Ermordete Umweltschützer weltweit: Geschlagen, Entführt, Erschossen
Regenwaldschützer, Bäuerinnen und Landlosen-Aktivisten: Weltweit werden immer wieder Umweltschützer wegen ihres Engagements ermordet.
Vom Militär erschossen: der Regenwaldschützer
Der Umweltaktivist und frühere Soldat Chut Wutty begleitete am 26. April 2012 gerade Journalisten zu einer illegalen Rodung im kambodschanischen Regenwald, als ein Soldat das Feuer auf ihn eröffnete. Wutty starb im Alter von 43 Jahren an den Folgen der Schussverletzung. Der Gründer und Anführer der „Natural Ressource Protection Group“ (NRPG) hatte seit Jahren die Rolle des Militärs bei der Vernichtung von Naturschutzgebieten kritisiert. Er prangerte Korruption in der Politik und den Verkauf geschützter Waldflächen an private Unternehmen an.
Der Schütze, ein Offizier der Militärpolizei, beging Suizid. Die Untersuchung des Vorfalls durch die Regierung dauerte drei Tage und befasste sich nicht mit den Ursachen der Tötung. Im Gegenteil: Die Regierung untersagte weitere Nachfragen zu dem Thema. Korruption und Gewalt sind in der Forstwirtschaft von Kambodscha weit verbreitet, aber weder die Regierung noch internationale Kreditgeber gehen dagegen vor. (Quelle: HRW)
Entführt, verschollen: der soziale Ökopionier
Die letzte Videoaufnahme, die von Sombath Somphone existiert, zeigt, wie er nach einer Verkehrskontrolle in der laotischen Hauptstadt Vientiane mit zwei Polizisten in einem Jeep davonfährt. Das war am 15. Dezember 2012 – seitdem ist er verschollen. Die Bitte seiner Frau, den Fall aufzuklären, wurde ignoriert, eine Anfrage des EU-Parlaments im August 2013 brachte keine Klarheit. Die Regierung lehnt jede Verantwortung für die Entführung ab. Dabei ist Sombath ein berühmter Mann. Er brachte die nachhaltige Landwirtschaft ins Königreich Laos, um die Ernährungslage der Menschen zu verbessern.
Als Initiator vieler Projekte für die Armen und Benachteiligten ist er asienweit bekannt. Für die Gründung des „Participatory Development Training Centre“ wurde er 2005 mit dem Ramon-Magsaysay-Preis ausgezeichnet. „Er ebnet den Menschen den Weg in eine bessere Zukunft“, hieß es in der Begründung. Das Center bildet Angestellte der Verwaltung darin aus, Projekte mit Gemeinden zu planen und war lange Zeit die einzige zugelassene Nichtregierungsorganisation dieser Art in Laos. (Quelle: versch. Medien)
Die Bauernführerin
Ihr Mann, zwei Kinder und 17 weitere Verwandte waren bereits im Vorjahr ermordet worden. Dann traf es am 28. November 2012 auch die mexikanische Umweltaktivistin selbst. Juventina Villa Mojica hatte mehr als 20 Jahre lang eine Gruppe von Bauern im mexikanischen Coyuca de Catalán angeführt. Sie wehrten sich gegen Rodung ihres Waldes durch lokale Drogenbanden, die dort ihre Plantagen anlegen wollten. Durch den Widerstand wurde Mojica in den blutigen Drogenkrieg hereingezogen, der seit Jahren Mexiko erschüttert.
Nach vielen Überfällen und Anschlägen hatte der Staat deshalb zum Schluss 31 Polizisten zu ihrem Schutz abgestellt. Ohne Erfolg: Als sie ihr Dorf mit einem bewachten Konvoi verließ, warteten 30 Attentäter auf sie. Juventina und ihr 11-jähriger Junge starben im Kugelhagel, die siebenjährige Tochter blieb unverletzt. (Quelle: Huff-Post)
Der Anti-Müll-Mann
Wladimir Gontscharenko war am 4. August 2012 auf dem Weg zu seinem Sommerhaus, als sein Auto von einem anderen Wagen zum Halten gezwungen wurde. Männer zerrten ihn von seinem Sitz, schlugen ihn und traten auf ihn ein. Nur wenige Tage zuvor hatte Gontscharenko als Anführer der Sozialen Bewegung für Bürgerrechte und Umweltschutz in der Ukraine das Unternehmen Ukr-Euro beschuldigt, illegal und ungesichert 183 Tonnen von giftigem und teilweise radioaktivem Industrieabfall zu lagern.
Der Regierung in Kiew gab er eine Mitschuld daran; sie habe die Umweltverschmutzung geduldet, immerhin sei in der Ukraine seit fünf Jahren kein gesetzlich vorgeschriebener Umweltbericht mehr vorgelegt worden. Wenige Tage nach dem Überfall starb Gontscharenko in der Intensivstation einer Klinik in Dnjpropetrowsk an den Folgen seiner Verletzungen. (Quelle: Frontline Defenders)
Die Stimme der Landlosen
Cícero Guedes, 43, hatte für seine Arbeit im Jahr 1991 den Alternativen Nobelpreis bekommen. Am 25. Januar 2013 wurde er vermutlich wegen eben dieser Arbeit, für die er international geehrt worden war, regelrecht hingerichtet. Er saß auf seinem Fahrrad in einem Außenbezirk von Rio de Janeiro in Brasilien, als zwölf Schüsse seinen Kopf trafen. Wer sie abgefeuert hat, ist unklar. Cícero Guedes war auf dem Rückweg von einer Siedlung landloser, unrechtmäßig enteigneter Bauern am Rande von Rio. Ihr Land wurde ihnen genommen und an große Unternehmen verkauft.
Cícero Guedes war der Anführer ihrer Widerstandsbewegung, verlieh ihnen eine Stimme, organisierte die Besetzung von Landflächen. Manchmal war er dabei erfolgreich und die Bauern bekamen ihr Land zurück. Guedes half ihnen dann, das Land nachhaltig zu bewirtschaften. (Quelle: Right Livelihood Award)
Der Dorfdemonstrant
Frédéric Moloma Tuka war keine Berühmtheit. Von ihm gibt es kein Foto im Internet, nur eines von seinem Grab. Der 70-Jährige wohnte in der Gemeinde Yalisika in der Äquatorprovinz der Demokratischen Republik Kongo. Dort wehrten sich die Bewohner gegen den Holzkonzern Siforco, weil er ihnen zugesicherte Zahlungen und Sozialprogramme als Ausgleich für die Rodungen ihres Waldes nicht zahlen wollte. Am 2. Mai 2011 überfielen 60 Polizisten und Soldaten das Dorf, schlugen und vergewaltigten die Einwohnerinnen und Einwohner, unter ihnen Kinder. 16 Menschen wurden verhaftet.
Tuka wurde bei diesem Angriff schwer misshandelt und vor seinem Haus liegen gelassen. Er wurde in die Krankenstation gebracht, wo er starb. Die einzige Krankenschwester des Dorfes konnte ihm nicht helfen – sie war bei dem Überfall ebenfalls verprügelt worden und saß im Gefängnis. (Quelle: Global Witness)
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Aktienpaket-Vorschlag
Die CDU möchte allen Kindern ETFs zum Geburtstag schenken
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Waffen für die Ukraine
Bidens Taktik, Scholz’ Chance
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana