Ermittlungen wegen „Frauenmarsch“: Grüne stellen sich hinter Bayram
Zu den Vorwürfen gegen Canan Bayram geben sich die Grünen gelassen. Doch die Staatsanwälte haben weitere Politiker im Visier.
Die Berliner Staatsanwaltschaft will gegen Bayram wegen eines möglichen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz ermitteln. Bayram, die das Direktmandat in dem Berliner Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg gewonnen hat, protestierte im Februar 2018 gegen einen rechten „Frauenmarsch“ in Berlin. Laut Staatsanwaltschaft soll sich die Grüne an einer Blockade von mehr als 1.000 Menschen auf einer Straßenkreuzung beteiligt haben.
„Durch gemeinsames enges Zusammenstehen“ habe die Grüne mit anderen den „Frauenmarsch“ für Stunden aufgehalten, was schließlich zu dessen Abbruch geführt habe – was Bayram und die anderen GegendemonstrantInnen „auch bezweckt haben sollen“. So begründet die Staatsanwaltschaft in einem Schreiben, das die taz einsehen konnte, ihre Ermittlungen.
Bei den Grünen gibt man sich angesichts des Falles gelassen. „Ich gehe davon aus, dass die Berliner Justiz dieses Verfahren ordnungsgemäß und zeitnah bearbeitet, und glaube, dass sich die Vorwürfe gegen Frau Bayram schnell entkräften“, sagte Haßelmann weiter. Bayram selbst hatte die Vorwürfe als „befremdlich“ bezeichnet. Sie habe sich damals in ihrem Wahlkreis im Austausch mit Bürgern befunden.
Der Grünen-Abgeordnete Sven-Christian Kindler übte Kritik an der Staatsanwaltschaft. „Für mich ist klar, dass friedliche Aktionen zivilen Ungehorsams gegen rechtsradikale Aufmärsche sinnvoll und notwendig sind“, sagte Kindler der taz. Die vielen Ermittlungsverfahren gegen friedliche DemonstrantenInnen wirkten so, als werde hier mit Kanonen auf Spatzen geschossen. Kindler betonte: „Friedlicher Protest gegen rechte Hetze ist kein Verbrechen, sondern legitim und wünschenswert.“
Grünen-Abgeordnete Katrin Schmidberger
Bei den Protesten im Februar waren auch Berliner Landespolitiker vor Ort. Nach taz-Informationen haben vier von ihnen ebenfalls Post von der Staatsanwaltschaft bekommen: die drei Grünen-Abgeordneten Katrin Schmidberger, Fatoṣ Topaç und Georg Kössler sowie Hakan Taş, der für die Linkspartei im Abgeordnetenhaus sitzt.
„Wir haben großes Vertrauen in die Justiz, dass sie die Vorwürfe aufklären wird“, sagte Schmidberger. Bei möglichen Ermittlungen dazu werde man sich „natürlich nicht querstellen“. Sie und ihre Fraktionskollegen seien als parlamentarische Beobachter vor Ort gewesen. „Es war wichtig, dass es friedlichen Protest gab gegen diesen angeblichen Frauenmarsch, auf dem in Wirklichkeit nur gehetzt wurde“, sagte sie.
„Ich bin oft als parlamentarischer Beobachter bei Demonstrationen und habe bislang durchweg gute Erfahrungen gemacht, auch mit der Polizei vor Ort“, sagte Georg Kössler. Davon möchte er sich durch die aktuellen Ereignisse auch nicht abbringen lassen: Kössler, bei den Berliner Grünen zuständig für Klima- und Umweltschutz, will auch bei den für Ende Oktober geplanten Protesten des Bündnisses „Ende Gelände“ im Hambacher Forst vor Ort sein.
Dass Abgeordnete bei Protesten als parlamentarische Beobachter vor Ort sind, um das Geschehen zu dokumentieren und gegebenfalls zwischen Polizei und Aktivisten zu vermitteln, ist langjährige Praxis. Eine eigene juristische Kategorie gibt es für diese Tätigkeit allerdings nicht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Scholz stellt Vertrauensfrage
Traut mir nicht
Wahlprogramm der Union
Scharfe Asylpolitik und Steuersenkungen
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
Künftige US-Regierung
Donald Trumps Gruselkabinett
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt