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Erbeutete US-WaffenGaza, Grönland – jetzt Afghanistan

Trump will US-Militärgerät zurück, das beim Abzug an die Taliban fiel – und einen afghanischen Militärstützpunkt. Pakistan sichert Kooperation zu.

Ein Fahrzeug des US-Militärs bei einer Parade der Taliban in Kandahar 2021 Foto: imago

Berlin taz | Nein, kaufen und in ein Tourismusparadies umwandeln will Donald Trump Afghanistan nicht. Nur ein kleines Stück des Landes soll es sein, der Militärstützpunkt Bagram. Um Afghanistan selbst geht es dem US-Präsidenten, will man seinen Worten Glauben schenken, auch gar nicht. Bagram wolle er „nicht wegen Afghanistan, sondern wegen China“ haben, weil es genau eine Stunde Flugzeit „von dem Ort entfernt ist, an dem China seine Atomraketen baut.“

Schon im Wahlkampf brachte Trump das Thema Bagram mehrfach auf. Er sei besorgt, dass Bagram nun „unter chinesischem Einfluss“ stünde. Die Taliban dementierten. Was daran stimmt: Beijing ist nach dem schmählichen US-Abzug 2021 diplomatisch weiter in Afghanistan aktiv und fördert chinesische Investitionen dort. Die USA hingegen sind raus. Am Mittwoch sprach Trump das Thema Bagram in der ersten Sitzung des neuen Kabinetts in Washington wieder an.

Der Präsident hat noch eine zweite Rechnung mit den Taliban offen. Er will militärische Ausrüstung und Waffen im Wert von sieben Milliarden US-Dollar zurück, die die USA laut Pentagon an Afghanistans Streitkräfte geliefert hatten. Darunter sind Blackhawk-Hubschrauber, gepanzerte Fahrzeuge und massenhaft Kleinwaffen, Munition und Kommunikationsausrüstung, die die Taliban zur Demütigung Washingtons regelmäßig öffentlich vorführen. Sie stehen hingegen auf dem Standpunkt, dabei handele es sich um „Kriegsbeute“, die ohnehin „Eigentum der Afghanen“ sei.

Pakistan hofft auf Verbesserung der US-Beziehungen

Trump stoppte deshalb bereits Ende Januar die meiste humanitäre Hilfe an Afghanistan, die über die UNO geflossen war – über 2,1 Milliarden Dollar seit der Taliban-Machtübernahme. Das machte die USA zum größten Geber. Und hat entsprechende Folgen: Laut UN-Generalsekretär António Guterres verlieren dadurch jetzt neun Millionen Af­gha­n*in­nen den Zugang zu Gesundheitsversorgung.

Inzwischen rief am Dienstag Trumps nationaler Sicherheitsberater Mike Waltz, ein Afghanistan-Veteran, Pakistans Vizepremier und Außenminister Ishaq Dar an, wie das Außenministerium in Islamabad bestätigte. Dar habe Kooperation in der Waffenfrage zugesichert. Pakistans Regierung hofft nach Jahren der Krise auf einer Verbesserung seiner Beziehungen mit Washington und auf die Wiederaufnahme dessen früher umfangreicher Militär- und Wirtschaftshilfe.

Zudem möchte Pakistan, lange Hauptunterstützer der Taliban in Afghanistan, seinen dort zuletzt geschwundenen Einfluss wieder herstellen. Ein alter Grenzkonflikt schlug mehrmals in Gefechte um, zuletzt wieder seit Ende Februar. Pakistan wirft Kabul auch vor, nicht genügend gegen die pakistanische Taliban-Bewegung TTP vorzugehen, die teilweise von Afghanistan aus operiert.

Ein Zeichen guten Willens

Pakistan verfügt daher im Moment nicht über genügend politischen Einfluss um Afghanistans Taliban-Regime gegenüber Washington zum Einlenken in der Waffenfrage zu bewegen – von einer Übergabe Bagrams ganz zu schweigen. Letzeres könnte auch die Beziehungen zu China belasten, die für Pakistan im Spannungsfeld mit Indien essenziell sind. Die Themen Bagram und China blieben in den Verlautbarungen zum jüngsten US-pakistanischen Telefonat so auch unerwähnt.

Schwer vollstellbar, wenn auch nicht unmöglich ist, dass pakistanisches oder US-Militär, eventuell sogar gemeinsam, den Riesenstützpunkt Bagram gewaltsam einzunehmen versuchen. Die USA müssten allerdings wissen, dass sie die Taliban als Gegner nicht erneut unterschätzen sollten.

Allerdings könnten auch die Washington entgegen kommen wollen, um ihren internationalen Status aufzuwerten. Sollten sie etwa US-Militär oder Sicherheitsfirmen erlauben, über Bagram einige Waffen aus ehemaligen US-Beständen auszufliegen, könnte sich eine gesichtswahrende Lösung für beide Seiten ergeben.

Pakistan lieferte den USA indes ein weiteres Zeichen guten Willens: Es wurde Trump überlassen, am Dienstag vor dem Kongress zu verkünden, dass Pakistans Sicherheitskräfte einen Afghanen festgenommen und an die USA übergeben haben, der der Organisator eines schweren Bombenanschlags am Kabuler Flughafen sein soll. Bei diesem waren während des Truppenabzugs und der Evakuierung afghanischer Verbündeter des Westens auch 13 US-Soldaten umgekommen. Trump sprach Dankesworte in Richtung Islamabad.

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10 Kommentare

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  • Humanitäre und moralische Erwägungen jetzt mal außer Acht gelassen: wenn 9 von 46 Mio. Afghan*innen keinen Zugang zu Gesundheitsversorgung mehr haben, wird das Taliban Regime destabilisiert. Auch eine weitergehende Isolierung Afghanistans kann dazu beitragen, dass die Taliban über weniger Ressourcen verfügen und der Druck der eigenen Bevölkerung auf das Regime steigt.



    Wenn dann das Land wieder in von Warlords beherrschte Fürstentümer zerfallen ist, kann der Westen diese mit finanziellen und anderen Hilfen gegen Gegenleistungen (z.B. Schulpflicht, auch für Mädchen) auf seine Seite ziehen.



    Ja, das ist Imperialismus, aber das ist es in Afghanistan jetzt ja auch schon, nur eben religiöser Imperialismus.



    Und wenn man Fotos aus Kabul aus den 60ern und von heute sieht, fragt man sich schon, wer denn bei der Frage nach dem Selbstbestimmungsrecht der Völker am lautesten geschrien hat.

    Vermutlich nicht das afghanische Volk.

  • Dummerweise wird die dämliche Dominanzdemonstration eines doppelten Donalds von den Demokratiefeinden im Dunstkreis der Taliban wahrscheinlich wesentlich eher ernst genommen, als alle intelligenzbasierten Initiativen europäischer Menschenfreunde. Das ist wahrscheinlich das eigentliche Drama, Aggression schlägt Aufklärung in der praktischen politischen Realität zur Zeit um Längen.

  • Eines jedenfalls macht Trump goldrichtig: dem US-amerikanischen Imperialismus wieder in allen Winkel der Welt Geltung zu verschaffen - er macht es nur auf seine ganz eigene Art. Aber erratisch - oder Ausfluss einer narzisstischsten Persönlichkeitsstörung - ist seine Außenpolitik nicht (das habe ich bis kürzlich noch so gesehen, da ich es nicht durchschaut habe). Ob Afghanistan oder die Ukraine: es folgt alles einem genauen Skript.



    MAGA heißt eben nicht Isolationismus bzw. innenpolitische Selbstgenügsamkeit. Spätestens seit der Abkanzelung Selenskyis im Oval Office müsste das allen klar sein. Der Schwerpunkt liegt auf Geopolitik und globaler (ökonomischer) Dominanz der USA.



    Da steht es ja wieder, das alte anti-amerikanische Feindbild, juchhei! Aber nicht, weil einige wenige unbelehrbare linke Spinner sich das ausdenken, sondern weil der POTUS es so will.

    • @Abdurchdiemitte:

      Dass sich Trump mit Putin verbrüdert ist doch aber der diametrale Gegensatz zur antiamerikanischen Erwartung.

      Seit der Ankanzelung Selenskyjs kann man sich eher fragen, ob Trump für Putin arbeitet.

      Das macht doch hauptsächlich die Atlantiker nervös

      Mit den Taliban würde Trump sich bestimmt auch wieder vertragen, wenn die ihm Bagram geben.

      Das entspricht doch so gar nicht dem antiamerikanistischen Klischee.

      Da müsste Trump eigentlich Ihr Traumpräsident sein.

