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Elektronische PatientenakteWer schweigt, stimmt zu

Kommentar von Svenja Bergt

Die digitale Patientenakte ist beschlossen. Sie bringt einige Vorteile, aber auch viele Probleme beim Schutz der Gesundheitsdaten.

Ein Arzt ruft eine elektronischen Patientenakte auf Foto: Felix Zahn/photothek/imago

A b 2025 wird sie kommen, die elektronische Patientenakte (ePA), für alle, die nicht widersprechen. Wer gesetzlich versichert ist, wird sich also im Laufe des kommenden Jahres entscheiden müssen: nichts tun und damit stillschweigend zustimmen, dass von Ärzten bis Psychotherapeutinnen die im Zuge einer Behandlung anfallenden Daten so gespeichert werden, dass auch die jeweils anderen darauf zugreifen können? Oder widersprechen? Und wenn widersprechen – der ePA an sich oder nur dem Zugriff einzelner Ärz­t:in­nen? Oder der Forschung?

Die Entscheidung ist so individuell, dass sie nur je­de:r Einzelne für sich selbst treffen kann. Vorteile kann die ePA vor allem in solchen Fällen bieten, in denen bei der Behandlung einer Krankheit zahlreiche Ärz­t:in­nen beteiligt sind. Auch wer nicht selbst den Überblick behalten kann oder möchte, etwa über verordnete Medikamente, kann profitieren.

Außerdem können mit der ePA die Pa­ti­en­t:in­nen selbst Einblick in die über sie gespeicherten Daten nehmen – ohne sich mit den jeweiligen Ärz­t:in­nen in die Auseinandersetzung über eine Kopie der gespeicherten Daten begeben zu müssen.

Doch es gibt auch Nachteile: Die ePA ist auf eine Bedienung per App ausgelegt. Wer das nicht möchte oder kann, muss Umwege gehen, etwa über eine Vertrauensperson. Zudem können Einträge aus der Vergangenheit die Behandlung auch verschlechtern: etwa, wenn nach einer psychischen Krankheit Beschwerden allzu leicht als psychosomatisch eingestuft wurden.

Und für die Nutzung der Gesundheitsdaten in Wissenschaft und Industrie gilt: Die Daten sind lediglich pseudonymisiert. Damit ist nicht ausgeschlossen, dass sich Pa­ti­en­t:in­nen identifizieren lassen, was gerade bei einer Datenpanne schwere Folgen haben kann.

Also: Ja oder nein oder mit Einschränkungen? Das Gute ist: Wer zunächst widerspricht, kann sich auch später noch eine ePA anlegen lassen. Und wer eine hat und sie doch nicht will, kann sie immer noch später löschen.

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Redakteurin für Wirtschaft und Umwelt
schreibt über vernetzte Welten, digitale Wirtschaft und lange Wörter (Datenschutz-Grundverordnung, Plattformökonomie, Nutzungsbedingungen). Manchmal und wenn es die Saison zulässt, auch über alte Apfelsorten. Bevor sie zur taz kam, hat sie unter anderem für den MDR als Multimedia-Redakteurin gearbeitet. Autorin der Kolumne Digitalozän.
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26 Kommentare

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  • Geschätzte TAZ, mich würde auch interessieren ob Privatversicherte auch "gläsern" werden.

    • @Ria Hummelhain:

      "Und wenn widersprechen – der ePA an sich oder nur dem Zugriff einzelner Ärz­t:in­nen? Oder der Forschung?"

      Offensichtlich wird niemand "gläsern".

  • Eigentlich sollte es in Anbetracht der großen Zahl von Nachrichtenmeldungen zu Software-Fehlern und erfolgreichen Angriffen auf IT-Systeme mittlerweile auch dem Normalbürger auffallen dass da etwas nicht stimmen kann. Wenn die Nachrichten nicht genügen, dann sollten es die völlig dysfunktionalen "Apps", welche derzeit immer öfter zur Pflicht werden (Banking, Bahncard), tun. Diese Probleme sind direkte Folge einer fundamental gescheiterten Art und Weise Hard- und Software zu entwickeln. Immer komplexere Systeme werden in immer kritischeren Bereichen eingesetzt ohne über die notwendigen Fähigkeiten zu verfügen ein Mindestmaß an Funktionalität und Sicherheit zu gewährleisten. Statt in diese Richtung zu forschen, werden Fördergelder in vermeintliche Technologiewunder gesteckt ("Blockchain", "Quantencomputer", "KI"), ungeachtet dass diese relevante Probleme absehbar nicht lösen werden.

