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Energieexpertin über die FDP„Wird nicht ehrlich kommuniziert“

Die Energieexpertin Claudia Kemfert kritisiert die FDP für ihre Klimapolitik. Und erklärt, mit welchen Maßnahmen man die Klimaziele erreichen würde.

Besonders im Verkehrssektor könnte man laut der Klimaexpertin Claudia Kemfert CO2 einsparen Foto: Jürgen Ritter/reuters

wochentaz: Frau Kemfert, die FDP will die „Förderung Erneuerbarer Energien schnellstmöglich beenden“ – das ist einer ihrer zwölf Vorschläge für einen Wirtschaftsaufschwung. Hätte das den gewünschten Effekt?

Claudia Kemfert: Wenn wir unsere Wirtschaft in der Welt stärken wollen, dann ist es geradezu absurd, jetzt die Rahmenbedingungen für erneuerbare Energien zu verschlechtern. Wir müssen im Gegenteil dafür kämpfen, dass deutsche Solarunternehmen nicht unser Land verlassen, weil es woanders deutlich attraktiver für sie ist.

Der bis vor Kurzem größte von ihnen, der Schweizer Konzern Meyer Burger, hat gerade sein Werk im sächsischen Freiberg geschlossen und will die Produktion in die USA verlegen.

Stimmt leider. Andere Länder haben viel bessere Rahmenbedingungen, besonders China und auch die USA, die beide massiv subventionieren. Daraus entsteht ein Dumping-Wettbewerb, den wir eh schon nicht mithalten können. Wenn wir jetzt auch noch die innovativen Unternehmen abwandern lassen, ist das für die deutsche Wirtschaft keine gute Nachricht.

Was würde denn passieren, wenn die Regierung die Einspeisevergütung für Ökostrom streichen würde?

Im Interview: 

Claudia Kemfert ist Expertin für Energie- und Klimafragen und leitet seit 2004 die Abteilung Energie, Verkehr, Umwelt am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung.

Das wäre fatal. Wir sind mit der Energiewende noch längst nicht über den Berg. Ohne Anschub gerät der Ausbau der erneuerbaren Energien wieder ins Stocken. Um die Klimaziele zu erreichen, könnte man stattdessen – wie es der FDP vorschwebt – auf den freien Markt setzen und installiert einen radikalen Emissionshandel: Dann bräuchte es ein definiertes CO2-Budget und eine entsprechende Höchstmenge an CO2-Zertifikaten, die dann über alle Wirtschaftsbereiche hinweg gehandelt werden.

Derzeit gibt es so etwas auf europäischer Ebene für die Stromgewinnung und die Großindustrie. Für Verkehr und Heizen hat Deutschland zurzeit noch einen eigenen CO2-Preis auf nationaler Ebene – aber ohne Obergrenze, wie viele Zertifikate insgesamt verkauft werden dürfen.

Stimmt. Aber genau das müsste sich ändern, wenn man Klimaschutz allein über den freien Markt regeln will. Dann wäre schlicht nur eine begrenzte Menge an Zertifikaten verfügbar und der CO2-Preis hinge nur noch von Angebot und Nachfrage ab. Das hätte einen massiven Preisanstieg zur Folge! Schließlich wären Zertifikate zunehmend knapper, weil mehr Emissionen gesenkt werden müssen. Im Grunde fordert die FDP also, dass Strom, Heizen und Tanken sehr viel teurer werden. Aber so ehrlich sagt sie das nicht – zumal sie sofort mit Tankrabatten um die Ecke kommt, wenn der Ölpreis aus anderen Gründen steigt. Das passt doch nicht zusammen.

Mit den Vorschlägen der Liberalen würden wir also direkt in die nächste Energiepreiskrise schlittern?

wochentaz

Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.

Nicht jede Preissteigerung ist sofort eine Krise. Trotzdem ist volkswirtschaftlich und politisch zu hinterfragen, ob man so hohe Preise in so kurzer Zeit will. Tank- und Heizkosten könnten sich ähnlich wie in der Gaskrise verdoppeln oder gar verdreifachen. Zwar hätte der Staat dann hohe Einnahmen, aber negativ betroffen wäre gerade Personen mit mittleren und niedrigen Einkommen. Deswegen sollte man diese Einnahmen dann den Menschen zurückgeben.

Die FDP ist kein Fan solcher Maßnahmen, siehe ihr Verhalten beim Klimageld. Halten Sie das Subventionsende für die Erneuerbaren für einen ernstgemeinten Vorschlag?

