Wegen hetzerischen Coronalieds angezeigt: Mediziner zündelt

Auf einer Bremer „Querdenken“-Demonstration gegen die Coronamaßnahmen singt ein Arzt von „Virologen in die Flammen“. Der Staatsschutz ermittelt.

Plakat zeigt den Virologen Dr. Christian Drosten in Straeflingskleidung auf einer Demonstration.

Plakate während einer Demonstration gegen Coronamaßnahmen in Berlin Foto: Jochen Eckel/imago

Der Staatsschutz der Bremer Polizei ermittelt wegen Volksverhetzung gegen einen Bremer Arzt. Dieser hatte auf einer „Querdenker“-Demonstration gegen die Coronamaßnahmen am 14. November am Hauptbahnhof in einem selbst geschriebenen Lied gesungen: „Wir werfen den Covid in die Flammen, mit Virologen zusammen.“ Auch „Krisengewinnler“ sollten noch mit ins Feuer, das werde „ein Zaubertrank“, „für uns wird das ein neues Land sein, mit Herzblut und Verstand“. Ein Videomitschnitt seines Auftritts, der inzwischen gelöscht wurde, war auf der Homepage der Bremer Gruppe „Querdenken“ zu sehen.

Eine Bremerin, die mit Mann und Tochter gegen die „Querdenker“ protestiert hatte – „damit es nicht immer nur die Antifa und die Omas gegen rechts sind“ –, erstattete am Tag darauf Anzeige und informierte unter anderem die taz. Sie stieß sich vor allem an der möglichen Analogie zur Ermorderung jüdischer Bürger*innen unter dem NS-Regime.

Möglich wäre auch, wegen des Aufrufs zu einer Straftat zu ermitteln, weil der Arzt davon singt, dass Virologen verbrannt werden sollen. Die beiden bekanntesten deutschen Virologen Christian Drosten und Hendrik Streeck haben nach eigenen Angaben bereits mehrfach Morddrohungen bekommen. Die Bremer Polizei hielt den Anfangsverdacht von Volksverhetzung für gegeben, wie ein Sprecher der Polizei der taz bestätigte, und übergab die Ermittlungen der Staatsschutz-Abteilung. Ergebnisse seien frühestens nächste Woche zu erwarten, so der Sprecher.

Als „Jürgen, Gitarrist und Arzt“ hatte eine der Demo-Organisator*innen auf der Bühne den Sänger vorgestellt. Er selbst sagte zu Beginn seines Liedvortrags, er komme „von der Gruppe Lied-Attacke“ und solle „ein bisschen Stimmung machen“, weil man sich „in dieser Zeit nicht die Lebensfreude verderben lassen“ dürfe. Das Lied mit der wiederkehrenden Zeile „Wir haben den Covid verbrannt“, bezeichnete er als „Vision“, die „im übertragenen Sinne zu sehen“ sei.

Dabei ist der Arzt in Bremen kein Unbekannter, sondern prominenter Vertreter einer Gruppe von naturheilkundlich orientierten Ärzt*innen, die sich mit der Bremer Ärztekammer streiten, weil diese seit diesem Jahr Homöopathie nicht mehr in ihrem Weiterbildungskatalog führt. Die Begründung: Für die zu definierenden Lernziele fehle eine wissenschaftliche Basis, dies sei aber Voraussetzung für die Zertifizierung durch eine Ärztekammer. Die Bremer waren diesen Schritt als Erste gegangen, mehrere Kammern sind gefolgt. In Bremen haben die homöopathischen Ärzt*innen Klage eingereicht.

Komponist versteht sein Lied als Parabel

Jürgen Fuchs – so heißt der Gitarrist und Arzt mit vollem Namen – war nach diesem Beschluss im September 2019 zur darauffolgenden Wahl zur Delegiertenversammlung zur Ärztekammer mit neun Kolleg*innen als Liste „Integrative Medizin Bremen“ angetreten. Er konnte als Einziger einen Sitz in dem 30-köpfigen Gremium erringen und verlor dann die Wahl zum Kammerpräsidenten gegen die amtierende Präsidentin Heidrun Gitter.

Gitter sagte am Mittwoch der taz, seine Aussage über die brennenden Virologen sei inakzeptabel. Die Kammer werde den Vorgang auch berufsrechtlich prüfen. Sie kündigte zudem eine persönliche Erklärung mit entsprechender Missbilligung auf der nächsten Delegiertenversammlung am Montag an.

Fuchs sagte auf Nachfrage, er distanziere sich von einem Verstehen seines Liedes, dass Menschen verbrannt werden sollen. „Ich bin Arzt, nichts liegt mir ferner, als dass jemand wegen seiner Meinung getötet werden soll.“ Das Lied sei als Metapher gemeint und habe einen schamanistischen Hintergrund. Danach werde etwas „in die Flammen gegeben“, um Neues entstehen zu lassen. Es gehe ihm um die Angst vor dem Coronavirus – die werde verbrannt.

Auf der Bremer Demonstration sprach Fuchs auch über die Leipziger „Querdenken“-Demonstration eine Woche zuvor. Er sei dort gewesen, „es war friedlich, es wurde gesungen und getanzt“. Journalist*innen berichteten hingegen über gezielte Angriffe auf Medienvertreter*innen von Neonazis. Geschätzte 45.000 Menschen hatten in der Innenstadt demonstriert, größtenteils unter Missachtung von Maskenpflicht und Abstandsgeboten, die Polizei hatte mehrfach die Kontrolle verloren.

Er gehe auf diese Demonstrationen, weil ihm der Umgang mit und die Sichtweise auf die Coronakrise zu einseitig seien, sagte Fuchs. Für ihn sei noch nicht erwiesen, dass das Virus die derzeitigen Maßnahmen rechtfertige. Im Lied singt er, die Gefährlichkeit „flüstert uns ein Virologe tief ins Ohr“, „wir haben die Freiheit verbannt, Gleichschaltung im ganzen Land“.

Zudem teile er die Sorge vieler Menschen, darunter auch Ärzt*innen und Staatsrechtler*innen, um die Einschränkung von Grundrechten. „Es fehlen regelmäßige Diskussionen darüber und über die Maßnahmen im Bundestag.“ Und: „Es stimmt einfach nicht, dass das alles Nazis sind oder diese Demos von Nazis dominiert sind.“

Leute, die den Arzt lange kennen, sagen, sie hielten ihn nicht für einen Nazi. Es sei aber schwer, mit ihm über unterschiedliche Ansichten zum Beispiel über Naturheilkunde zu diskutieren. Fuchs engagiert sich in Bremen bei Attac und ist Mitglied der Gemeinwohlinitiative, die ein alternatives Wirtschaftsmodell fördern will.

Er weist darauf hin, dass er in seiner Hausarztpraxis alle Hygieneauflagen einhalte.

Nachtrag: Jürgen Fuchs hat sich am 20. November in einem Schreiben an die Medien für seine Wortwahl entschuldigt.

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