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Ende des WeltwirtschaftsforumsDavos for Future

Hannes Koch
Kommentar von Hannes Koch

Beim Weltwirtschaftsforum in Davos dominierte das Klima-Thema. Soziale Gerechtigkeit wurde kaum debattiert. Dabei gehört beides zusammen.

Klimaaktivistin Greta Thunberg vor einer Rede in Davos Foto: Michael Probst/ap

D as Weltwirtschaftsforum hätte dieses Jahr auch „Klimaforum“ heißen können. In den vier Tagen des Kongresses von Davos stand das Thema ganz oben auf der Aufmerksamkeitsskala. Geschuldet war das der Wucht der Fridays-for-Future-Bewegung 2019, dem persönlichen Davos-Auftritt ihrer Protagonistin Greta Thunberg und dem gut zu dramatisierenden Gegensatz zu Donald Trump, dem ebenfalls anwesenden Präsidenten der Fossilen Staaten von Amerika. Kehrseite des Ganzen: Die wichtige Debatte über soziale Ungerechtigkeit, die beim Weltwirtschaftsforum (WEF) vor Jahren noch breiten Raum einnahm, kam diesmal zu kurz.

Noch beim WEF 2017 wurde viel über die sozialen Ursachen des Brexits und der Wahl Trumps diskutiert. Von 2018 bis 2020 schoben sich dann die Sorgen um das Nicht-mehr-Funktionieren der internationalen Ordnung und den Klimawandel in den Vordergrund. Ablesen lässt sich das auch an den Reden, die Kanzlerin Angela Merkel in diesen Jahren in Davos hielt: Immer ging es um Multilateralismus, dieses Jahr war das Klima Hauptthema.

Nun führt jede Schwerpunktsetzung dazu, dass andere Themen zu kurz kommen. Und das Klima-Problem war in Davos einfach dran, weil es in den globalen gesellschaftlichen Debatten eine große Rolle spielt. Allerdings darf die Debatte über die teils wachsenden Unterschiede zwischen Arm und Reich nicht beiseitegeschoben werden. Die Enttäuschung über die ungerechte Globalisierung ist in manchen Ländern schließlich nicht nur eine Ursache des Rechtspopulismus. Sie erschwert auch die Zusammenarbeit zwischen Europa einerseits und den Regierungen der USA und Großbritanniens andererseits. Das wiederum macht es komplizierter, international etwas gegen den Klimawandel zu unternehmen.

Daraus ableiten lässt sich ein Auftrag an die nächsten Weltwirtschaftsforen: Der Zusammenhang von Ökologie und sozialen Fragen muss auf die Agenda. Auch weil die Klimapolitik zur Verteuerung mancher Produkte und Lebensweisen führt – was sich nicht alle leisten können.

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Hannes Koch
Freier Autor
Geboren 1961, ist selbstständiger Wirtschaftskorrespondent in Berlin. Er schreibt über nationale und internationale Wirtschafts- und Finanzpolitik. 2020 veröffentlichte er zusammen mit KollegInnen das illustrierte Lexikon „101 x Wirtschaft. Alles was wichtig ist“. 2007 erschien sein Buch „Soziale Kapitalisten“, das sich mit der gesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmen beschäftigt. Bis 2007 arbeitete Hannes Koch unter anderem als Parlamentskorrespondent bei der taz.
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14 Kommentare

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  • „ Auch weil die Klimapolitik zur Verteuerung mancher Produkte und Lebensweisen führt – was sich nicht alle leisten können.“

    Wenn Politik ausbeuterische Produktionsweisen hier oder Abriss drosselt oder unterbindet, sei es aus klimapolitischen, naturschutzpolitischen oder sozialpolitischen Gründen, dann ist das richtig so.

    Niemand hat ein Recht auf Produkte, deren Existenz auf Ausbeutung und Zerstörung beruht.

  • Warum soll die soziale Frage in Davos diskutiert werden, wenn immer gesagt wird, dass jetzt nur der Klimawandel zählt?



    Und warum sollen ausgerechnet die Personen in Davos an der sozialen Frage interessiert sein?

    Hey, solange die soziale Frage durch Klima und Identität in den Hintergrund gestellt wird, schert sich keiner um sie. Das ist ja der wesentliche Kritikpunkt an den aktuellen Diskussionen.

  • Wenn Greta nach Davos gar reist,



    sind die Teilnehmer gar dreist.



    Sie kuschen, pfuschen, lamentieren,



    debattieren über die Zukunft der Welt.



    Ohne Greta zu akzeptieren.



    Was Letzterer zu Recht missfällt.



    Sie fühlt sich unwohl bei den Großen.



    Bei Staatslenkern + Wirtschaftsbossen



    Das Klima will gesichert sein.



    Dafür tritt GRETA THUNBERG ein ...



    (tp)

    • @Tork Poettschke:

      Woher wissen Sie, dass Frau Thunberg sich bei den Politikern + Tross in Davos unwohl füllte?

      Hat sie doch niemals behauptet.

      Auch wenn mir die Politik von jemandem missfällt, kann diese/r doch immer noch ein supernetter Mensch sein.

  • Weder Globalisierung noch Klima verdienen die Adjektive gerecht/ungerecht. Diese Versuche zur emotionalen Ansteuerung der Leser sind nicht hilfreich.