Der Vorschlag ist sicher ernst gemeint. Aber es wird nicht ehrlich kommuniziert, was er in seinen Konsequenzen eigentlich bedeutet.

Ein anderer nicht ganz ernst gemeinter Vorschlag war ja der von FDP-Verkehrsminister Wissing, samstags und sonntags Fahrverbote einzuführen. Was muss passieren, damit der Verkehrssektor die Klimaziele erreicht?

Das Gerede von Fahrverboten war reine Panikmache. So wurde medialer Druck aufgebaut, damit die Sektorenziele im Klimagesetz im Sinne der FDP aufgeweicht werden. Im Gegenzug hat sie dann einem Solarpaket zugestimmt. Ein unguter Kuhhandel. Um das Ziel für den Verkehrssektor zu erreichen, hätte es eine Vielzahl von Maßnahmen gegeben. Mit einem simplen Tempolimit würde man auf einen Schlag 20 Prozent der geforderten CO2-Einsparungen erreichen. Weiter ginge es mit der Stärkung des Schienenverkehrs. Mehr Güter auf die Schiene, mehr ÖPNV. Dazu mehr Fußwege, bessere Fahrradwege, eine höhere Förderung der Elektromobilität. Und besonders schnell ließen sich die Emissionen reduzieren, wenn man die Steuersenkung für Diesel und das Dienstwagenprivileg abschaffte.

Geht die Bundesregierung in diese Richtung?

Schön wär’s! Aber aus der Forschung wissen wir, wer zum Beispiel vom Dienstwagenprivileg am meisten profitiert: Das sind vor allem angestellte Männer im höheren Management, also eine Klientel, die FDP wählt. Deswegen wird die Partei da nicht rangehen. Und die Ampel auch nicht.

Eine Möglichkeit wäre es ja, das Dienstwagenprivileg nur noch für E-Autos zu gewähren. Könnte man dadurch wieder Schub in die lahmenden Verkäufe bekommen?

Ja, aber noch mehr Schub würde es geben, wenn man alle Privilegien für den fossilen Verbrennungsmotor abschaffen würde – mit einer Kfz-Steuerreform, einer Steuerangleichung bei den Benzinpreisen oder indem man die Stromtarife für E-Fahrzeuge noch mal preiswerter ausrichtet.

Aktuell wird ja auf EU-Ebene und in Deutschland auch diskutiert, das geplante Verbrennerverbot ab 2035 aufzuweichen. Hätten sie es je für möglich gehalten, dass über so einen Rückschritt beim Klimaschutz nachgedacht wird?

Ich finde es grundfalsch und gerade in Zeiten der Klimakrise überhaupt nicht angebracht. Wir haben den wärmsten Januar, gefolgt vom wärmsten Februar und dem wärmsten März, wir haben die wärmsten neun Jahre hinter uns. Die Klimaforschung weltweit schlägt Alarm. Trotzdem scheint immer noch nicht wirklich bei allen angekommen zu sein, wie bedrohlich die Situation ist für uns Menschen, für die gesamte Menschheit.

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15 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Der einzige Gewinn bei der Förderung deutscher Solaranlagenhersteller würde in der Taschen landen.mBilliger werden Solaranlagen dadurch nicht. Auch gibt es deswegen nicht mehr Fachkräfte, die mehr Solaranlagen einbauen.

    Das Geld wäre beseser in der Förderung des Handwerks bei der Installation investiert. Dass China gerade Solaranlagen verschenkt mag man als Solaranlagenhersteller in DE bejammern, ist aber für die Ausbreitung dieser Technologie mehr als gut.

    • @Rudolf Fissner:

      ...die Herstellung von Solaranlagen geht auch nicht ganz ohne Auswirkungen auf unser Klima - CO2 & Ressourcen.



      Zudem China nicht gerade als Vorbild, bezüglich Arbeitbedingungen & Lohnzahlungen, steht....

  • Die (fossile) Wirtschaft ist eben viel wichtiger! Rettet die Bilanzen!*1elf ;-D Ist nur etwas doof, wenn mensch als Nichtsoreiche:r nicht checkt, was einem da die Spaßpartei und Konservative so einbrocken (wollen).



    *Zitat Monty Python 'Sinn des Lebens'

    • @Uranus:

      ...🎵🎶🎶🎵🎶🎶 " on the right side " 😉🙃🙂

      • @Alex_der_Wunderer:

        *Which side are you on? Which side ...* :-)

        Ach und bei Interesse:



        Monty Pythons - Meaning of Life - The Crimson Permanent Assurance Part two:



        m.youtube.com/watch?v=lNlYBNTCBG8

    • @Uranus:

      Glauben Sie wirklich, dass nur die FDP die Millionen Arbeitsplätze und Einkommen erhalten und transformieren will, während andere Parteien all das in die Tonne stecken wollen?

  • Tempolimit, Dienstwagenprivilgeg, Oeffis usw usw. In einem Zeitrahmen von 1 bis 2 Jahren erreicht man damit die CO2-Ziele ohne Fahrverbote nicht. Deshalb kommen die Vorschlaege immer so schoen schwammig daher, keine Aufstellung der CO2-Ersparnis pro Massnahme, keine Dauer bis zur Umsetzung (Jahre, Jahrzehnte) und erst recht keine Folgekosten. Sicher kann man das Dienstwagenprivileg abschaffen und die private Nutzung des Firmenwagens erschweren. Aber was bringt es dem Klima, wenn die Leute sich dann entnervt nen zusaetzlichen Privatwagen dahinstellen?

    Die Ziele sind vor Jahren aus der Luft gegriffen worden, nur den Weg zu dorthin kennt in der Regel keiner. Antoine de Saint-Exupéry hat das mal schoen beschrieben: "Ein Ziel ohne Plan ist nur ein Wunsch."

  • Lügen nicht alle Parteien in der Energiefrage, ob Söder mit Atomkraftverlängerung, Habeck mit seinen fragwürdigen Aussagen zu Gutachten und die FDP mit ihrer kruden Umweltpolitik?



    Mit der nächsten Wahl ist die FDP weg vom Fenster und wir bekommen wieder eine GroKo, aber mit der SPD als schwacher Partner. Glaubt irgend jemand, dass es dann unter Merk oder Söder besser wird in Sachen Umwelt.



    Was dann kommt ist nichts gegen die Umweltpolitik der FDP.

    • @Rudi Hamm:

      Wenn nicht alle Parteien lügen würde gäbe es keine Stammtische mehr!

      Und sicher wird es auch unter einer CDU/CSU Regierung besser.

      Der Anstieg des Anteils regenerativer Energien erhöhte sich pro Jahr immer um etwa den gleichen Anteil. www.umweltbundesam...le_deu_10-2023.png

      Das wird unter jeder Regierung (außer der AfD) so weiter gehen.

      Und wenn 2027 der Emissionshandel so wie von der FDP geplant so richtig zugeschlagen hat, dann wird es noch mal so richtig einen Boost geben.

      www.bundesregierun...onshandel-1684508#

    • @Rudi Hamm:

      Mag sein, dass Habeck nicht die endgültige, von allen akzeptierte Lösung aller Probleme bietet. Aber dass Realismus in Sachen Zukunft gar nicht gut bei den Wohlstandsverwahrlosten ankommt, ist bei ihm deutlich ersichtlich.



      Dann doch lieber "Des Kaisers neue Kleider" oder "Köpft den Boten schlechter Nachrichten".

    • @Rudi Hamm:

      Die FDP versucht gerade, sich so zu positionieren, dass sie nach der nächsten Wahl noch über die 5%-Hürde springen kann, um dann - sollte es für eine - GroKo nicht reichen - in eine schwarz-rot-gelbe Koalition einsteigen zu können.

      Auch ich glaube selbstverständlich nicht, dass es unter der Führung eines "Tieffliegers" aus dem Sauerland oder (unwahrscheinlicher) eines "Hochstaplers" aus Bavaria besser wird in Sachen Umwelt. Ich zweifle sogar daran, dass es überhaupt besser wird.

      Aber unser primäres Problem ist es auch nicht, die Treibhausgasemissionen zu reduzieren, sondern die fortschreitende gesellschaftliche Spaltung zu stoppen. Sonst haben auch Umwelt und Klima keine Chance.

      Dazu ist nur eine Regierung geeignet, die mit ihrer Mehrheit auch die gesellschaftliche Mitte repräsentiert. Mit den Führungsgestalten, die derzeit dafür angeboten werden, wird das aber wohl nicht gelingen.

      • @Al Dente:

        Sehr gute Problembeschreibung der ich voll zustimme.

    • @Rudi Hamm:

      Welche fragwürdigen Aussagen von habeck sollen das sein?

  • Wegen welcher Art von Politik müsste denn die FDP NICHT kritisiert werden?

    Vogel bei Lanz, Dürr im Bundestag - man glaubt, nicht richtig zu hören!