Einschüchterung von Jour­na­lis­t:in­nen: Bunt gegen „Zionistische Presse“

Auf einem alternativen CSD in Berlin sind Jour­na­lis­t:in­nen bedrängt worden. Pressearbeit sei nur mit Polizeischutz möglich gewesen.

Socken in Regenbogenfarben

Eingeschränkte Sicht: Gesichter sollten nicht fortografiert werden Foto: Spicker/AdoraPress

Bei einer queeren Kundgebung am Samstag in Berlin sollen Ord­ne­r*in­nen versucht haben, Presseleute einzuschüchtern. Das sagt die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union (DJU) in der Gewerkschaft Verdi, deren Landesgeschäftsführer Jörg Reichel selbst vor Ort war. Reichel spricht gegenüber der taz von „versuchter Nötigung“ anwesender Fo­to­gra­f*in­nen und Journalist*innen. Im Verlauf der Demo sei Pressearbeit nur mit Polizeischutz möglich gewesen. Die Presseleute seien von einem Ordner per Megafon als „Zionistische Presse“ ausgerufen worden in der Absicht, Stimmung gegen sie zu erzeugen.

Die Kundgebung „Wir sind hier und wir sind queer – in jeder Farbe, Größe und Form …“ lief am Samstag ab 17 Uhr vom Hermannplatz in Berlin-Neukölln nach Kreuzberg. Es handelte sich um eine parallele Veranstaltung zum großen „Christopher Street Day“, der zeitgleich stattfand. Aufgerufen zur Kundgebung hatte ein Bündnis unter anderem von „Migrantifa“, der Israel-Boykott-Kampagne „BDS Berlin“ und dem Verein „Palestine Speaks“. Einige Tausend Menschen nahmen teil.

Unmittelbar vor Beginn hätten einige Personen aus dem Umfeld der Demo-Anmelder*innen die anwesenden Presseleute gezielt angesprochen, Presseausweise verlangt und die Fo­to­gra­f*in­nen aufgefordert, Porträtfotos zu unterlassen. Zudem hätten sie die Pres­se­ver­tre­te­r*in­nen gefragt, für wen sie arbeiteten. DJU-Geschäftsführer Reichel gibt an, diese Ansprachen seien „relativ ruppig“ ausgefallen, bedrängend, allerdings ohne körperliche Übergriffe. Reichel kritisiert vor allem die Frage nach den Auftraggeber*innen. „Presserecht steht allen zu, unabhängig davon, für wen sie arbeiten.“

Im weiteren Verlauf sollen die Ord­ne­r*in­nen versucht haben, die Jour­na­lis­t*in­nen zu fotografieren. Eine Journalistin sei dabei von einer kniehohen Mauer geschubst worden und in jemanden reingefallen. Anschließend hätten Ord­ne­r*in­nen wiederholt versucht, Teilnehmende lautstark zu informieren, dass „zionistische Presse“ anwesend sei.

Ordner festgenommen

„Man hat die Presse markiert“, sagt Reichel, „und der Effekt war, dass die Presse nicht mehr frei arbeiten konnte“. Unterstützung der Polizei sei daher nötig geworden. „Anmelder*innen von Demos sollten nicht entscheiden, wer erwünschter Journalist und nicht erwünschter Journalist ist“, sagt Reichel. Die Ord­ne­r*in­nen hätten jedoch zu keiner Zeit zur Gewalt aufgerufen. Pressefeindliche Stimmung und das gezielte Herausheben von Presseleuten bei Demos sind bisher vorwiegend als Strategien des rechten und des Querdenker-Milieus bekannt. Man habe es aber in Berlin vereinzelt schon mit Behinderung der Presse bei propalästinensischen Demos zu tun gehabt, sagt Reichel.

Ein Ordner, der maßgeblich die Ansprachen gegenüber Jour­na­lis­t*in­nen angeführt habe, sei zwischenzeitlich aufgefordert worden, dies zu unterlassen. Im Verlauf der Demo wurde der betreffende 42-jährige Mann laut einer Pressemitteilung der Berliner Polizei vom Sonntag festgenommen. Daraufhin hätten zunächst 50 bis 80 De­mons­tran­t*in­nen die Festnahme zu verhindern versucht, indem sie das Fahrzeug, in das der Mann verbracht wurde, blockierten. Anschließend, so die Polizei, habe man 300 Personen durch „Schieben und Drücken“ daran gehindert, das Fahrzeug zu umstellen.

Auf eine Nachfrage der taz am Montagvormittag zu den konkreten Vorfällen gegenüber Pres­se­ver­tre­te­r*in­nen erbat die Berliner Polizei um 24 Stunden Zeit zur Beantwortung. Die Demo-Veranstalterin „BDS Berlin“ war am Montag nicht für eine Stellungnahme zu erreichen.

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