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Entlastungen für BürgerLindner bremst

Die Ampel-Koalition verspricht aufgrund der steigenden Preise Entlastung für Bürger. Aber was ist überhaupt konkret geplant?

Alle so: „Entlastung!“. Er so: „Schuldenbremse“: Finanzminister Christian Lindner Foto: Annegret Hilse/reuters

Angesichts der rasant steigenden Lebenshaltungskosten wächst der Druck auf die Ampelkoalition. „Wir steuern auf eine soziale Katastrophe zu und alles, was der Ampel dazu einfällt, ist die Schuldenbremse“, kritisiert Jan Korte, der Parlamentarische Geschäftsführer der Linksfraktion. Schon vor Wochen habe er die Regierung aufgefordert, „ein drittes, effektives Entlastungspaket gegen Armut einzubringen, mit dem unter anderem alle Sozialleistungen sofort und langfristig spürbar erhöht werden“, sagte Korte der taz. Doch geschehen sei leider nichts. Dabei müsse ein solches Paket noch vor dem Herbst in Kraft treten, forderte er.

Doch das ist nicht in Sicht. Am Montag bekräftigte Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) seine Pläne für eine Rückkehr zur Schuldenbremse im kommenden Jahr. „In Zeiten der Inflation darf der Staat mit seiner Feuerkraft die Inflation nicht noch weiter antreiben“, sagte Lindner bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem französischen Finanzminister Bruno Le Maire in Berlin. „Deshalb müssen wir zu soliden Finanzen zurückkehren.“ In Deutschland heiße das, „die Schuldenbremse des Grundgesetzes im nächsten Jahr wieder einzuhalten“. Vereinbar damit sei allerdings, 2023 „einen höheren Grundfreibetrag und einen fairen Tarif der Lohn- und Einkommensteuer“ einzuführen. Das dürfte jedoch kaum reichen.

Bisher hat die Ampelkoalition zwei Entlastungspakete mit einem Gesamtvolumen von etwa 30 Milliarden Euro vorgelegt. Das erste, Mitte Februar vereinbarte Paket enthielt unter anderem die Abschaffung der EEG-Umlage auf den Strompreis zum 1. Juni, die Erhöhung des Arbeitnehmer:innen-Pauschbetrags von 1.000 auf 1.200 Euro, die Erhöhung des Grundfreibetrags von 9.984 auf 10.347 Euro sowie eine gestiegene Pendlerpauschale ab dem 21. Kilometer, zeitlich befristet bis 2026 erhöht sich die Pauschale von 35 auf 38 Cent. Diese steuerlichen Maßnahmen werden sich aber erst mit der Steuererklärung im kommenden Jahr bemerkbar machen.

Anders verhält es sich mit dem Sofortzuschlag für Kinder in Höhe von 20 Euro pro Monat bis zur Einführung der Kindergrundsicherung oder auch dem Heizkostenzuschuss für Wohngeldbezieher:innen, Studierende, Schü­le­r:in­nen und Auszubildende. Auch die schon im Koalitionsvertrag vereinbarte Erhöhung des Mindestlohns auf 12 Euro zählt die Ampel kurioserweise als Bestandteil ihres Entlastungspakets I auf.

Schroffe Absage

Im zweiten Entlastungspaket, das im Mai den Bundestag und den Bundesrat passierte, befindet sich die einmalige Energiepreispauschale für Erwerbstätige, Selbstständige und Gewerbetreibende in Höhe von 300 Euro brutto. Die Auszahlung der Pauschale erfolgt im September über die Lohnabrechnung des Arbeitgebers. Selbstständige erhalten einen Vorschuss über eine einmalige Senkung ihrer Einkommensteuervorauszahlung. Mit im Paket ist auch ein einmaliger Kinderbonus von 100 Euro sowie eine Einmalzahlung in Höhe von 200 Euro für Empfänger von Sozialleistungen. Darüber hinaus erhalten alle Be­zie­he­r:in­nen von Arbeitslosengeld eine Einmalzahlung von 100 Euro.

Für die größten Diskussionen sorgten und sorgen zwei zeitlich befristete Maßnahmen: Das ist zum einen der von der FDP durchgesetzte „Tankrabatt“, also die Absenkung der Energiesteuer auf Kraftstoffe auf das europäische Mindestmaß. Die Steuerentlastung für Benzin beträgt damit 30 Cent je Liter, für Diesel 14 Cent je Liter. Zum anderen ist da das von den Grünen in das Paket bugsierte 9-Euro-Ticket für die Busse und Bahnen des Nah- und Regionalverkehrs. Beides startete Anfang Juni und soll Ende August wieder beendet werden. Sowohl Kanzler Scholz als auch Finanzminister Lindner erteilten in den vergangenen Tagen Forderungen nach einer Verlängerung insbesondere des beliebten 9-Euro-Tickets eine schroffe Absage.

Wie Lindner hat auch Scholz tunlichst Aussagen über ein mögliches drittes Entlastungspaket noch in diesem Jahr vermieden. Nur eine „große Wohngeldreform“ soll es im kommenden Jahr geben. Wohngeld erhalten Haushalte, die oberhalb von Grundsicherung und Sozialhilfe liegen, aber dennoch ihre Unterkunftskosten nicht voll bezahlen können. Im Jahr 2020 waren das knapp 620.000 Haushalte. Nun soll der Kreis der Berechtigten ausgeweitet werden, sagte Scholz am vergangenen Freitag. Außerdem solle eine Heizkostenpauschale dauerhaft im Wohngeld enthalten sein. „Ganz besonders“ sollten davon Rentnerinnen und Rentner profitieren.

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13 Kommentare

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  • Hier scheint es nicht an Geld zu fehlen:

    "DIE LINKE



    Während Rentner*innen hierzulande sehen müssen, wie sie angesichts der #Inflation über die Runden kommen, zahlt #VW seinem skandalumwitterten Ex-Konzernchef Martin #Winterkorn über 3.000 € Rente - pro Tag! Und die darf VW auch noch von der Steuer absetzen. Schluss damit. #Rente"



    twitter.com/dieLin...wWgICx0e-jzIkrAAAA

  • Was passiert, wenn die Unternehmen sehr hohe Gewinnsteuern zahlen müssen? Die Gewinne werden reinvestiert: in die Steigerung der Produktivität, in Forschung und Entwicklung und, wenn den Unternehmen nix besseres einfällt, in höhere Löhne.

    Was passiert, bei niedrigen Gewinnsteuern? Die Gewinne fließen in die Taschen weniger Shareholder.

    Was ist für die Mehrheit der Gesellschaft besser? Natürlich hohe Steuern.

    Für wen werden die Gesetze (zur Gewinnsteuer) gemacht? Offensichtlich für die Shareholder.

    Warum wird der Gesetzgeber auch Volksvertreter genannt? Ich weiß es nicht; hat es mit "treten" zu tun oder wird nur ein sehr kleiner Teil des Volkes vertreten?

    Warum werden diese Voks(ver)treter immer wieder gewählt? Ich weiß es nicht und bin ratlos.

  • @NANSEN

    Ich glaube, der hat nicht mal für ein BWLer das Zeug:

    "Von 1999 bis 2006 studierte er Politikwissenschaft als Hauptfach sowie Staatsrecht und Philosophie als Nebenfächer an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn.[8] Nach elf Semestern erwarb er den akademischen Grad Magister Artium (M. A.) ..." [1]. Elf Semester. Sieht ganz nach Leistungsträger aus.

    [1] de.wikipedia.org/wiki/Christian_Lindner

    • @tomás zerolo:

      Oh. Danke. Er hat also was vernünftiges studiert. Hätte ich ihm nicht zugetraut.

      • @Nansen:

        Schonn. Doch womer grad 🥬 Kappes auffe Wahrheit hatten:



        Unser Gröfimaz unterschreitet alle Latten!



        Denn schon Dr Bimbes eiderdaus -



        Befand: “Entscheidend is - Was kommt denn hintern raus!“ -



        Oder - “der alte Blödmann 🤬 “



        Wie so treffend Peter Unfrieds Perle einst befand! Na dann! - 🙀🥳 -

        kurz - Superhyperpiper P. pushing Superhyper C. & niemand!



        Wenn ich’s richtig seh -



        Niemand. Fand dess schee! - 👹 -



        Woll. Luftblasenabdrücker & 🌑fahrer:



        Den Schaden hat der kleine Sparer •

  • "Entlastungen für Bürger"

    Werden die Bürger "entlastet", fehlt dem Staat Geld.



    Fehlt dem Staat Geld erhöht er die Steuern und/oder streicht Förderungen.



    In jedem Falle bezahlen WIR selbst diese "Entlastungen".



    Linke Tasche - rechte Tasche

    • @Rudi Hamm:

      Naja kommt drauf an, von welchen Bürgern man die Steuern einnimmt und am welche man die Entlastungen auszahlt. Da wäre potenziell nicht nur linke Tasche rechte Tasche eine Option sondern auch eine Umverteilung. Ich bezweifle allerdings, dass das mit der FDP in der Regierung machbar ist

    • @Rudi Hamm:

      "Fehlt dem Staat Geld erhöht er die Steuern und/oder streicht Förderungen."



      Oder er nimmt Schulden auf, und die EZB druckt das Geld dafür. Dann werden die Schulden durch Inflation "unwichtig".



      Arme Tasche -> reiche Tasche.

      • @sollndas:

        Schulden rächen sich immer, immer!



        Die Vergangenheit hat klar gezeigt, dass Länder mit hohen Schulden mehr Armut haben als Länder mit wenig Schulden.



        Da braucht man nicht Weltweit blicken, ein Blick in den Süden Europas zeigt die Problematik.

        Und Schulden auf Kosten unserer Kinder zu machen ist schlichtweg unfair. Oder glaubt jemand ernsthaft, dass wir die bestehenden Schulden in den nächsten 30 Jahren abbauen werden?

        Das mit den "Reichen höher belasten" höre ich nun schon viele Jahrzehnte.



        Einzig fehlt mir der Glaube dass es jemals so weit kommen wird.



        Konzepte die nicht realisiert wurden und werden bleiben Konzepte und nutzen niemandem.

  • Was Senator Joe Manchin für Biden ist Lindner für Scholz!

    Beide haben was gemeinsam: sie sind aus der Zeit gefallen und machen ihren jeweiligen Chefs das Regieren schwer.



    Allerdings riskiert Biden sehr viel mehr und ist unter permanenten Stress, den im Senat hat er nur eine hauchdünne Mehrheit. Scholz hingegen könnte Lindner durchaus mit dem Ende drohen. Es ist keineswegs ausgemacht das die FDP im Falle von Neuwahlen wieder ins Parlament gewählt werden würde. Ob das die FDP riskiert? Ich denke nicht.



    So häufig wie der Finanzminister mit viel Luft wedelt, permanent die Schwarze Null als Ikone vor sich her tragend, um so freigiebiger schmeißt er mit dem Geld um sich, nur halt in die falsche Richtung.







    Das Gedöns mag an der falschen Klientel liegen die bedient werden soll. Der CEO und Multimilliardär mit Fahrer wird sicherlich nicht an einem neun Euro Ticket kleben.



    Allerdings sinkt die Einkommenskurve vieler FDP Klienten, die sich vormals als Staats unabhängige "Leistungsträger" profilierten, permanent. Sei es der steigenden Gasknappheit, sei es der hohen Inflation wegen. So wird auch aus dieser Ecke das verzweifelte Ersuchen um Staatshilfen drängender.

    So ganz auf knallharten Monetaristen zu machen wird sich für den Finanzminister und seine Partei in dieser Krisenzeit nicht auszahlen. Und ob der kriselnde Oppositionsführer im Blackrock background da ein Strohhalm sein kann, gewissermaßen zum erfolgreichen Machtwechsel? Soviel Neoliberale gibt es innerhalb der Grünen Partei nicht um das erfolgreich durchwinken zu können, denn an den Grünen hängen immer mehr Bürger, infolge Temperaturen von vierzig Grad.

    Würde vorschlagen: Mut zur Lücke und pfeif auf die Schwarze Null. Keynesianismus ist angesagt, damit der Putin keinen Erflog haben darf. Alles andere spaltet und das ist genau das was der Autokrat will.

  • Ich kann "Schuldenbremse" nicht mehr hören. Werft doch endlich diesen BWLer aus dem Finanzamt.



    Sprechblasen kann er. Soll er sich als Redner verdingen.



    Isser überhaupt BWLer?

  • Ja wat issen nu wieder ditte - wa!

    “Lindner bremst“ & “Hund beißt Mann“



    Is’nt a news •