  • Das zeigt ein weiteres Mal, wes Geistes Kind Trump und seine Stiefellecker sind: für ein paar verbeulte Jeeps lässt dieses Syndikat 9 Millionen Menschen ohne Gesundheitsversorgung. Na prima. So sehen "westliche Werte" aus. Danke Donald!

    • @Perkele:

      "... 9 Millionen Menschen ohne Gesundheitsversorgung. ..."

      Dafür sind meiner Meinung nach nicht die USA oder andere Geldgeber verantwortlich, sondern die afghanische Regierung. Ich finde es falsch, wenn wir die afghanische Regierung einerseits nicht anerkennen, sie andererseits aber durch u.a. monetäre Zuwendungen (unter)stützen. Wenn wir die afghanische Regierung jeglicher Verantwortung für Gesundheits- und Daseinsversorge entheben, können sie nicht lernen, dass dies eben auch zum "Regierungsgeschäft" gehört.

      Oder Regierung und Bevölkerung sind der Ansicht, dass es nicht auf dieses Leben, sondern nur auf das Nachleben ankommt.

      • @*Sabine*:

        Tja - dass es auf das Nachleben ankommt.... Das hören wir von unserem Klerus genauso. Doch keine Regierung, die so boykottiert wird, kann eine auch nur halbwegs ausreichende Gesundheitsversorgung arrangieren. Wenn wir -der Westen- schon mit allen Mitteln gegen Afghanen vorgegangen sind und unendliches Elend mit verursacht haben, dann sollten wir uns wenigstens nicht aus der Verantwortung ziehen und schon gar nicht mit irgendwelchen vorgeschobenen Begründungen.

    • @Perkele:

      Naja, eigentlich geht auch dieser Trump-Move noch von dem Grundsatz aus, dass die Bevölkerung und ihr Wohlergehen der Regierung zumindest irgendetwas bedeuten. Ist also geradezu naiv und vertrauensselig. Wohlgemerkt, Trump ist nach "westlich"-demokratischen Maßstäben das Letzte, aber selbst er steht hilflos vor dem absoluten Inhumanismus der Taliban oder auch der Hamas, deren beider Motto ist: "Unsere Leute? Na und, lass sie doch krepieren! Wir rühren uns keinen Zentimeter." In der Tat macht diese Haltung viele auch humanitär Aktive hilflos. Diese Art Leute sind eigentlich nur noch in ihrer Eitelkeit zu treffen -- wenn sie dumm oder schwach oder wie Loser aussehen oder irgendjemand Grund zu der Annahme hätte, sie hätten einen kurzen Penis. Und auf diesem Terrain treffen sie sich wieder mal mit Trump :-)

      • @miri:

        "... aber selbst er steht hilflos vor dem absoluten Inhumanismus der Taliban oder auch der Hamas,.. lass sie doch krepieren! ..."



        Ich unterstelle weder der afghanischen noch gazanischen Regierung diese Sichtweise.Meiner Meinung nach gehen sie "einfach" davon aus,dass dieses Leben nicht oder nur wenig zählt,sondern das Nachleben von Bedeutung ist.Ob und inwiefern diese Weltanschauung von den jeweiligen Bevölkerungen mitgetragen wird,kann ich nicht einschätzen.

        "In der Tat macht diese Haltung viele auch humanitär Aktive hilflos..."



        So lange die humanitär Aktiven und NGOs tätig sind,sind sie meiner Meinung nach nicht hilflos.Mir stellt sich eher die Frage, inwiefern sie ihre eigene Weltanschauung implementieren.



        ------------------



        Als Beispiel auf eine alternative Weltanschauung,die aus "unserem Kulturkreis" stammt und an die mich die afghanische und gazanische Regierungen erinnern,möchte ich Mutter Teresa nennen:"Laut Mutter Teresa sei durch das Leid eine besondere Nähe zu Jesus Christus erfahrbar,Schmerzen und Leiden seien daher positiv zu bewerten."(Quelle Wikipedia [30])



        Ich wiederhole,dass ich nicht einschätzen kann,inwiefern die Bevölk. in Afghani./Gaza dies mittragen (wollen).

      • @miri:

        Ich kann nicht den geringsten Hauch von Interesse der Trump Clique an der Bevölkerung irgendeines Landes erkennen - auch nicht am eigenen....