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Energiekrise und InflationGrüne und SPD wollen Entlastungen

Grüne und SPD wollen zielgerichtete Entlastungen für Einkommensschwache. Die FDP um Finanzminister Lindner drängt auf Steuersenkungen.

Im Zuge der Energiekrise ist der Geldbeutel bei vielen Haushalten leer Foto: Peter Steffen/dpa

Berlin afp | Im koalitionsinternen Ringen um ein neues Entlastungspaket dringen Politikerinnen und Politiker von Grünen und SPD auf gezielte Maßnahmen zugunsten von einkommensschwachen Haushalten. „Da sag ich mal: Die sind zuerst dran“, sagte Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) dem Deutschlandfunk. Auf „gezielte Unterstützungsmaßnahmen“ drängte auch Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD).

Der Blick müsse auf diejenigen gerichtet werden, die es besonders brauchten, „natürlich die Transferempfänger, aber das geht ja auch weit in die untere Mittelschicht hinein“, sagte Paus weiter im „Interview der Woche“ des DLF. Skeptisch äußerte sie sich zu den Steuersenkungs-Plänen von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP).

Notwendig seien jetzt „gezielte, direkte Entlastungen für Menschen mit wenig Geld, zum Beispiel über eine deutliche Erhöhung der ALG2-Regelsätze, des Wohngelds und des Kindergelds“, verlangte im Spiegel auch der Grünen-Haushälter Sven-Christian Kindler. Die Grünen-Energieexpertin Lisa Badum nannte im Deutschlandfunk als mögliche Maßnahmen die Verlängerung der Energiepreispauschale, aber auch erneut eine Nachfolgeregelung für das Neun-Euro-Ticket.

Die von der Bundesregierung geplanten weiteren Entlastungen müssten denjenigen zugutekommen, „die keinen eigenen finanziellen Puffer haben“, sagte auch Weil den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Die bereits angekündigte Ausweitung des Wohngelds sei hier zwar richtig, dauere aber zu lange. Für die Übergangszeit schlug der SPD-Politiker Einmalzahlungen für Geringverdienende vor, insbesondere auch für Rentnerinnen und Rentner.

„Das künftige Entlastungspaket muss sich natürlich auch an Rentnerinnen und Rentner richten“, verlangte ebenfalls SPD-Parlamentsgeschäftsführerin Katja Mast in der Bild-Zeitung. Sie reagierte damit auf Äußerungen Lindners, der gezielte Entlastungen für diese Gruppe abgelehnt hat. „Gerade Menschen mit kleineren und mittleren Einkommen brauchen weitere zielgerichtete Unterstützung“, forderte auch Mast weiter.

FDP um Lindner will Steuersenkungen

Generell gegen zusätzliche Entlastungen im laufenden Jahr wandte sich FDP-Fraktionschef Christian Dürr. „Die Entlastungen für dieses Jahr haben wir bereits alle auf den Weg gebracht“, sagte er der Neuen Osnabrücker Zeitung. Für das kommende Jahr plädierte er ebenso wie Lindner vor allem für Steuersenkungen. Möglich sei dafür eine automatische Anpassung des Steuertarifs an die Inflation, sagte Dürr.

Unterstützung für die FDP-Forderungen nach Steuersenkungen äußerte in der Passauer Neuen Presse die CDU-Wirtschaftspolitikerin Julia Klöckner. Zudem müsse es weitere Entlastungen für Unternehmen geben, etwa eine Absenkung der Stromsteuer. Konkrete Entlastungen für Rentnerinnen und Rentner forderte in Bild allerdings auch CSU-Generalsekretär Martin Huber.

Linken-Chefin Janine Wissler forderte im Redaktionsnetzwerk Deutschland einen Strom- und Gaspreisdeckel und eine Übergewinnsteuer. Außerdem verlangte sie ein Moratorium für Strom- und Gasabschaltungen sowie eine dauerhafte direkte Entlastung für Hartz-IV-Empfänger, für Rentnerinnen und Rentner sowie alle Menschen mit niedrigen Einkommen.

Kritik aus den Reihen der Grünen kam an der bereits von der Regierung beschlossenen Senkung der Mehrwertsteuer auf Gas. „Ein Gaspreisdeckel für den Grundbedarf, eine Fortsetzung des Neun-Euro-Tickets und ein Energiegeld für alle wären eine bessere Option gewesen“, sagte der Grünen-Europapolitiker Rasmus Andresen dem Spiegel. Auch Wissler nannte die Senkung der Mehrwertsteuer „nutzlos“.