    Die Sicherheit eines Systems wird stets am "Stand der Technik" gemessen. Dieser ist aber generell unzureichend um unbefugten Zugriff zu verhindern. Dies kann man auch daran ablesen, dass es immer schwieriger wird eine Versicherungspolice gegen "Cyberangriffe" zu erhalten. Die Schäden und die Eintrittswahrscheinlichkeit sind zu hoch.

    Es ist keine Frage ob die gewaltige Datensammlung der ePA missbraucht wird sondern nur wann, in welcher Weise und wie viel die Bevölkerung davon erfährt. Den Schaden wird der Einzelne haben, ohne Möglichkeit gegen die Verantwortlichen angemessen vorzugehen, denn unsere Datenschutzgesetze sind, anders als es das ständige Jammern der Industrie glauben machen möchte, absolut zahnlos.

    Das absolute Desinteresse der Industrie und der Bevölkerung hat bei mir mittlerweile zu der Erkenntnis geführt dass erst ein massives Schadensereignis welches einen Großteil der Bevölkerung betrifft möglicherweise zu einem Umdenken führen wird. Die ePA hat vielleicht das Potential dafür.

  • "Wer gesetzlich versichert ist..." steht im Artikel!



    Was ist mit den privilegierten Privatversicherten, dem Beamtentum usw.!?

    • @Toni Zweig:

      Das "Beamtentum" und das umfasst auch Menschen im mittleren Dienst kann sich (außer in Bremen) überhaupt nicht gesetzlich versichern.

      • @schoni:

        Beantwortet nicht meine Frage, ob Privatversicherte auch digital "gläsern" werden!



        Meines Wissens ist Herr Lauterbach übrigens gesetzlich versichert, obwohl er das nicht müsste.



        Wie es auch immer ist, gerade Beamte sind, zusätzlich durch die Beihilfe, krankenversicherungstechnisch einfach besser gestellt. Egal welcher Dienst.

  • "Es gibt kein richtiges Leben im falschen"



    (T. Adorno).



    Die selbst eingebrockte Suppe werden wir auslöffeln müssen.

  • Der Gedanke, mein Zahnarzt könnte sehen, dass ich zeitgleich wegen einer zB. Geschlechtskrankheit behandelt werde, finde ich persönlich gruselig. Da reicht es, wenn er sieht welche Medikamente ich aktuell einnehme. Außerdem geht ihn das überhaupt nichts an ob ich die Pille nehme oder nicht. Was ist mit denen, die mit unbestimmten Symptomen von Arzt zu Ärztin laufen, und der 3. Arzt weigert sich daraufhin zu behandeln, obwohl es sich um einen Schlaganfall handelt? Besonders Frauen sollen ja auch unspezifische Symptome haben.



    Ich werde erstmal widersprechen und warte die Erfahrungen ab.

    • @TaAl:

      "Der Gedanke, mein Zahnarzt könnte sehen, dass ich zeitgleich wegen einer zB. Geschlechtskrankheit behandelt werde, finde ich persönlich gruselig."

      Vielleicht ist das nicht unbedingt notwendig. Aber auch der Zahnarzt unterliegt der ärztlichen Schweigepflicht.

    • @TaAl:

      Vor ein paar Tagen hat zu dem Thema auch ein Notfallmediziner hier in der Kommentarspalte Stellung bezogen. Der freut sich über Medikamentenpläne genauso wie die Kentnisse über Vorerkrankungen der zu behandelnden Person. Von Vermerken das man gegen bestimmte Präparate allergisch ist, mal ganz zu schweigen.

      Aber ist kein Problem. Während ich für den behandelnden Arzt nicht nur in der Realität, sondern auch digital "nackig" bin, muss man bei Ihnen halt in ranzigen Aktenordnern oder Schnellheftern nach Informationen suchen oder 378 Ärzten hinterhertelefonieren.

      • @SeppW:

        Ich denke die Bedürfnisse eines Notfallmediziners dürften sich befriedigen lassen, ohne daß man sich vor allen Ärzten, den Digitalkonzernen, xbeliebigen Hackern und deren Kunden digital nackig macht.

  • Datenschutz ist wichtig und jede*r sollte selbst darüber entscheiden, wofür seine und ihre Daten verwandt werden. Ich habe eine Zeit mit den sehr guten Skandinavischen digitalen Gesundheitsdaten gearbeitet. Die Vorteile, welche durch das Vorhandensein solcher Daten für die Gemeinschaft (reduzierte Gesundheitskosten) und den individuellen Patienten entstehen können enorm sein. Es hängt im Großen damit zusammen was damit gemacht wird, und Momentan werden diese Daten zu wenig Analysiert. In Deutschland müssen wir uns eingestehen der Datenschutz verhindert Menschen zu heilen und am Leben zu erhalten. Dies bezieht sich nicht nur auf komplizierte Fälle mit Vorgeschichte, auch wenn hierfür der Unterschied am deutlichsten ist. Während COVID waren die Daten nicht (oder nicht schnell genug) verfügbar um Maßnahmen anzupassen. In Deutschland haben die Krankenkassen die Gesundheitsdaten, welche alle abrechnungsorientiert sind aber nicht auf Diagnosen aufbauen. Diese Daten werden auch zwischen Krankenkassen ausgetauscht. Eine sinnvolle und an den Patienten orientierte Gesundheitspolitik lässt sich damit nicht machen. Ist die Möglichkeit eines Datenlecks bei einer Krankenversicherung so fundamental anders als bei einem ePA Register?

  • Der CCC ist seit Jahren an dem Thema dran. Wer sich für die Details bezüglich Datenschutz und IT-Sicherheit interessiert, kann zb hier nachlesen: www.ccc.de/de/upda...digitalegesundheit

  • wie ist das eig. mit unseren wertvollen Daten? Wir geben sie an kostenlos u.a. an Unternehmen, die damit forschen und Medikamente/Therapien entwickeln und uns diese dann gegen Entgelt zur Verfügung stellen.



    Wie viel sind diese Daten den Unternehmen denn Wert und gibt es verbindliche Rahmenbedingungen für die Nutzung bzw. bekommen die Datengeber das in irgendeiner Weise vergütet?

  • !Also: Ja oder nein oder mit Einschränkungen?"

    --------------

    Ja. Sofern ähnliche Standards wie in Estland Anwendung finden. Und bitte bitte nicht auch noch den Bürger in der eAkte rumrühren lassen. Das wird dann wieder nur ein weiterer Daten-Flickenteppich. Jeder KfZ-Käufer will eine komplette Werkstatt-Historie vor Kauf haben, aber ein Arzt darf nicht wissen das Person X in der Vergangenheit dieses und jenes Wehwehchen hatte ? Naja, typisch Deutsch.

  • Endlich, dann hat hoffentlich die nervige Warterei auf "Arztbriefe" und das Zusammenstoppeln von Facharztbefunden und das Neuanfangen bei Umzug ein Ende.

    Sinnvoll wäre noch eine Verpflichtung der Krankenversicherungsträger zum nachträglichen Einpflegen von Daten der letzten Jahre. Absolut nervig bei jedem Arztbesuch quasi eine Liste abzuarbeiten, wo man jetzt war wegen was und wie es zusammenhängt.

    Infos an die Hausärztin werden doch nur in seltensten Fällen direkt übermittelt, die weiß dann zwar um Schilddrüsen- und Leberwerte, Blutdruck und Eisenmangel, aber die gynäkologischen und orthopädischen, proktologischen und urologischen, pneumologischen und psychiatrischen und psychotherapeutischen und hautärztlichen Befunde und verordneten Therapien gehen ggf. an ihr vorbei.



    Der Bereitschaftsdienst am Samstag muss nicht mühsam abfragen, ob ein Antibiotikum oder Schmerzmittel womöglich mit einem anderen Medikament schwere Wechselwirkung verursacht usw.

    Sehr großartig wäre (oder ist das so?), wenn ich als Patient*in selbst alle Daten einsehen kann von zu Hause aus.

  • Noch ein potentielles Angriffsziel:

    www.kma-online.de/...ffengelegt-a-45188

    www.handelsblatt.c...luss/29185398.html

    Und mit einem relativ simplen Denial of Service Angriff kann man das gesamte Gesundheitssystem aushebeln. Ich habe bisher noch kein Notfallkonzept gesehen, falls z.B. in größeren Regionen das Internet ausfällt (soll ja schon mal vorgekommen sein, insbesondere in Deutschland).

    Da man nicht einzelnen Ärzten, sondern Gesundheitseinrichtungen wie z.B. Krankenhäusern den Zugriff erlaubt, kann letztendlich jeder ITler im Krankenhaus auf die Daten zugreifen. Auch wenn das im Regelfall protokolliert werden sollte.

