Einstellung zum Krieg: Nahost liegt nicht in Afrika

Viele Afrikaner wollen sich im Nahost-Krieg nicht mehr positionieren. Denn auf ihre Konflikte schaut die internationale Gemeinschaft ja auch selten.

Ein Wandbild für Frieden zwischen Palestina und Israel in Kapstadt

Ein Wandbild für Frieden zwischen Palästina und Israel in Kapstadt Foto: Esa Alexander/reuters

Wie alle Menschen auf der Welt haben auch Afrikaner im Konflikt zwischen Israel und Palästina, seit es ihn gibt, Partei ergriffen. Bis zum neuesten und andauernden Krieg haben die Staaten Afrikas, die immer noch vom Gefühl der Befreiung aus den Zeiten des Unabhängigkeitskampfes geprägt sind, die Sache der Palästinenser unterstützt.

Viele normale Menschen haben den Konflikt eher durch die religiöse Brille gesehen, da die zwei großen Religionen Afrikas – Christentum und Islam – ihre Wurzeln beide im Nahen Osten haben. Die Christen tendieren zur Unterstützung Israels, oft in der irrigen Annahme, dass auch die Juden sich mit Jesus Christus als Gottessohn identifizieren. Die Muslime sehen den Kampf als religiös und tendieren zur Unterstützung der Palästinenser. Christentum und Islam haben beide den Boden, auch den gedanklichen, für Afrikas Beherrschung durch fremde Mächte bereitet.

Aber die Reaktion auf die neueste Eskalation in Gaza hat nicht vollständig diesen alten, von außen geprägten Mustern entsprochen. Dies könnte teilweise auf die zunehmende Enttäuschung von Afrikanern über fremde Mächte zurückzuführen sein. Deren neokoloniale Tendenzen und unfaire Handelsbeziehungen haben die Armut und die wirtschaftliche Not vergrößert, was sich in einer wachsenden Schuldenkrise manifestiert.

Viele afrikanische Intellektuelle hinterfragen die obsessive Beschäftigung der Welt mit dem Nahostkonflikt, während gleichzeitig über die fürchterlichen Konflikte auf dem afrikanischen Kontinent hinweggesehen wird. Sie verweisen zum Beispiel auf den Konflikt in der Region Darfur in Sudan, wo etwa eine Million Schwarze getötet worden sind, anscheinend als Teil eines Vorhabens, sie von ihrem an natürlichen Reichtümern gesegneten Land zu entfernen.

Die langsame Entdeckung der Geschichte Afrikas

Auf zunehmenden Widerhall stößt in Afrika die Kritik an den Ratschlägen der internationalen, insbesondere der westlichen Gemeinschaft, dass die Afrikaner sich nicht immer über den Kolonialismus und die Sklaverei beschweren, sondern einen Schlussstrich ziehen sollten. Kritisch wird daran gesehen, dass die Welt wegen des 80 Jahre zurückliegenden Holocausts der Juden mit Israel sympathisiert, während die koloniale Ära in Afrika erst in den 1970er Jahren und die südafrikanische Apartheid in den 1990er Jahren endete.

Man kann einigen Westmächten zugutehalten, dass sie davon Notiz nehmen. Der deutsche Präsident Frank-Walter Steinmeier entschuldigte sich neulich in Tansania für die „schändlichen“ Dinge, die Deutschland in dem ostafrikanischen Land zu Beginn des 20. Jahrhunderts anrichtete, bevor es seine Kolonie an Großbritannien verlor. Und nebenan in Kenia entschuldigte sich der britische König Charles für die brutale britische Behandlung kenianischer Widerständler gegen die koloniale Herrschaft in den 1950er Jahren.

Nun entwickeln manche afrikanische Kommentatoren eigenartige Thesen. Sie führen den israelisch-palästinensischen Konflikt auf den Antisemitismus der Europäer und Amerikaner in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zurück und behaupten, Europa und Amerika hätten den Holocaust unterstützt, weil sie vermeiden wollten, ihre Schulden bei den Juden zu zahlen. Sie verweisen auf Versuche vor dem Holocaust, einen jüdischen Staat in Ländern wie Uganda zu gründen, als Nachweis einer Verschwörung, sich der Juden zu entledigen.

Mit den früheren Parteinahmen für Israel oder die Palästinenser hat so etwas nichts mehr zu tun. Immer mehr Afrikaner wollen nicht mehr Partei in Konflikten anderer ergreifen. Afrikas Interessen sind ihnen wichtiger.

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