Einigung über Braunkohletagebau Turów: Polen und Tschechen einig über Mine
Tschechien fürchtete wegen des Tagebaus Turów um seine Trinkwasserversorgung. Die Regierung in Warschau hofft nun auf Ende des EuGH-Prozesses.
Am Ende verklagte Tschechien Polen vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg. Es kam zur vorläufigen Richteranordnung, dass Polen den Tagebau bis zum endgültigen Urteil stoppen müsse. Polen weigerte sich, dies zu tun, was zu einem täglich anfallenden Strafgeld in Höhe von einer halben Million Euro führte. Die rasch auf eine zweistellige Millionensumme wachsende Strafe wollte Polen auch auf keinen Fall zahlen. Die Regierung, die seit 2015 von der nationalpopulistischen Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) gestellt wird, verhandelte die ganze Zeit mit Tschechien, das allerdings nach Neuwahlen ein neues Kabinett erhielt. Ziel war es, zu einer Einigung zu kommen, sodass die Regierung in Prag die Vertragsverletzungsklage zurückziehen würde.
Die Situation wirkte umso dramatischer, als am gleichen Tag, an dem Morawiecki ins Flugzeug nach Prag stieg, der Generalanwalt Priit Pikamäe im EuGH in Luxemburg seinen Schlussantrag stellte. Seiner Ansicht nach habe Polen „dadurch gegen Unionsrecht verstoßen, dass es die Genehmigung für den Abbau von Braunkohle im Tagebau Turów ohne Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung um sechs Jahre verlängert hat“. Damit gibt der Generalanwalt Tschechien recht. Das Land hatte beanstandet, dass es bei einem Weiterbetrieb und einer Ausdehnung des Tagebaus Turów bis nahe an die Grenze Tschechiens zu erheblichen Umweltschäden kommen könnte. Schon in den letzten Jahren war der Grundwasserspiegel gesunken, die Brunnen in Grenznähe ausgetrocknet und Risse in Häuserwänden aufgetaucht.
Im Januar 2020 hatte der Direktor für Umweltschutz der Region Wrocław (Breslau) dem Betreiber des Tagebaus die Umweltverträglichkeitsprüfung bestätigt und dem ganzen Verfahren einen „beschleunigten“ Charakter gegeben. Nur zwei Monate später – im März 2020 – verlängerte dann Polens Klimaminister die Betriebserlaubnis für den Tagebau Turów bis 2026. Berufen konnte sich der Minister auf ein 2018 erlassenes Gesetz, das es erlaubte, einen Braunkohleabbau einmalig um sechs Jahre ohne Umweltverträglichkeitsprüfung zu verlängern, wenn dies mit einer „rationellen Bewirtschaftung des Kohlevorkommens und ohne Erweiterung des Umfangs der Genehmigung“ begründet werde.
Muss Polen Strafe zahlen?
Tschechien warf Polen vor, dass es schon mit diesem Gesetz von 2008 und dann mit der Genehmigung für den Weiterbetrieb des Tagebaus gleich mehrfach gegen Unionsrecht verstoßen habe. Im September 2020 bat Tschechien die Europäische Kommission in Brüssel um eine Stellungnahme, wollte aber auch mit Polen ins Gespräch kommen und den Streit außergerichtlich beilegen. Als die Kommission Tschechien recht gab, Polen aber nicht bereit war, eine Umweltschutzprüfung durchzuführen oder mit Tschechien eine Begrenzung der Umweltschäden auszuhandeln, zog Tschechien vor Gericht.
Im späteren Urteil, das erst in einigen Monaten erwartet wird, müssen sich die Richter nicht dem Gutachten des Generalanwalts anschließen. Sie tun dies aber oft. Nach der Vertragsunterzeichnung in Prag hofft nun allerdings Morawiecki, dass Prag die Klage zurückzieht und der Fall in Luxemburg ad acta gelegt werden kann. Offen ist, ob Polen die dann bereits aufgelaufenen Strafgelder noch an die Kasse der Europäischen Kommission zahlen muss.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen