Energie und Krieg: Putin-Boykott zum Selbermachen
Der Wunsch, auf Gas aus Russland zu verzichten, wächst. Manches können Verbraucher dazu selbst beitragen, für anderes braucht es den Staat.

Vom Staat fordert die Deneff darum nun ein „historisches Energiesparpaket“, um Wohnungseigentümer, Gewerbe und Industrie kurzfristig bei Effizienzmaßnahmen zu unterstützen. Doch auch Verbraucher*innen sollten selbst aktiv werden und ihren Energieverbrauch reduzieren, appelliert Noll. Denn: „Damit finanzieren wir alle den Krieg in der Ukraine mit.“ Gleichzeitig hilft das Energiesparen auch gegen die massiv steigenden Energiekosten.
Zu den Vorschlägen der Deneff zum privaten Putin-Boykott von Verbraucher*innen gehört die Verringerung der Raumtemperatur, die Entlüftung und Optimierung von Heizkörpern und die Umstellung auf kurzes Stoßlüften. Deutlich mehr Einfluss auf den Energieverbrauch haben aber die Eigentümer der Wohnungen. Manche Maßnahmen zur Verringerung des Heizbedarfs seien noch vor Beginn der nächsten Heizperiode machbar, etwa das Einblasen einer Dämmschicht in die Zwischenräume von doppelschichtigen Außenwänden oder der Austausch alter Fenster.
Doch auch der komplette Austausch einer Gasheizung gegen eine Wärmepumpe, die Wärme aus Strom und Energie aus Boden, Wasser oder Außenluft produziert, ist noch vor dem Winter möglich, meint Henning Schulz, Sprecher des Wärmepumpen-Herstellers Stiebel Eltron. Doch dafür sei schnelles Handeln nötig: Bevor ein Auftrag erteilt werden könne, müsse zunächst die staatliche Förderung beantragt werden, die beim Austausch einer Gasheizung bis zu 40 Prozent der Kosten ausmache, sagte Schulz der taz. „Und auch die Lieferzeiten können derzeit mehrere Wochen betragen.“
Der eigentliche Einbau dauere dagegen nur wenige Tage, und eine Fußbodenheizung sei, anders als häufig angenommen, nicht erforderlich. „Wärmepumpen arbeiten heute auch in vielen Altbauten effizient“, so Schulz. Das bestätigt Marek Miara vom Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme: Dass Wärmepumpen eine Fußbodenheizung benötigen, „ist nicht nur physikalisch falsch, sondern wird auch von Tausenden mit Heizkörpern realisierten Wärmepumpensystemen widerlegt“, berichtet er.
Den Berechnungen des Instituts zufolge war eine Wärmepumpe im Betrieb schon bei den bisherigen Gas- und Strompreisen in den meisten Fällen günstiger als eine Gasheizung; die stark gestiegenen Gaspreise und die Abschaffung der EEG-Umlage beim Strompreis dürfte die Wirtschaftlichkeit weiter steigern. Noch günstiger wird eine Wärmepumpe, wenn der benötigte Strom teilweise mit Solarzellen auf dem eigenen Dach erzeugt wird.
Wachsendes Interesse an Wärmepumpen
Und tatsächlich scheinen der Krieg in der Ukraine und die Aussicht auf deutlich höhere Gaspreise die Nachfrage nach Wärmepumpen zu erhöhen. An den Lieferzahlen sei das zwar nach so kurzer Zeit noch nicht abzulesen, sagt Stiebel-Eltron-Sprecher Schulz. „Aber ich erlebe im privaten Umfeld, dass das Interesse schlagartig gestiegen ist.“
Doch nur darauf vertrauen, dass Haus- und Wohnungsbesitzer ihre Gasheizung aus eigenem Antrieb austauschen, dürfe die Politik nicht, meint die Deutsche Umwelthilfe. Erforderlich sei eine verpflichtende Sanierung besonders uneffizienter Gebäude und ein schnelles Verbot für neue fossile Heizungen – allein im letzten Jahr wurden in Deutschland noch 600.000 neue Gasheizungen eingebaut. Daneben seien für Sanierungen 25 Milliarden Euro Fördergelder pro Jahr erforderlich.
Dass große Fortschritte bei der Wärmeerzeugung möglich sind, zeigt auch eine Studie des Wuppertal Instituts im Auftrag von Greenpeace: Demnach könne Deutschland schon im Jahr 2035 komplett auf Gas und Öl zum Heizen verzichten. Dafür müsse die Regierung aber noch dieses Jahr die politischen Weichen stellen, fordert die Umweltorganisation.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Weltpolitik in Zeiten von Donald Trump
Schlechte Deals zu machen will gelernt sein
Kanzler Olaf Scholz über Bundestagswahl
„Es darf keine Mehrheit von Union und AfD geben“
Einführung einer Milliardärssteuer
Lobbyarbeit gegen Steuergerechtigkeit
Wahlarena und TV-Quadrell
Sind Bürger die besseren Journalisten?
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links
Emotionen und politische Realität
Raus aus dem postfaktischen Regieren!