  • Als Überschrift den fragwürdigen Titel eines fragwürdigen Buches einer fragwürdigen Autorin.

    Eine an sich sinnvolle Sache wird so fast schon zu einem Verbrechen deklariert, dem man sich unbedingt widersetzen muss.

    So wie man sein blödes Haus auf Google Maps verpixelt.

    • @Jim Hawkins:

      Datenschutz ist nunmal eine sehr wichtige Sache, und weil du Google erwähnt hast: Das SIND Verbrecher.

    • @Jim Hawkins:

      "Eine an sich sinnvolle Sache wird so fast schon zu einem Verbrechen deklariert, dem man sich unbedingt widersetzen muss."

      ---------

      Es wir ja auch nicht differenziert. Fehlt nur noch das die Esten, gerade weil sie in Punkto Digitalisierung uns locker 20 Jahre voraus sind, diskreditiert werden.

      Die Welt dreht sich weiter, und unsere Bürokratie arbeitet immer noch auf dem Stand von Kaiser Wilhelms Zeiten. Kriegen nicht mal hin die simpelsten Dienstleistungen digital geregelt, schieben immer noch Papierakten durch die Gänge und verlangen von den Unternehmen alle steuerlich notwendigen Belege in Papierform 30 Jahre aufzubewahren. Digitalisierung unerwünscht.



      Der theoretische juristische Datenschutzwahnsinn macht jegliche Reformversuche zunichte.

      Eine elektronische Patientenakte wo jeder Patient frei verfügen kann was rein darf und was nicht ... wer denkt sich so einen Unsinn aus. Entweder ganz oder gar nicht.

  • Bei deutschland.de zum Ranking vor wenigen Jahren



    /



    "Estland (Rang 1) – Zentrale Infrastruktur



    Estland gilt als Vorreiter in Sachen Digital Health. Dort gibt es E-Rezepte, elektronische Patientenakten und ein nationales Gesundheitsportal. Zentrales Element für die Vorreiterrolle Estlands ist ENHIS, ein Netzwerk zum Austausch von Gesundheitsdaten, das die komplette Krankengeschichte der Bevölkerung registriert. Es soll helfen, Therapien zu verkürzen und Diagnosen zu erleichtern."



    Deutschland belegt keinen Spitzenplatz, will aber erfolgreich mitmischen, das geht nicht ohne Digitalisierung.



    Für psychiatrische Diagnosen oder anderweitige Sonderfälle gelten selbstverständlich besondere Schutzmaßnahmen. Und es gibt Widerspruchsregelungen, selbstverständlich.



    /



    www.verbraucherzen...undheitsakte-57223

    • @Martin Rees:

      Der Link gibt den neuen Stand nicht wieder:



      netzpolitik.org/20...icherheitsrisiken/



      netzpolitik.org/20...t-auf-versicherte/

      Es gibt mehrere berechtigte Kritikpunkte:



      1) App-Fokus - Eine vernünftige Webschnittstelle, die im Browser läuft ist kein Hexenwerk und auch wartungsarm realisierbar.



      2) Die Weiterleitung ledilgich pseudonymisierter Daten an auch private Forschung ist aus zweierlei Hinsicht kritisch: Pseudonymisierung ist rückverfolgbar und die Herausgabe für kommerzielle Zwecke ist fragwürdig.



      3) Die ePA gilt nur für gesetzlich Versicherte. Sind Privatversicherte vom Fortschritt ausgeschlossen?

      Ich bin nicht gegen die ePA, sie muss lediglich patientenzentriert sein, eine Verschlüsselung mit einem individuellen Schlüssel standardmäßig haben, und dann eine freiwillige Datenspende für die Forschung ermöglichen.Dann nutzt sie dem Patienten und der Forschung.

      Den breiten Zugriff aus ökonomischen Zwecken, moralisch verbrämt, den lehne ich ab. Daher Opt-out.

  • Danke für die Info.



    Wo kann man den Widerspruch einlegen, bei der KV?

    • @Tripler Tobias:

      Widerspruch wird nur nicht nützen, das EU Recht wird das nationale Recht überstimmen. Die aktuelle Widerspruchsregelung steht in Kollision zum geplanten EU Recht.

      netzpolitik.org/20...te/#netzpolitik-pw

    • @Tripler Tobias:

      ja, würde mich auch interessieren. Bei der Krankenversicherung? Bei den jew. Ärzt*innen? Steht nichts im Beitrag dazu.

    • @Tripler Tobias:

      Bei Ihrer Krankenkasse!