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Ernährung in der ZukunftNahrungsmittel als Klimakiller

Die Produktion von Lebensmitteln ist einer der großen Faktoren, die auf das Klima einwirken. Ein radikaler Umbau ist notwendig.

Pflanzenkulturen in einem Versuchslabor für „vertical farming“ Foto: dpa

Berlin taz | Die Zukunft der Erde liegt auf unsern Tellern. Die Warnung der Klimaforscher, dass der hohe Fleischkonsum zentraler Treiber für die Entstehung von Treibhausgasen ist, wird nun um weitere Einflussfaktoren für die Zukunft der Lebensmittelproduktion und von gesellschaftlichen Ernährungsstilen bis 2035 ergänzt. Eine entsprechende Studie des Karlsruher Fraunhofer-Instituts für System- und Innovationsforschung (ISI) wurde jetzt auf einer internationalen Konferenz in Rotterdam vorgestellt.

Die Untersuchung zur Zukunft der Ernährung in den europäischen Ländern („50 trends influencing Europe’s food sector by 2035“ (pdf-Dokument) ist der deutsche Beitrag zum EU-Forschungsprojekt Fox, das mit 25 Partnern in den nächsten vier Jahren, ausgestattet mit sieben Millionen Euro, die Chancen und Wahrscheinlichkeiten für eine Ernährungswende herausfinden soll.

Vor allem interessiert das Fox-Konsortium („Food processing in a Box“), wie sich die heute dominierenden „aufwendigen großindustriellen Anwendungen zur Verarbeitung von Obst und Gemüse in kleine, flexible und mobile lokale Produktionseinheiten überführen“ lassen. Daher geht es nicht nur um eine Vorausschau von technologischen und wirtschaftlichen Entwicklungslinien, sondern auch um soziale Innovationen auf Verbraucherseite.

Aus insgesamt 50 größeren Zukunftstrends haben die ISI-Forscher 15 absehbare Entwicklungen herausgefiltert, die ihrer Einschätzung nach den größten Einfluss auf das Food-System der kommenden zwei Dekaden haben werden. Dazu zählen auf Konsumentenseite die zunehmende Organisation regionaler Lebensmittelkreise („Local food circles“), etwa in Gestalt zivilgesellschaftlicher Ernährungsräte, das „food sharing“ nach dem Motto „Teilen statt besitzen“ oder der Kochtrend „vooking“ mit veganen und glutenfreien Gerichten.

Ein Drittel aller produzierten Lebensmittel landen nicht auf dem Teller sondern im Müll

Auf Produzentenseite ist es der Trend zum Fleischersatz durch „alternative Proteine“, sei es aus dem Labor oder über das Protein von Insekten, die Herstellung von „fairen“ Lebensmitteln, wie sie bei Bananen und Kaffee schon Platz greift, sowie auch grundlegend neue Produktionsformen wie das Aquafarming oder das „vertical farming“ in Hochhäusern der Megastädte.

Bei der Technologie steht die Präzisionslandwirtschaft (precision farming) mit Feldrobotern und Drohnen zur Schädlingsbekämpfung auf der Agenda, weiterhin auch gentechnisch veränderte Lebensmittel („nutrigenomics“), wie auch – neu auf dem Zukunftsplan – Blockchain-Technologien und die künstliche Intelligenz (KI). „KI könnte auch dazu beitragen, die Qualität und Frische von Lebensmitteln zu verbessern und deren Verschwendung zu verringern, indem Kundenanforderung und -nachfrage bereits im Voraus bekannt sind“, erklärt Björn Moller, Fox-Projektkoordinator am Fraunhofer ISI.

„So können Supermärkte die richtige Menge der benötigten Lebensmittel zum richtigen Zeitpunkt bereitstellen.“ Dies sei besonders für den E-Commerce-Bereich relevant, böte aber auch für lokale Händler „ein immenses Potenzial, um in jeder Filiale ein spezifisches, maßgeschneidertes und differenziertes Sortiment anbieten zu können“, so Moller.

