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Erdoğan und die EUHeuchlerische Charmeoffensive

Jürgen Gottschlich
Kommentar von Jürgen Gottschlich

Der türkische Präsident Erdoğan will die Beziehungen zur EU verbessern. Sie sollte sich nicht täuschen lassen.

Präsident Erdoğan gibt sich versöhnlich, weil er auf finanzielle Unterstützung seitens der EU hofft Foto: Türkisches Präsidentenbüro/reuters

A ls ein „Zurück in die Zukunft“ könnte man Erdoğans Charme­offensive in Richtung EU bezeichnen nach seinen jahrelangen, teilweise weit unter die Gürtellinie zielenden Anschuldigungen, die das Verhältnis zu Europa so sehr belastet haben, dass eigentlich niemand mehr mit ihm sprechen wollte. Jetzt sollen die Beziehungen plötzlich wieder „auf die Erweiterungsschiene gesetzt werden“, Erdoğan spricht von einer positiven Agenda, die langfristig sogar zum Beitritt führen soll.

Heiko Maas ist als erster EU-Minister gleich nach Ankara geeilt, weil Teil der neuen Erdoğan-Strategie auch ist, die Dauerprovokation gegenüber Griechenland zu beenden und den Streit über Gasbohrungen im östlichen Mittelmeer am Konferenztisch weiterzuführen. Maas sieht diese Entwicklung als Ergebnis deutschen Drängens und will nun die diplomatische Dividende einfahren.

Doch die EU sollte sich von den Sirenenklängen aus Ankara nicht täuschen lassen. Erdoğan ist nach wie vor derselbe. Zwar ist es schön, wenn ein drohender militärischer Konflikt zwischen der Türkei und Griechenland nun zumindest verschoben ist, doch das lag nicht an der plötzlichen Einsicht, dass Reden besser als Schießen ist. Es ist die blanke Not, die Erdoğans neue versöhnliche Töne hervorbringen.

Ohne mehr Geld aus dem Westen und ohne erweiterten Zugang zum Binnenmarkt droht der Türkei der Staatsbankrott. Deshalb ist Erdoğan bereit, seinen aggressiven außenpolitischen Kurs im östlichen Mittelmeer vorerst zu beenden. Dafür soll die EU jetzt schnell helfen. Dass dies ein rein taktisches Verhalten ist, zeigt sich im Innern der Türkei. Da wird die Repressionsschraube sogar noch angezogen, damit die Opposition von der Krise nicht profitiert.

Erdoğans Koalitionspartner, der rechtsradikale MHP-Chef Devlet Bahçeli, will die kurdisch-linke Partei HDP gleich ganz verbieten, Erdoğan selbst reicht gegen den Oppositionsführer Kemal Kılıçdaroğlu eine Klage nach der anderen ein und will am liebsten dessen parlamentarische Immunität aufheben lassen. Solange das so ist, sollte die EU Erdoğan die kalte Schulter zeigen.

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Jürgen Gottschlich
Auslandskorrespondent Türkei
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7 Kommentare

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  • Das EU-Geheuchel zu Menschenrechten zeigt sich an der EU-Außengrenze in Bosnien.

  • Lasst doch den Maas Heiko glauben, er habe es erreicht, dass Erdogan Kreide gefressen habe ... Hauptsache, er ist lieb zur EU, im Inneren werden die Kurden weiter zusammenkartätscht.

  • Jetzt wäre die Chance, hart mit dieser Regierung zu verhandeln. Im Sinne der Menschen ja, nicht unbedingt im Sinne der Regierung. Solche Dinge wie: Freizügigkeit ja, Bürgschaften nur an klare, harte Bedingungen geknüpft. Graue Wölfe hier genauso wie die PKK schon seit Jahren einstufen. Etc.

    Dem türkischen Volk zuliebe.

    Aber... die hiesigen Konservativen lieben geradezu autoritäre Popanze. Leider. War immer so.

    • @tomás zerolo:

      Türkische Faschisten haben hierzulande einen Freifahrtschein, man möchte in der Türkei ja nicht den Erdogan mit seiner AKP/MHP-Koalition unnötig verärgern ... die angeblichen kurdischen Separatisten und Terroristen dagegen kommen in vorauseilendem Gehorsam auch bei uns unter die Knute.



      So sieht der Einsatz der Bundesrepublik für Demokratie und Menschenrechte weltweit aus.

  • Ich bin voll auf der Linie der taz-Autor:in. Es gibt keinen Grund zu glauben, dass sich Erdogan wirklich wieder an den Westen annähern will.

    Es ist mit Erdogan aber genau wie mit Donald Trump: die eigentlichen Sorgenkinder sind nicht sie selbst, sondern ihre Anhänger bzw die (rechts)radikalen Bewegungen, für die sie stehen. Gerade Erdogans Anhänger in Deutschland - d.h. eine Mehrheit der türkischen Mitbürger - werden (auch von der taz!) mehr in Schutz als in die demokratische Pflicht genommen. Das wäre allerdings keine Mission für den Außenminister, sondern für den Innenminister und seine Kollegen in den Ländern.

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  • Alles klar