Elch über Urlaube und Grenzen: „Ich bin auch nur ein Elch“
Emil wandert seit Monaten durch das östliche Europa. Seit einigen Wochen hält er Österreich in Atem. Fans fordern sein Bleiberecht.
taz: Herr Emil, Sie sind derzeit auf Sightseeingtour in Österreich. Wo kommen Sie ursprünglich her?
Elch Emil: Von weiter nördlich
taz: Wo wollen Sie hin?
Elch Emil: Wo mein Herz mich hinführt.
Emil. Mutmaßlich vor ca. 3,5 Jahren in Polen geboren. Etwa 300 Kilo schwer, 1,80 Meter groß und 2,5 Meter lang. Dunkelbraunes Fell, lange helle Beine, ausgeprägter buschiger Kehlbart, überhängende Oberlippe, muskulöse Schultern als buckelartiger Widerrist, sehr kurzer Schwanz (ca. 5 –10 cm), breite, spreizbare Hufe mit einer Schwimmhaut. Seit Ende Juni auf Wanderschaft. Erste Sichtung in Tschechien, wo er nach dem tschechischen Langstreckenläufer Emil Zátopek benannt wurde. Derzeitiger Aufenthalt: St. Pölten, Österreich. Sichtungen: https://elch-emil.at/
taz: Sie haben viele Fans in Österreich, die Facebook- und Sichtungsseiten für Sie eingerichtet haben. Zu viel Aufmerksamkeit?
Elch Emil: Ich kann darin kein Problem erkennen.
taz: Österreich ist nicht gerade eine Topdestination für Elche. Was hat Sie gerade dorthin geführt?
Elch Emil: Mir scheint, hier ist das Paradies: Letzte Woche hab ich in einem Garten in Maria Jeutendorf Äpfel von einem Baum genascht. Sogar die Krone hat berichtet.
taz: Ist Ihnen dort im Süden nicht zu warm?
Elch Emil: Och, ich mag ja lieber Temperaturen um die 14 Grad. Aber ich hab mich zwischendurch im Strandbad Klosterneuburg abgekühlt.
taz: Wo Sie von Paparazzi fotografiert wurden. Sie scheinen den Presserummel zu genießen
Elch Emil: Ich bin einfach nur in die Donau gesprungen und auf die andere Seite geschwommen.
taz: Dieser Tage wird in Deutschland und Österreich viel über den Flüchtlingssommer vor zehn Jahren gesprochen. Dass Sie ausgerechnet jetzt hier ankommen, ist Zufall?
Elch Emil: Würd’ ich so nicht sagen.
taz: Hatten Sie irgendwelche Probleme bei Ihren Grenzübertritten? Push-Back-Versuche?
Elch Emil: Nein, da gab es keine besonderen Vorkommnisse. Aber ich bin auch nur ein Elch.
taz: Anders als den Problembär Bruno will Sie derzeit niemand abschieben oder abschießen. Wird beim Bleiberecht mit zweierlei Maß gemessen?
Elch Emil: Kein Kommentar.
taz: Üblicherweise wandern Elche aus dem westlichen Polen nach Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern. Sie sollen von Polen aus die Richtung Tschechien eingeschlagen haben. Wollten Sie den Grenzkontrollen der deutschen Regierung entgehen?
Elch Emil: Sie stellen Fragen. Wahrscheinlich bin ich Ostpole.
taz: Alle fragen sich jedenfalls, was Sie vorhaben?
Elch Emil: Ach wissen Sie, ich bin noch recht jung und will mir die Welt anschauen, solang das noch geht.
taz: Es heißt, Sie seien womöglich auf Brautschau? Von einer gewissen Emilia ist die Rede.
Elch Emil: Ich glaub, mich knutscht ein Elch.
taz: Medien berichten intensiv über Ihre Migrationsroute und Standorte, fühlen Sie sich überwacht?
Elch Emil: Nö, ich guck ganz gerne in die Kamera.
taz: Gleichzeitig warnen Tierschutzvereine davor, Ihnen zu nahe zu kommen, weil Sie das stressen könnte.
Elch Emil: Wirke ich gestresst auf Sie?
taz: Nicht die Bohne.
Elch Emil: Klar, manchmal wird’s mir etwas zu bunt, wenn ich durch Wohngebiete komme oder an einer Ampelkreuzung lande und die Signale nicht verstehe. Aber ich fühle mich exzellent begleitet von der Polizei.
taz: Am Wochenende informierte die österreichische Bahn ihre Passagiere über eine Streckensperrung in St. Pölten mit der Begründung: „Tiere im Gleisbereich (Emil)“. Was wollten Sie mit Ihrer Protestaktion erreichen?
Elch Emil: Damit hatte ich nichts zu tun. Ich lief ganz normal neben der Bahn her, aber offenbar gab es Gerüchte, ich wolle die Gleise blockieren.
taz: Es kursierten auch Gerüchte, Sie wollen in Wien einmarschieren.
Elch Emil: Ich hatte das ursprünglich für Samstag geplant, mich dann aber kurzfristig dagegen entschieden.
taz: Wieso?
Elch Emil: Verrat ich nicht.
taz: Fliehen Sie vor dem Klimawandel?
Elch Emil: Ich würde mich jetzt nicht als Klimaflüchtling bezeichnen, aber Schweden ist schon ein Sehnsuchtsort.
taz: Dann laufen Sie aber in die falsche Richtung.
Elch Emil: Ach was.
taz: Die große Elchwanderung ist ein schwedisches TV-Format, das zwei Wochen lang 24 Stunden Elche live bei ihrer Wanderung begleitet. Würden Sie bei einem solchen Format mitmachen?
Elch Emil: Sofort.
taz: Bei der Premiere der Sendung 2019 sahen die Zuschauer*innen 30 Stunden lang nur Eisschollen durchs Bild treiben. Auf die Beschwerde der Chefs entschuldigte sich Formaterfinder Johan Erhag mit: „Moment, ich ruf die Elche kurz an, vielleicht stecken sie noch in einer Konferenz.“ Hätte Slow-TV mit Elchen auch im deutschsprachigen Raum eine Chance?
Elch Emil: Definitiv. Mir hat nur leider noch niemand ein Angebot gemacht. Ich hab gehört, dass es zu viele Talkshows im Fernsehen geben soll. Eine Elchshow wäre eine echte Alternative.
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