Die beiden gewichtigsten und wohl auch am schwersten zu gestaltenden Food-Trends betreffen die Lebensmittelverschwendung und den Klimawandel. Rund ein Drittel aller produzierten Lebensmittel landen nicht auf dem Teller oder wandern von dort in den Müll – eine gigantische Ressourcenverschwendung, die bei anderer Organisation die Welternährung von 7,7 Milliarden Menschen revolutionieren könnte. Nötig ist es, denn der Klimawandel wird nach Abschätzung der Wissenschaftler dazu führen, dass die Agrarproduktion zwischen den Jahren 2011 und 2050 in Indien um fünf Prozent und in Afrika um 12 Prozent abnehmen könnte.

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7 Kommentare

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  • Im Augenblick steigt der globale Fleischverbrauch exorbitant. Die deutschen Schweinemäster freut es, weil in China die Schweine wegen der afrikanischen Schweinepest wegsterben ist deutsches Schweinefleisch sehr gefragt und sehr teuer.

  • "Die Warnung der Klimaforscher, dass der hohe Fleischkonsum zentraler Treiber für die Entstehung von Treibhausgasen ist,..."

    Mich machen solche Artikel in der Taz immer ratlos.

    Beim Umweltbundesamt lese ich, dass 84,5 % aller Treibhausgase in Deutschland von Verbrennung fossiler Brennstoffe verursacht werden. Die Landwirtschaft ist dagegen mit 6 -7,5 % vertreten.

    www.umweltbundesam...schland#textpart-3

    Laut EU-Parlament liegt EU-weit der Anteil des Energiesektors immer noch bei mehr als 80 %. Die Landwirtschaft ist nur mit 8,72 % dabei.

    Ich gehe davon aus, dass es einem LKW grundsätzlich egal ist, ob er nun Sojamilch oder Kuhmilch transportiert.

    Dass die Zukunft der Erde nun auf den Tellern liegen würde, kann ich daraus nicht ansatzweise entnehmen.

    Eher in meiner Heizung und in meinem Auto.

    Lügt das Umweltbundesamt?

    • @rero:

      Vielleicht sollten Sie an die gesamte Welt nicht die Statistiken eines höchstentwickelten mit energieintensiver Industrie anwenden, oder die einer kaum weniger entwickelten EU. Wie sehen denn die Anteile von Brasilien, Argentinien oder auch der USA aus, die einen Großteil des Mastfutters produzieren und dafür z. T. Regenwald vernichten?

      • @LeSti:

        Ich gehe davon aus, das Sie bei Mastfutter, Sojaschrott meinen.



        Sojaschrott ist das Abfallprodukt bei der Sojaöl Gewinnung für BIO-Sprit, Vegane Lebensmittel usw...



        Es wird also ein Übel durch ein noch größeres Übel erzeugt.

  • "die bei anderer Organisation die Welternährung von 7,7 Milliarden Menschen revolutionieren könnte. Nötig ist es, denn der Klimawandel wird nach Abschätzung der Wissenschaftler dazu führen, dass die Agrarproduktion zwischen den Jahren 2011 und 2050 in Indien um fünf Prozent und in Afrika um 12 Prozent abnehmen könnte."

    Tscha. Und bis 2050 wird es ca. 11-12 Mrd Menschen geben. Und es wird bei weiter wachsender Bevölkerung auch egal sein, ob wir Steaks essen, oder einfach Dreck. Es wird nicht genug Ressourcen geben für so viele Menschen.

  • Die direkte Verwertung von Nahrungsmitteln durch den Menschen, also veganer Konsum/Produktion, ist immer noch das Effizienteste. Noch dazu hat die vegane Küche sehr an Vielfalt zugenommen. Da sind zig Varianten vorhanden, die für jeden Menschen lecker sein dürften, überwänden Omnivore erst einmal ihre ideologischen Vorbehalte und bisherigen Gewohnheiten.



    Der Mensch benötigt für seine gesunde Ernährung keine tierlichen Proteine, weder von Säugetieren, Fischen noch von Insekten. Nicht nur ist deren Erzeugung eine Verschwendung pflanzlicher Kalorien sondern auch ökologisch und ethisch problematisch - wie in Form des "Aquafarmings". Fische sind Wirbeltiere und spüren schmerzen. Dann werden bei bereits heutiger "Überfischung" kleinere Fische verfüttert. Medikamentenbeigabe und Ausscheidungen sind weitere Probleme usw. usf.