Entschuldigung für Virologen-Schmählied: Arzt bereut Wortwahl
„Virologen in die Flammen“ will ein Bremer Mediziner nicht mehr singen. Nach einem taz-Bericht drohen ihm straf- und berufsrechtliche Verfahren.
BREMEN taz | Der Bremer Arzt, der vor einer Woche auf einer „Querdenken“-Demonstration gegen die Coronamaßnahmen „Virologen in die Flammen“ gesungen hatte (taz berichtete), entschuldigte sich in einer am Freitag veröffentlichten Stellungnahme für seine Wortwahl.
„Ich bin erschrocken über die öffentliche Wirkung, die mein Lied ‚Covid verbrannt‘ ausgelöst hat“, heißt es im ersten Satz. Und weiter: „Das bedauere ich zutiefst, habe das so nicht gewollt und nicht vorhergesehen und ich möchte mich dafür öffentlich entschuldigen.“ Es gibt keinen Adressaten für die Entschuldigung.
Jürgen Fuchs, der in Bremen eine allgemeinmedizinische Praxis mit naturheilkundlichem Schwerpunkt betreibt, schreibt, er habe „als Liedermacher mit künstlerischer Freiheit überspitzt und provokativ formuliert“. Er habe damit einen „Beitrag zur Bewältigung der derzeitigen gesundheitlichen und gesellschaftlichen Krise“ leisten wollen.
„Um Aufmerksamkeit zu erreichen für die Vielschichtigkeit des Themas und für eine Erweiterung des Blickwinkels habe ich die Gelegenheit zum Auftritt ergriffen.“ Es war nicht sein erster Auftritt auf einer Querdenken-Demonstration. Sein Anliegen als „humanistischer, demokratischer und in der Klimakrise engagierter Bürger“ sei es, „einen Dialog zu fördern zwischen den oft verhärteten Positionen“.
Distanz zu „Querdenken“
Fuchs sagt außerdem, er identifiziere sich nicht mit „Querdenken“ und „rechten Tendenzen“, die es in der Bewegung gebe. Unter dem Namen „Querdenken“ organisieren sich in mehreren deutschen Städten Menschen, die das Coronavirus für harmlos halten und die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie für falsch.
Auf deren regelmäßigen Demonstrationen laufen Rechtsextremist*innen teils offen mit. „Den ganzen Protest durchziehen antisemitische Verschwörungstheorien, eine staatsfeindliche Rhetorik und Widerstandsaufrufe“, hatte Thüringens Verfassungsschutzpräsident Stephan Kramer der taz gesagt.
Dies geschah nach der „Querdenken“-Demonstration am 7. November in Leipzig, wo bis zu 45.000 Menschen gegen die Coronamaßnahmen demonstriert hatten, größtenteils ohne Masken und Abstand. Zudem hatten Neonazis gezielt Journalist*innen angegriffen. Fuchs hatte auf der Bremer Demonstration eine Woche später gesagt, er sei dort gewesen.
In dem Videomitschnitt, der am Freitag vermutlich aus juristischen Gründen nicht mehr auf der Querdenken-Homepage verfügbar war, spricht er darüber, dass es aus taktischen Gründen klüger sei, auf Demonstrationen Masken zu tragen – damit diese nicht aufgelöst werden können.
„Nur ein Grippevirus“
In seiner Entschuldigung schreibt er jetzt, er habe während seines Auftritts „dazu aufgerufen, dass bei Kundgebungen das Tragen des Mund- Nasenschutzes und die Abstandsregeln eingehalten werden sollten“. Und: Er wolle „die gesundheitlichen Gefahren von Covid 19 nicht verharmlosen“. Im Lied, das er nicht mehr spielen will, heißt es, das Coronavirus sei „nur ein Grippevirus“.
Im letzten Abschnitt seiner Erklärung geht er darauf ein, welche Konsequenzen die Veröffentlichung für ihn habe. „Der ganze Vorgang bedeutet eine Rufschädigung für meine Person und, auch wenn mein Auftritt als Privatperson und Liedermacher erfolgte, leider auch für meine berufliche Tätigkeit als Allgemeinarzt, wo mir nun berufsrechtliche Konsequenzen seitens der Ärztekammer Bremen drohen.“
Die kassenärztliche Vereinigung hatte dem Weser Kurier angekündigt, sie wollen Fuchs Zulassung prüfen. Sie fragt sich, „ob die zur Schau gestellte Einstellung von Dr. Fuchs noch mit vertragsärztlichen Grundsätzen übereinstimmt“.
Die Bremer Polizei ermittelt wegen des Verdachts auf Volksverhetzung und Aufruf zu einer Straftat.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Waffen für die Ukraine
Bidens Taktik, Scholz’ Chance
Aktienpaket-Vorschlag
Die CDU möchte allen Kindern ETFs zum Geburtstag schenken
Israel demoliert beduinisches Dorf
Das Ende von Umm al-Hiran
Unterwanderung der Bauernproteste
Alles, was rechts ist