Entwicklung des RAW-Geländes: Schwieriger Deal mit dem Investor
Das Berliner Kulturareal wird mit Büros bebaut; dafür darf ein Teil der Alternativszene bleiben. Aber vertragen sich beide? Ein Wochenkommentar.
W as genau auf dem RAW-Gelände in Berlin-Friedrichshain alles gebaut werden soll, wird man erst in den nächsten Monaten erfahren. Derzeit läuft das Verfahren unter Beteiligung einer Jury, welche die vier zur Auswahl stehenden Visionen konkurrierender Architekturbüros bewerten und in einen Bebauungsplan für einen Großteil des Areals einbringen soll. Inwieweit dessen aktueller Charakter als vielfältige Spielwiese für Kunst und Kultur plus Ausgehspaß erhalten bleiben wird, ist damit jedoch längst nicht klar.
Dass sich etwas ändern musste auf dem Gelände, darüber gibt es kaum Zweifel. In den letzten Vor-Corona-Jahren genoss die Flaniermeile einen zweifelhaften Ruf. Anwohner beschwerten sich über den Partytourismus, Dealer standen an jeder Ecke, die Kriminalitätsrate war vergleichweise hoch. Und doch gehörte der kaputte Charme des ehemaligen Industriegeländes mit zu einem Friedrichshain, das noch nicht so auf Hochglanz gebürstet ist wie etwa Prenzlauer Berg.
Doch das Rohe, das hier zu finden ist, wird nun gehörig glattgebügelt, da kann man sich sicher sein. Dort, wo gerade noch die Eventlocation Haubentaucher steht, wird es eine schicke Markthalle geben; Clubs wie das Urban Spree werden Bürokomplexen weichen müssen.
Dass hier überhaupt noch weitere Büros entstehen müssen, wo doch bereits rund um den nahe gelegenen Mercedes Benz Platz alles mit solchen zugepflastert wurde, liegt an einem ganz besonderen Deal, den der Investor, dem der größte Teil des RAW-Geländes gehört, “europaweit, wenn nicht weltweit einmalig“ nennt. Er will Kompensationen dafür, dass er Alteingesessene, die dort Kneipen betreiben, Ateliers haben oder gar einen Kinderzirkus, nicht aus ihren Häusern wirft und an jemanden vermietet, der mehr Geld in der Tasche hat.
Der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg hat sich auf diese Forderung eingelassen. Die soziokulturellen Einrichtungen werden zu wirklich besten Bedingungen, ausgestattet mit 30-jährigen Mietverträgen, weiterhin auf dem Gelände bleiben dürfen. Dafür wird um sie herum alles zugepflastert mit mehrstöckigen Gebäuden und mindestens einem Hochhaus.
Der Bezirk ist fein raus
Der Bezirk ist damit vermeintlich fein raus: Er rettet die sozialen Vereine, die sich hier angesiedelt haben, und das Kunsthandwerk. Er hält sich auf diese Weise Proteste, die es bei drohender Verdrängungen unweigerlich geben würde, vom Leib und kann gleichzeitig verkünden: Schaut alle her, wir tun was für Kunst, Kultur und Soziales!
Doch auch die durch diesen Interessensausgleich Geretteten wissen: Ob alles so gut für sie laufen wird wie versprochen, ist längst nicht ausgemacht. Die Veränderungen um sie herum werden gewaltig sein. Sie könnten Teil eines Alternativkultur-Zoos werden, verschluckt von der Kommerzialisierung um sie herum. Selbst in den Animationen der Architekturbüros, die sich für die Bebauung des Geländes bewerben, krachen die geplanten Hochglanzbauten eher unvereinbar mit dem Bestand aufeinander.
Der Investor redet viel davon, den Charakter, die “DNA“ des Areals erhalten zu wollen. Eine lebendige Flanier- und Konsummeile für die ganze Stadtbevölkerung solle entstehen. Doch am Ende wird ihm niemand vorschreiben können, nicht doch vor allem an Start-Ups zu vermieten, die es bekanntlich mögen, wenn es um sie herum etwas lebendig zugeht, womit der der Investor sogar gezielt werben kann.
Und eine weitere Frage stellt sich: Was passiert eigentlich, wenn in 30 Jahren die Mietverträge und damit auch die Vereinbarungen zwischen Investor und Bezirk auslaufen? Dann könnte die Soziokultur auf dem RAW-Gelände vollständig verschwinden.
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