Erneuerbarer Wasserstoff: Aus Rot mach Grün
Grün soll unter Umständen auch der Wasserstoff heißen dürfen, der mithilfe von Atomstrom hergestellt wurde. Besser wäre ein Ausbau der Erneuerbaren.
D ie EU ist bei dem Wort „grün“ bekanntermaßen flexibel. Viele Investitionen in Erdgas und Atomkraft darf man als grün verkaufen, so hat die EU es im vergangenen Jahr in ihrer sogenannten Taxonomie für nachhaltige Finanzen festgeschrieben, den vielen Treibhausgasemissionen und dem vielen Atommüll zum Trotz.
Jetzt will die EU-Kommission die logische Konsequenz beim Wasserstoff ziehen: Grün soll man den unter Umständen auch nennen dürfen, wenn er gar nicht mithilfe von erneuerbaren Energien hergestellt wurde, sondern auf Basis von Atomstrom. Einfach entscheiden kann die Kommission das zwar nicht, es bräuchte aber breite Mehrheiten im EU-Parlament und im Ministerrat der EU-Mitgliedsstaaten, um das Vorhaben aufzuhalten. Die sind nicht zu erwarten.
Eigentlich ist für solchen Wasserstoff aus Atomstrom bisher eine ganz gegenläufige Bezeichnung üblich, nämlich „rot“. Dass sich das trotz Strahlengefahr und Atommüll jetzt ändern soll, ist ein Zugeständnis an Frankreich mit seinen vielen Atomkraftwerken und der verschlafenen Energiewende. Immerhin sind Auflagen vorgesehen: Netzbetreiber müssen einen langfristigen Kaufvertrag für erneuerbaren Strom in der Region abgeschlossen haben, damit es doch noch vorangeht mit der Energiewende. Das ist dringend nötig – für den Wasserstoff, aber auch für den sonstigen Strombedarf.
Wasserstoff hat einen Spitznamen, vom „Champagner der Energiewende“ ist in der Ökoszene oft die Rede. Die Botschaft: Es geht um ein knappes und wertvolles Gut, das nicht zu jedem Anlass in die Gläser fließen kann. Es ist nachvollziehbar und auch mehr als sinnvoll, die Kapazität ausbauen zu wollen. Grüner Wasserstoff wird zentral, um beispielsweise die Industrie klimafreundlich zu machen.
Dafür brauchen wir aber in erster Linie einen massiven Ausbau erneuerbarer Energien, kein Greenwashing der Atomkraft. Außerdem ist es wichtig, im Blick zu behalten: Nicht für jeden Zweck, zu dem man Wasserstoff theoretisch einsetzen könnte, wird es praktisch sinnvoll sein – etwa im Autoverkehr.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Wirkung der Russlandsanktionen
Der Rubel rollt abwärts
Frauen in der ukrainischen Armee
„An der Front sind wir alle gleich“
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“