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Kämpfe in der Region Darfur in SudanDer neue Krieg bringt neues Elend

Kämpfe, Flucht und Plünderungen prägen Sudans Westregion. Der aufständische RSF-Milizenführer Hametti will Darfur der Regierungskontrolle entziehen.

Dichter Rauch über Khartum. Ein Ende des bewaffneten Machtkampfes war am Montag nicht in Sicht Foto: Mahmoud Hjaj/AA/picture alliance

Berlin taz | Während die Kämpfe in Sudans Hauptstadt Khartum zwischen Armee und dem paramilitärischen Verband RSF (Rapid Support Forces) am Montag den dritten Tag andauerten, entwickelt sich auch Sudans Westregion Darfur zum Brennpunkt. Aus allen Provinzhauptstädten Darfurs wurden in den vergangenen Tagen Gefechte gemeldet.

Bereits am Samstagmorgen vermeldete die RSF die Übernahme des Flughafens von El-Geneina, Hauptstadt von Westdarfur. Das Nachbarland Tschad schloss umgehend die nahe Grenze. Zuvor hatten sich aus Westdarfur rund 20.000 Menschen auf die Flucht Richtung Tschad gemacht, nachdem Kämpfe zwischen Milizen im Ort Foro Baranga die Verhängung des Ausnahmezustandes ab dem 10. April erzwungen hatten. In Foro Baranga wird auch jetzt wieder gekämpft.

Aus Norddarfurs Hauptstadt El-Fasher berichteten Ärzte, sie hätten zahlreiche Leichen von den Straßen eingesammelt. Am Samstagabend wurden in Kabkabiya, das entlang der Straße von El-Fasher nach El-Geneina liegt, drei Mitarbeiter des UN-Welternährungsprogramms WFP getötet. Die RSF griff den von der Armee geschützten UN-Konvoi an, als dieser in die Stadt zurückkehrte. In Reaktion suspendierte das WFP in ganz Sudan seine Arbeit.

In Süddarfurs Hauptstadt Nyala ordnete die Armee am Sonntag die Evakuierung mehrerer Stadtviertel an, um freies Schussfeld gegen die RSF am Flughafen zu haben. „Die Armee hat die Bewohner der meisten Nachbarschaften der Stadt gebeten, ihre Wohnviertel zu verlassen und sichere Gebiete aufzusuchen“, erklärte der Dachverband der „Widerstandskomitees“ der sudanesischen Demokratiebewegung in Nyala. Berichten zufolge wurden Märkte, Krankenhäuser und UN-Einrichtungen geplündert.

Hametti will Darfur die Regierungskontrolle entziehen

Darfur ist Konfliktgebiet, seit vor zwanzig Jahren nichtarabische Volksgruppen in den Aufstand traten und Sudans Militärregierung darauf mit einem Terrorfeldzug antwortete, der Hunderttausende Tote und mehrere Millionen Vertriebene zur Folge hatte. Speerspitze des Staatsterrors war die arabische Reitermiliz Dschandschawid, aus der die von General Hamdan Daglo Hametti kommandierte RSF hervorging, die sich jetzt mit ihrem Aufstand der Eingliederung in das Militär widersetzt.

Ein Drittel der 45 Millionen Einwohner Sudans leiden laut WFP an Unterernährung, ein Rekordwert.

Der Gründer der Dschandschawid, Musa Hilal, ist ein Widersacher Hamettis und unterstützt heute die Regierung. Hametti aber führt die RSF und will Darfur der Regierungskontrolle entziehen.

Auch auf die Nachbarländer strahlt dieser Konflikt aus. Musa Hilals Tochter ist die Ehefrau des 2021 verstorbenen tschadischen Langzeitherrschers Idriss Déby, dessen Sohn Mahamat Déby heute Tschad regiert. Hametti hingegen hat gute Kontakte zu tschadischen Rebellen. In der Zentralafrikanischen Republik unterstützt Hametti die Regierung von Präsident Faustin-Archange Touadéra: Beide gelten als Verbündete und Geschäftspartner der russischen Wagner-Söldnertruppe in deren Goldhandel. Sudans Regierung hingegen ist mit zentralafrikanischen Rebellenführern wie Noureddine Adam und seiner „Koalition der Kräfte für den Wandel“ (CPC) liiert, die Krieg gegen Wagner führt.

Für Darfur bedeutet der neue Konflikt neues Leid. Ein Drittel der 45 Millionen Einwohner Sudans leiden laut WFP an Unterernährung, ein Rekordwert. In Nyala waren die Hirsepreise im Februar mehr als doppelt so hoch wie ein Jahr zuvor, trotz guter Ernten 2022. Dieses Jahr erwarten Experten einen Ernterückgang. „Die meisten Haushalte werden ihren Lebensmittelbedarf nicht decken können, akute Unterernährung dürfte sich ausbreiten“, warnte das Frühwarnnetzwerk Fewsnet vor Kurzem in einer Prognose für Süddarfur für die Zeit ab Juni – erstellt vor dem neuen Krieg.

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