Einschnitte beim Bürgergeld: Passt zur Linie der Ampel
Die Sparpolitik der Koalition trifft mitnichten die vermeintlich oder tatsächlich Faulen. Sie bestraft sogar besonders fleißige Arme.
H ubertus Heil hat seinen Job so professionell wie unanständig erledigt. Die Einschnitte beim Bürgergeld, die in diesen Tagen ihren formellen Weg durch die Regierung gehen, machte der Arbeitsminister in der Bild öffentlich. Den Fokus legte er dabei gezielt auf die erste Hälfte seines Pakets: Wer Jobangebote ablehnt, soll künftig zwei Monate lang kein Geld mehr bekommen. „Jetzt geht es Faulpelzen an den Kragen“, schrieb die Zeitung in exakt dem Duktus, den sich der SPD-Politiker wohl erhofft hatte.
Denn auch wenn sich gegen die Maßnahme sachlich viel einwenden ließe – dass Sanktionen zum Beispiel immer auch die Falschen treffen und selbst die Richtigen in diesem Land nicht hungern sollten: Mit seiner Kommunikationsstrategie stellt Heil sicher, dass die Kürzungen ohne große Widerstände durchgehen werden. Das Faulpelz-Ressentiment trifft perfekt die Stimmung, die von rechts den ganzen Herbst über so hartnäckig wie erfolgreich gegen Arbeitslose geschürt wurde.
Hinten runter fällt derweil sowohl bei Heil als auch in der Berichterstattung der zweite Teil des Sparpakets: Die Ampel streicht den Bürgergeld-Bonus, den sie erst im Sommer eingeführt hat. 75 Euro zusätzlich pro Monat bekommen seitdem Menschen, die sich für den Arbeitsmarkt qualifizieren, indem sie zum Beispiel Sprachkurse oder Weiterbildungen absolvieren. Von „Maßnahmen, die für eine nachhaltige Integration von besonderer Bedeutung sind“, sprach die Regierung damals in der Gesetzesbegründung.
Mit gutem Grund verkündet sie die Abschaffung jetzt nur nebenbei. Die Streichung zeigt schließlich: Die Sparpolitik, zu der sich die Koalition nach dem Karlsruher Haushaltsurteil entschlossen hat, trifft im Bereich der Sozialpolitik mitnichten gezielt die vermeintlich oder tatsächlich Faulen. Sie trifft genauso ganz normale und sogar besonders fleißige Arme, bestraft gewünschtes Verhalten (fit machen für gute Jobs) genauso wie unerwünschtes (Arbeitsangebote ausschlagen). Traurigerweise handelt die Ampel damit sogar konsequent: Eine rote Linie verfolgt sie schließlich auch in den Sparplänen anderer Ressorts nicht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Christian Lindner
Die libertären Posterboys
Israel, Nan Goldin und die Linke
Politische Spiritualität?
Comeback der K-Gruppen
Ein Heilsversprechen für junge Kader
Machtkämpfe in Seoul
Südkoreas Präsident ruft Kriegsrecht aus
Prozess gegen Letzte Generation
Wie die Hoffnung auf Klimaschutz stirbt
Olaf Scholz’ erfolglose Ukrainepolitik
Friedenskanzler? Wäre schön gewesen!