Einstiges Vorzeigebad der DDR: Spaßbad soll absaufen
Vom Badespaß im Berliner Sportzentrum SEZ ist nichts mehr übrig. Der Investor versucht alles, um einen Abriss durchzusetzen.
Erich Honecker persönlich soll 1981, bei der Eröffnung des Sport- und Erholungszentrums (SEZ) an der ehemaligen Leninallee, der heutigen Landsberger Allee, den Knopf gedrückt haben, der das erste Mal in dem Spaßbad für das Wellenvergnügen sorgte, das völlig neu war für die DDR. Auf einem riesigen Areal von 50.000 Quadratmetern hatte man für die Ostberliner eine gigantische Sport- und Freizeitstätte errichtet, mit Bowlingbahn, Tischtennisplatten, Ballettsälen und sogar einem Friseursalon.
In der DDR war das SEZ ein Hit, auch weil der Eintritt dank Subventionen moderat war. Heute ist das marode, mit Graffiti zugebombte und grotesk überdimensioniert wirkende Gebäude einer der großen Zankäpfel Berlins – einer der Hotspots des typischen Berliner Gemurkses, bei dem sich verschiedene Interessenparteien gegenseitig Schwarze-Peter-Karten zuschieben und der normale Berliner längst aufgegeben hat, verstehen zu wollen, was hier überhaupt genau passiert.
Nach der Abwicklung der DDR ging es nämlich auch mit dem SEZ abwärts, und der Höhepunkt dieser Entwicklung könnte tatsächlich der Abriss des Gebäudes sein. Das Denkmalschutzamt hätte dagegen jedenfalls keine Einwände. Der Leipziger Investor Rainer Löhnitz, der den gigantischen Komplex 2003 für einen Euro erstanden hatte, mit gewissen Auflagen, über deren Auslegung seit einer Weile trefflichst gestritten wird, scheint aktuell eine Art Machtkampf mit dem Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg zu führen.
Pläne über Pläne
Seit einer Weile reicht Löhnitz ein Bauvorhaben nach dem anderen ein, seine Pläne für das Gelände reichen von einer Stellplatzfläche für Wohnmobile bis hin zur Errichtung von Sport- und Familienhostels. Bislang hat der Bezirk noch jeden Vorschlag von Löhnitz abgelehnt. Dieser, so wird vermutet, werde erst abreißen, wenn er eine Genehmigung in der Tasche habe, etwas auf seinem Grundstück errichten zu dürfen. Was immer das am Ende dann auch sein mag.
Beim Streit um das SEZ geht es auch mal wieder darum, ob sich die Stadt Berlin von einem Investor gehörig hat über den Tisch ziehen lassen. Nach der Wende wurde das Spaßbad mit öffentlichen Geldern weiterbetrieben und machte reichlich Verluste. 2001 wurde der Betrieb eingestellt. Zwei Jahre später erwarb eben Löhnitz das SEZ für den symbolischen Betrag. Diverse Auflagen wurden bei der Übergabe vereinbart. Strittig ist dabei vor allem die Frage, in welcher Form der Bäderbetrieb wieder aufzunehmen war. Sogar der Bund der Steuerzahler hat sich immer wieder dafür interessiert. Er meint, Löhnitz habe dabei diesbezüglich Versprechungen nicht eingehalten und die Stadt Berlin würde dies stillschweigend dulden.
Löhnitz wehrt sich inzwischen immer lautstarker gegen derartige Vorwürfe. Seit Kurzem hat er sämtliche Verträge und den Schriftverkehr von damals online gestellt. Stundenlang kann man sich damit beschäftigen, unter anderem findet sich ein Ende 2003 erstelltes Gutachten, das schon damals besagte, dass eine Weiterführung des SEZ so gut wie unmöglich sei, und das einen Abriss nahelegt. Davon, dass Löhnitz dazu verdonnert worden sei, in irgendeiner Form einen Spaßbadbetrieb wieder aufzunehmen, findet sich jedenfalls nichts in den Verträgen. Von einer geforderten Nutzung des SEZ als „Hallenbad“ ist an einer Stelle die Rede. Doch wie ein Hallenbad zu definieren ist, ist nicht ganz klar. Die paar traurigen Planschbecken, auf die man im Inneren des SEZ stößt, tragen zumindest zu einem hallenbadartigen Charakter bei. Wer will, könnte darin auch baden.
Die ganz große Frage ist nun aber, ob Löhnitz mit der Übernahme des SEZ von Beginn an sozusagen einen gewieften Masterplan verfolgt hat, der mit dem Abriss des Gebäudes ein erfolgreiches Ende finden soll. Der Grund, auf dem sich dieses befindet, hat heute einen geschätzten Wert im zweistelligen Millionenbereich.
Besucht man die weiterhin geöffnete Sport- und Freizeitstätte, wird man den Eindruck tatsächlich nicht los, dass es hier nur um eine Zwischenlösung geht. Die Badmintonfelder sind derart verschmutzt, dass man auf diesen nur ungern ausrutschen möchte, um sich auf dem Boden abstützen zu müssen. Die Tür zur Tischtennishalle ist kaputt, man geht durch eine Art Loch in der Wand. Der Bereich, in dem sich früher das Wellenbad befand, ist für den Publikumsverkehr sowieso geschlossen, das ganze obere Stockwerk auch. Angeblich werden die Räumlichkeiten dort für private Veranstaltungen vermietet. Allerdings steht hier, in diesem eigentlich nicht zugänglichen Bereich, überall allerlei Krempel herum und es sieht aus wie ein Lagerhaus, nicht wie eine Tagungsstätte.
Das derzeitige Herz des SEZ sind Räumlichkeiten, in denen eine Mischung aus Saunabetrieb und der notdürftig aufrechterhaltenen Möglichkeit, Badminton, Fußball, Basketball oder Tischtennis zu spielen, angeboten wird. Überall stehen hier unbenutzte Strandkörbe herum, im Dunkeln findet man ein paar Fitnessgeräte, zwischen halberfrorenen und eher braunen denn grünen Palmen kann man sich dem Ballsport widmen. Es ist kalt, weil es schier unmöglich ist, die riesigen Hallen angemessen zu beheizen, und es ist wahnsinnig schummrig, weil wohl auch an der Beleuchtung gespart wird. Man ist versucht zu sagen, so muss es in der DDR gewesen sein. Aber genau das stimmt ja nicht.
Rainer Löhnitz lässt auf der Homepage verbreiten, dass er vorerst weiter in die Sportstätte SEZ investieren werde, und die Dame am Empfang glaubt, ihres Wissens nach werde die Saunalandschaft sogar ausgebaut.
Aber wenn man so durch die düstere Gespensterhalle des SEZ stolpert, glaubt man nicht, dass hier wirklich mit Ernst etwas vorangebracht werden soll. Die Ballstopper zwischen den einzelnen Tischtennisplatten sind allesamt zerfetzt und eine ganze Reihe Fitnessstepper funktioniert nicht, wahrscheinlich weil für diese gerade der Strom abgestellt wurde. Hier im SEZ gehen langsam, aber sicher, die Lichter aus.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
Scholz stellt Vertrauensfrage
Traut mir nicht
Wahlprogramm der Union
Scharfe Asylpolitik und Steuersenkungen
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Künftige US-Regierung
Donald Trumps Gruselkabinett