur schlecht von den Strapazen der Coronapandemie. Auch die jungen Aktivist*innen konnten ihre Teilnehmerrekorde aus dem Jahr 2019 nie wieder erreichen. Das 1,5-Grad-Ziel hatte als Maxime ausgedient – ganz einfach, weil es realistisch nicht mehr zu erreichen ist. Die Krise beim größten Player der Klimabewegung hat sich auch demotivierend auf andere Teile der Bewegung ausgewirkt.
„Die ganze Klimabewegung befindet sich in den letzten zwei Jahren in einem Suchprozess“, sagt ein*e anonyme*r Aktivist*in, der*die sich Noa nennt. Hoffnungslosigkeit und Enttäuschung hätten sich breit gemacht, auch weil der Rückhalt in der Bevölkerung bröckele und die Bundesregierung nicht entsprechend handele. Disrupt sei der Versuch, wieder in die Offensive zu kommen.
Das neue Bündnis solle als gemeinsame Austausch- und Aktionsplattform für die radikaleren Teile der Klimabewegung fungieren – also diejenigen, die nicht nur demonstrieren, sondern auch besetzen und blockieren wollen. Die anderen Gruppen, die sich angeschlossen hätten, kämen etwa aus dem Umfeld von Waldbesetzungen, Verkehrswende- oder Tierrechtsaktionen. „Wir wollen ein verbindendes Moment für die Klimabewegung schaffen und dabei die Kapitalismuskritik in den Vordergrund stellen“, sagt Noa.
Manu Hoyer, Bürgerinitiative Grünheide
Eine große und zentral organisierte Massenaktion pro Jahr, wie es sie in den vergangenen Jahren bei Ende Gelände immer gab, soll es bei Disrupt nicht geben. Der Fokus soll eher auf kurzfristigeren, kleineren Aktionen liegen, die von regionalen Gruppen oder Bündnissen organisiert werden. Formal besteht Ende Gelände zwar weiter, es soll aber keine eigenen Großveranstaltungen mehr geben.
Hinter den Aktionstagen in Grünheide steht neben Disrupt als maßgebliche Organisationsstruktur das Bündnis „Tesla den Hahn abdrehen“, das sich aus linken Berliner und Potsdamer Gruppen zusammensetzt. Daran beteiligt ist auch die Bürgerinitiative Grünheide, die sich seit Bekanntwerden der ersten Pläne zur Teslafabrik gegen deren Bau und Ausbau wehrt. „Tesla zerstört und vergiftet unsere Umwelt“, sagt Manu Hoyer. Die Rentnerin aus Grünheide ist Sprecherin der Initiative und hat im März nach eigenen Angaben die größte Demonstration organisiert, die Grünheide je gesehen hat – mit über 1.000 Teilnehmer*innen.
Land Brandenburg will Tesla-Ausbau durchdrücken
„Dass die Landesregierung gegen den Willen der Bevölkerung den Ausbau der Fabrik durchdrücken will, ist eine Frechheit“, sagt Hoyer. Bei einer Bürgerbefragung hatten die Einwohner*innen Grünheides Ende Februar mehrheitlich gegen den Ausbau gestimmt. Doch das Votum ist nicht bindend. Elon Musk will das Fabrikgelände von 300 Hektar auf knapp 500 Hektar vergrößern und die Produktion auf eine Million Autos im Jahr steigern. Die Gemeinde Grünheide hält trotz der Ablehnung aus der Bevölkerung grundsätzlich an den Ausbauplänen fest, schlägt aber eine kleinere Expansion vor, bei der nur 50 weitere Hektar Wald gerodet werden müssten.
Einen Teil des Waldes, der dem neuen Bebauungsplan zum Opfer fallen würde, halten Aktivist*innen derzeit besetzt. Seit Februar haben rund 50 bis 80 Klimaschützer*innen in der Nähe der Fabrik Baumhäuser, Plateaus und Barrikaden errichtet. Die Besetzung ist noch bis zum 20. Mai angemeldet. Was danach passiert, hängt wohl auch ein Stück weit davon ab, wie viele Menschen am kommenden Wochenende ihren Weg in den Wald finden.
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