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15 Kommentare

 / 
  • 1G
    17900 (Profil gelöscht)

    Ach was für eine schöne Ausrede des Finanzministers Lindner - wir wollen die Schuldenbremse einhalten.

    Dabei geht es um ganz was anderes. Wenn man fordern würde, 10% weniger Steuern für Unternehmer, wie von Zauberhand ginge das auf einmal.

    Das nennt man Scharlatanerie.

  • Gegenüber dieser Demenz-WG in Berlin wirkt die Sprachverwirrung nach dem Turmbau zu Babel gar nicht mehr so abschreckend.



    Lindner will das Dienstwagenprivileg aufrechterhalten - allein durch dessen Abschaffung würde der Staat Milliarden sparen und beim Klima vorankommen. Lindner, der sich vermutlich nur selten in öffentlichen Verkehrsmitteln aufhält, hat beim 9-Euro-Ticket ebenfalls nichts kapiert. Schlimmer noch, in der sich abzeichnenden Rezession besteht er absurderweise auf der Schuldenbremse (ein Dogma, mit dem sich keine einzige vergleichbare Industriegesellschaft auf der ganzen Welt noch ein Bein stellt). Fratzscher vom DIW hat ausgerechnet, dass die Gaskompensation ca. 38 Mrd Euro kosten würde, also nur ein Zehntel der staatlichen Ausgaben zur Bekämpfung der Pandemie. Aber der Finanzminister erweist sich als beratungsunfähig.



    40 Prozent der Bevölkerung geraten in die Bredouille, aber in Berlin steht der Porschefahrer und macht Politik für ein Land und eine Situation, die es gar nicht mehr gibt.



    Grüne und Sozialdemokraten sind sich relativ einig, aber Scholz und Habeck verstricken sich zu sehr in Details, delegieren zu wenig, um noch die Übersicht zu behalten. Auch eine kleine Ansprache zur Lage der Nation wäre mal angemessen.



    So gibt die Ampel - entsprechend dem Wahlergebnis vor einem Jahr - das Bild eines sehr bunten Hühnerhaufens ab. Zum Glück sind neoliberale Überzeugungen nicht so infektiös wie Covid, aber zu unserem Unglück schwächen sie die Regierungsarbeit in der größten Krise seit 1945, worüber sich Putin nur freuen kann.



    Es gäbe einen klaren Weg aus dem Dilemma: Den russischen Krieg entschiedener bekämpfen, um diese Krise schnell hinter uns zu bringen.



    Die andere Alternative wäre, den Finanzminister in die Wüste zu schicken und eine Regierungskrise zu riskieren. Irgendwann wird das unumgänglich. Deshalb müssen sich SPD und Grüne viel offensiver positionieren, um hinterher nicht wie die Gartenzwerge der FDP da zu stehen.

  • G
    Gast

    Alle gesellschaftlichen Schichten müssen ihren Verbrauch reduzieren und bei den Nicht-Reichen erreicht man das nunmal am besten über den Preis.

    Das funktioniert aber nur wenn der Preis auch persönlich weh tut. Wenn sich alle weiterhin den selben Verbrauch finanziell leisten können wie bisher, wird es keine ausreichende Einsparung geben. Jede Ausgleichszahlung oder künstliche Preissenkung/-deckelung wirkt dem entgegen und ist klimaschädlich.

    Für Strom, Benzin, Fleisch, usw. gilt das ganz genauso. Der Preis muss so hoch sein, dass es sich eben nicht mehr jeder im gewohnten Umfang leisten kann. Das trifft notwendigerweise einen großen Teil der Bevölkerung, denn der Reiche wird sich diese Dinge immer leisten können. Eine Klimapolitik nur zulasten der Reichen wird nicht funktionieren, erhebliche Einschränkungen im Lebensstil und Lebensstandard des größten Teils der Bevölkerung sind notwenig. Dieses Opfer sollte es uns wert sein. Tun wir das nicht, wird der Klimawandel langfristig ein weiter so ohnehin unmöglich machen.

  • Ja, wenn ich mal in die Regierung komme, dann mit nicht mehr als 10%. Sonst hat man in einer Demokratie offenbar nichts zu melden.

    Wenn schon das Volk nicht regiert (demos!), dann sollte es vielleicht wenigstens die Mehrheit sein.

  • taz: "Grüne und SPD wollen zielgerichtete Entlastungen für Einkommensschwache. Die FDP um Finanzminister Lindner drängt auf Steuersenkungen."

    Der Spitzensteuersatz für die Reichen -



    der mal unter dem "Sozialisten" Helmut Kohl (CDU) bei 53% war und dann auf 42% gesenkt wurde (wer hat den Spitzensteuersatz eigentlich auf 42% gesenkt?) - soll wohl bei der FDP noch mehr gesenkt werden. Wem haben wir eigentlich die FDP zu "verdanken"? Ach ja, den Erstwählern, die wohl nur diesen einen Satz aus dem FDP-Wahlprogramm 2021 gelesen haben: "Wir Freie Demokraten fordern eine kontrollierte Freigabe von Cannabis."

  • @GERD HUNDSBERGER

    Die FDP macht Politik für die Einprozenter. Gewählt wurden sie von etwas mehr als 10 Prozent.

    Finde den Fehler.

    • @tomás zerolo:

      Die freiheitlich-populistische Corona Nummer, die Lindner vor der Wahl gefahren hat und auf die 7% reingefallen sind.

      Da helfen nur Neuwahlen.

    • @tomás zerolo:

      Die FDP macht Politik für diejenigen, die Einkommenssteuer zahlen und will verhindern, dass die Einkommenssteuer inflationsbedingt steigt.

      Wie Sie darauf kommen, dass oben genannte Gruppe nur 1% der Bevölkerung ausmacht, weiss ich auch nicht... Wenn Sies rausfinden haben Sie auch den Fehler gefunden.

    • @tomás zerolo:

      Die FDP macht Politik für Leute wie mich. Und das gefällt mir ausnehmend gut. Ein "Einprozenter" bin ich allerdings bei weitem nicht. Top 15 passt schon eher.

  • Liebe junge Leute, die ihr so viel FDP gewählt habt: vielen Dank dafür!

    Zum einen habt ihr damit endlich mal den Boomern gezeigt, was für eine Partei der Nimmersatten und Nieten die FDP in Wirklichkeit ist!

    Zum anderen macht die FDP endlich die Rente für die jetzigen Alten kaputt. Also genau denjenigen, die es sich auf eure Kosten gut gehen lassen und da schmarotzen wie niemals zuvor, ohne für euch was getan zu haben außer ein kaputtes Land nach der Party zu hinterlassen mit kaputter Infrastruktur, vielen Schulden, marodem Bildungs/Gesundheitssystem, und dazu noch die Frechheit haben, ständig über euch zu jammern und Pflichtdienste zu fordern, weil ihr ja ach so angeblich verweichlicht seid.

    Danke, liebe junge Leute, ihr habt das alles gut und richtig gemacht!

    • @Herbert Eisenbeiß:

      Das wär echt nicht nötig gewesen. Das hätte ich auch so gewusst.

  • RS
    Ria Sauter

    Viele junge Menschen haben FDP gewählt.



    Ich vermute mal, dies geschah wegen der versprochenen Coronafreiheit.

    Hoffen, wir das mal. Ansonsten wäre das zu schrecklich.

  • Mit dem 9-Euro-Ticket werden die Leute ihre Energie-Rechnungen nicht bezahlen können.



    In wenigen Monaten werden die Strompreise durch die Decke gehen, wie sollen das eigentlich die Transferleistungsempfänger stemmen? So viel ich weiß, haben die in ihrem Satz lediglich eine Pauschale, aber alles darüber hinaus, müssen die dann aus ihrem Regelsatz bezahlen.



    Meines Erachtens müssten die Jobcenter die Stromkosten vollständig übernehmen, allerdings unter Berücksichtigung der Wohnsituation - damit zum Beispiel nicht mit Strom geheizt wird. Aber jemdand mit Durcllauferhitzer, Badewanne und altem E-Herd benötigzt natürlich mehr.



    Gleiches sollte für arme Rentner, Studenten usw. möglich sein.



    Es kann auch nicht sein, dass der prekär lebende Teil der Bevölkerung ständig auf Einmalzahlungen durch "Entlastungspakete" hoffen muss, die dann noch dazu in den Taschen der Energiekonzerne landen.



    Bis jetzt haben die noch nicht einmal die Dividenden ihrer Aktionäre gestrichen, warum eigentlich, wenn die Not so groß ist?

    Und von Chrissie Lindner und dem Rest seiner gelben AFD will ich nie wieder etwas hören.

  • Liebe jungen Leute, die Ihr (angeblich) so zuhauf FDP gewählt habt: bitte, schaut genau zu, was das für Nieten sind. Wählt so was nie wieder.

    • @tomás zerolo:

      Genau, nur die, die ihr Leben nicht alleine meistern, sind die Checker. Es gibt viele Menschen die von so einer Politik, wie sie die FDP macht, profitieren, und die wählen halt die FDP.