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Entscheidung bei PestizidzulassungAngriff aufs Umweltbundesamt abgewehrt

Die Agrarminister der Bundesländer lehnen einen Antrag gegen das Vetorecht der Umweltbehörde ab. Grund ist Widerstand der Grünen.

2024 waren in Deutschland Pflanzenschutz-mittel mit 281 Wirkstoffen regulär zugelassen Foto: Peter Förster/dpa

Berlin taz | Auf der Agrarministerkonferenz der Bundesländer haben die Grünen einen Angriff auf das Vetorecht des Umweltbundesamts (UBA) bei der Pestizidzulassung abgewehrt. Die Anträge von Sachsen und sechs weiteren Bundesländern mit Ressortchefs der Union sowie von der FDP-Ministerin aus Rheinland-Pfalz wurden bei der am Freitag zu Ende gegangenen Konferenz in Heidelberg nicht angenommen. Das geht aus dem Ergebnisprotokoll des Treffens hervor. Demnach konnte sich die Versammlung bei dem Thema nur auf eine „Verschlankung der Behördenzuständigkeit“ einigen.

Lediglich in einer Protokollerklärung konnten die Ressortchefs von CDU, CSU, FDP und SPD ihre Forderung formulieren, das UBA künftig nur noch als „Benehmensbehörde“ bei der Entscheidung über die Zulassung von Pestiziden einzustufen. So wollen sie erreichen, dass mehr Pestizide erlaubt werden. Dass der Antrag nicht beschlossen wurde, lag am Einstimmigkeitsprinzip der Agrarministerkonferenz und dem Widerstand der zuständigen Senatorinnen aus Bremen und Hamburg sowie der Agrarministerin von Niedersachsen (alle Bündnis 90/Die Grünen).

Bisher sieht das Pflanzenschutzgesetz vor, dass Pestizidprodukte nur „im Einvernehmen mit dem Umweltbundesamt“ hinsichtlich Schäden an der Natur zugelassen werden dürfen. Denn Pestizide bekämpfen Schädlinge, tragen aber auch dazu bei, dass immer mehr Pflanzen- und Tierarten aussterben.

Mehr Wirkstoffe als anderswo

Bei Bundesagrarminister Alois Rainer (CSU) scheinen seine Länderkollegen von der Union aber auf offene Ohren zu stoßen. Er arbeitet gerade nach eigenen Angaben daran, dass „die Zulassungssituation von Pflanzenschutzmitteln verbessert“ und für „schnelle“ Verfahren durch „Verschlankung der behördlichen Zusammenarbeit“ gesorgt wird.

Anders als Agrar- und Chemie­lobby suggerieren, sind hierzulande nicht weniger, sondern sogar mehr Pestizidwirkstoffe erlaubt als in mehreren Nachbarländern. „Nach Angaben der EU-Kommission waren 2024 in Deutschland Pflanzenschutzmittel mit 281 Wirkstoffen regulär zugelassen, in den Niederlanden 266, in Österreich 248 und in Polen 277“, teilte ein UBA-Sprecher Ende Juli der taz mit.

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10 Kommentare

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  • Pestizide schaden der Artenvielfalt und dem Grundwasser. Scheint aber egal zu sein, wenn die industrialisierte Landwirtschaft zusammen mit der Chemieindustrie deren Einsatz fordern. Am Ende haben wir kaputt gespritzte und damit degradierte Böden, vergiftetes Grundwasser und die bestäubenden Insekten haben wir vermutlich auch erfolgreich vernichtet. Solange das kurzfristige Gewinnstreben den langfristigen ökologischen Notwendigkeiten übergeordnet ist, und dies ist es zwangsläufig im Kapitalismus, werden uns die Pestizide begleiten und die Lobby aus Chemieindustrie und industrieller Landwirtschaft, verkörpert in den jeweiligen Landwirtschaftsministern von CDU und CSU, werden für eine Ausweitung der Nutzung dieser toxischen Stoffe kämpfen.

  • Wiederholt suggerieren sie, dass die gesamte Anzahl an zugelassenen Wirkstoffen eine Aussage darüber zulässt, ob die Abdeckung mit Pflanzenschutzmitteln ausreichend ist. Es muss schließlich unterschieden werden, zwischen Fungiziden, Herbiziden und Insektiziden.



    Wenn als beispiel bei uns mehr Wirkstoffe für Fungizide als in den Nachbarländern zugelassen sind kann es trotzdem zu erheblichen Problemen durch fehlende Zulassungen für Insektizide kommen.

  • Durch mehr zugelassene Pestizide am Markt wird nicht per se mehr verspritzt, sondern es kann häufiger zwischen verschiedenen Mitteln gewechselt werden. Dadurch beugt man der Resistenzentwicklung von Unkräutern, Krankheiten und Schädlingen vor, ähnlich wie bei Antibiotika in der Humanmedizin. Im Ergebnis sinkt dann sogar der Einsatz der Ackergifte.

    • @K2BBQ:

      Dafür sind so aber mehr für die Artenvielfalt absolut schädliche Pestizide auf dem Markt. Das Umweltbundesamt verbietet die Wirkstoffe nicht ohne Grund. Man beugt der Resistenzentwicklung übrigens auch vor, wenn man kleinere Ackerschläge hat und weniger riesige Monokulturen anbaut.

  • Mal schaun wie schnell das Einstimmigkeitsprinzip weg ist, wenn statt der Gruenen die AFD blockiert.

  • Ich denke es ist unstrittig, dass diese Regierung dem Planeten und dem sozialen Ökosystem erheblichen Schaden zufügen wird, den dann kommende Regierungen in der zwei- bis dreifachen Zeit wieder ausbügeln müssen.

    • @Bernhard Dresbach:

      Wenn denn wenigstens mal eine in Sicht wäre, die das mit vollem Ernst vorhat.

    • @Bernhard Dresbach:

      Sofern sich das noch ausbügeln lässt. Wenn Ökosysteme einmal gekippt sind, ist der Prozess häufig irreversibel.

  • "Anders als Agrar- und Chemie­lobby suggerieren, sind hierzulande nicht weniger, sondern sogar mehr Pestizidwirkstoffe erlaubt als in mehreren Nachbarländern."

    Warum kann überall straflos so schamlos gelogen und verdreht (suggeriert) werden? Worauf man sich von manchem Mitbürger anhören darf, "nur bei uns (in Deutschland) sei so viel verboten, andere Länder seien nicht so verrückt. "



    Ach, es ist zum ...

  • Grün sei Dank..!!!