    Der Artikel unterstreicht allerdings den wichtigen Punkt das eine Umstrukturierung der Gesellschaft in Richtung umweltfreundlicher aber teurere Lebensweise dazu führen wird, dass über die höheren Kosten der Lebensstandard insbesondere in den Industriestaaten wie die europäischen, sinken wird. Das macht es ja auch verständlich, warum viele ärmere Länder immer noch im großen Umfang in Kohle investieren. Einfache Mathematik.



    Wichtiges Problem aber eine schwierige Diskussion.

  • Die soziale Frage hat auch eine andere Dimension. Ehemalige Schwellenländer prosperieren, der dortige Mittelstand will am materiellen Reichtum partizipieren. Autos werden gekauft, Reisen gemacht, Wohnungen mit Klimaanlagen gebaut. Wir Deutsche könnten jetzt natürlich sagen: Das ist ganz schlecht für das Klima. Das interessiert nur niemanden.

  • Das die soziale Frage zu kurz kommt war ja schon in Deutschland zu beobachten. Die Klimafrage hat alles verdrängt. Das kommt den Profiteuren der sozialen Ungerechtigkeiten zugute.



    Die Klimabewegung hat immer noch nicht kapiert, dass Klimapolitik Teil der sozialen Frage ist. Bisherige Konzepte tragen zur weiteren Ungleichverteilung des Vermögens bei, wahrscheinlich forciert sie den Klassenkampf zwischen Armen und Reichen.



    Mit Begeisterung wird Klimapolitik als neues Geschäftsmodell betrachtet.

    • @Rolf B.:

      „ Die Klimabewegung hat immer noch nicht kapiert, dass Klimapolitik Teil der sozialen Frage ist.„

      Die Klimabewegung hat es erst in die Köpfe der Menschen gepackt, dass der Klimawandel vor allem den armen Teil der Menschheit betreffen wird.

      Die Braunkohlelinke steckt derweil immer noch im nationalen Schacht, umgeben von geistiger Dunkelheit.

    • @Rolf B.:

      Vielmehr glaube ich daß Menschen die die Klimabewegung nur aus den Nachrichten vom warmen Wohnzimmersessel aus kennen, noch gar nicht kapiert haben daß es bei FFF und Co sehr wohl und intensiver als je zuvor auch um soziale Gerechtigkeit geht. Deswegen ist die Bewegung weltweit schnell zur größten geworden.



      Die großen Klimakiller von Autokonzerne, Kohle- und Erdölindustrie bis Agrartierfabriken, sind gleichzeitig auch die größten Ausbeuter. Niedriglohnsektor, Landraub, Wegbaggern von ganzen Kulturlandschaften samt Ortschaften und Resourcen- und Menschenausbeutung in aller Welt läßt häßlich grüßen.



      Auch wird der menschenverursachte schnelle Klimawandel durch vernichtende Stürme, Überschwemmungen und Dürren ganze Länder vor allem des globalen Südens in das soziale Elend führen.



      Genau das weiß die Bewegung, deren Macher scheinbar wesentlich besser informiert sind als Staaten- und Wirtschaftslenker mit ihren treuen Wählern und Konsumentenkunden, die fleißig weiterfliegen, kreuzfahren, Schnitzel essen, Elektronik kaufen, Strom verschwenden usw. und so selber Klimakiller sind, auf soziale Kosten von Menschen welteit.

      • @Traverso:

        Ich zitiere einmal Luisa Neubauer, die zur CO2 Steuer und die angezweifelte Wirkungslosigkeit bei gleichzeitiger sozialen Ungerechtigkeit folgendes sagte:

        "Wer reich ist, verschmutzt auch mehr; dann soll er zumindest mehr dafür zahlen."

        (Aus einem Gespräch mit der Freitag.)

        • @Rolf B.:

          „ CO2 Steuer und die angezweifelte Wirkungslosigkeit“

          Die Wirkungslosigkeit einer CO2 Steuer wird vor allem aus der AfD-Ecke angezweifelt.

          Der Einstieg in diese Steuer aber ist notwendig, auch wenn der Anfang niemandem Richtig wehtut. Aber sie wird und muss steigen. Sie wird bei zusätzlichen 50 Cent selbstverständlich ihre Wirkung auf den CO2_Ausstoß zeigen.

    • @Rolf B.:

      Zu sagen die Klimabewegung hat diesen Punkt nicht kapiert, finde ich nicht ganz richtig. Es geht um KlimaGERECHTIGKEIT\climate justice.

  • Eines der beiden Kinder auf dem Artikelfoto behauptet ihre Kindheit und Zukunft wäre gestohlen worden...........

  • Die wilden Zwanziger.

    Die wilden zwanziger Jahre für Deutschland und Europa!

    Die FDP wird Arbeiter und Bauernpartei,

    die SPD übernimmt den Aufsichtsrat der Deutschen Bank,

    die CDU wird Klimapartei.

    Die AfD wird Partei der treudeutschen Volksgemeinschaft.

    Die Olivgrünen bleiben NATO-Bündnispartei für Osteuropa und für Mädchenschulen und Frauenrechte, weltweit.

    Die bürgerliche Linke verteilt Streicheleinheiten über alle sozialen Klassenschranken hinweg.

    Was bleibt da noch übrig für die CSU und den wirtschaftsliberalen DGB?