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Einigung in DschiddaRechnung ohne Putin

Bernd Pickert
Kommentar von Bernd Pickert

Die Zickzack-Diplomatie des US-Präsidenten passt zum ursprünglichen Plan von Keith Kellogg. Bleibt für Trump nur noch, die Russen zu überzeugen.

Donald Trumps Strategie gegenüber Russland ist völlig unklar. Foto vom Juni 2019 Foto: Susan Walsh/ap

F ast einen Monat lang hat die US-Regierung unter Donald Trump alles unternommen, um der Ukraine deutlich zu machen, dass sie sich nicht auf die USA verlassen kann. Von der Beschimpfung Wolodymyr Selenskyjs als „Diktator“ bis zum Rauswurf aus dem Weißen Haus und der Aussetzung der US-Militärhilfe war alles dabei. Nehmen wir einmal an, dass Donald Trump nicht, wie es den Anschein hatte, seine neue Allianz mit Wladimir Putin besiegeln wollte, sondern dass es sich um Trumps rumpelnde Art der Verhandlungsführung handelte.

Dann hätte er damit – und mit der am Dienstag zwischen den USA und der Ukraine erreichten Übereinkunft – die eine Seite des vor knapp einem Jahr formulierten Plans seines Ukrainebeauftragten Keith Kellogg abgearbeitet. Durch die Drohung, ihr die Unterstützung zu entziehen, so hieß es darin, sollte die Ukraine gezwungen werden, den Kampf aufzugeben. Ist es das, was wir in den letzten Wochen erleben?

Jetzt sei Russland am Zug, seinerseits den Waffenstillstand zu akzeptieren, heißt es aus Washington. Das wäre die zweite Seite des Kellogg-Plans. Die darin vorgesehene Drohung an Russland bestand in einer Verschärfung der Sanktionen und einer massiven Aufrüstung der Ukraine in nie dagewesenem Umfang, sollte sich Russland nicht auf einen Waffenstillstand und Verhandlungen einlassen wollen. Bislang gibt es keine Anzeichen, dass Russland darüber auch nur nachdenkt.

Will Trump irgendeine Art von Glaubwürdigkeit haben, muss er jetzt auch Moskau gegenüber zeigen, dass er es ernst meint. Selbst wenn es aber zu dem geforderten 30-tägigen Waffenstillstand käme – was dann? In der knappen Erklärung von Dschidda steht nichts darüber, ob, wie oder von wem rund 1.000 Kilometer Frontlinie überwacht werden könnten. Eine künftige Präsenz europäischer Truppen hat Russland abgelehnt.

Moskau bleibt eigenen Kriegszielen treu

Und es ist kaum vorstellbar, dass Russland die anderen Forderungen der Erklärung erfüllt, etwa die Rückführung der Tausenden verschleppten ukrainischen Kinder. Russland hat auch nie seine eigenen Kriegsziele abgeschwächt, die Ukraine zu „demilitarisieren“ und zu „entnazifizieren“ – kurz: die Ukraine durch einen wehrlosen Staat mit einer willfährigen Regierung zu ersetzen.

Trump hat die Ukraine zur Aufgabe ihrer berechtigten Positionen erpresst – der Beweis, dass er es auch schafft, Russland von seinen verbrecherischen Positionen abzubringen, steht noch aus. Genauer: der Beweis, dass er das überhaupt will. Die ersten Reaktionen aus Europa auf den angeblichen „Durchbruch“ in Dschidda waren Erleichterung. Das ist einerseits verständlich, hatten die letzten Wochen doch alle europäischen Schwachstellen in Großaufnahme offenbart und gezeigt, dass Europa nicht in der Lage wäre, den Wegfall der US-Unterstützung für die Ukraine zu kompensieren.

Die Einigung von Dschidda bedeutet da eine kleine Atempause. Von dem Ziel aber, einem brutalen Aggressor die Grenzen aufzuzeigen, scheint die Welt gerade noch ein wenig weiter entfernt.

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Bernd Pickert
Auslandsredakteur
Jahrgang 1965, seit 1994 in der taz-Auslandsredaktion. Spezialgebiete USA, Lateinamerika, Menschenrechte. 2000 bis 2012 Mitglied im Vorstand der taz-Genossenschaft, seit Juli 2023 im Moderationsteam des taz-Podcasts Bundestalk. Bluesky: @berndpickert.bsky.social In seiner Freizeit aktiv bei www.geschichte-hat-zukunft.org
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13 Kommentare

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  • SPON berichtet: "Russland lehnt die Waffenruhe jetzt ab: Putins außenpolitischer Sprecher sieht diese als »Atempause für die Ukraine«. " - und eine Atempause für einen überfallenen Staat geht natürlich nicht.

  • Man kann davon ausgehen, dass Trump die Ukraine verraten wird. Es geht ihm nicht um den Frieden oder Europa, sondern nur um seinen eigenen Profit. Mit Europa wird er nicht reicher, mit Putin schon.

  • Europa ist gut beraten, weiter so zu handeln, als ob die USA raus wären, anstatt sich womöglich zurückzulehnen. Immerhin ist die jetzige Situation ein Zeitgewinn, und bei Trump kann man nie wissen. Wenn er sich nur für Rohstoffe interessiert, kann er die genauso gut (wenn nicht besser) gleich bei den Russen einkaufen.

  • Warum sollte Moskau jetzt einem bedingungslosen temporären Waffenstillstand zustimmen, der nur dazu genutzt wird, die derzeit im Zusammenbruch befindliche ukrainische Armee wieder aufzubauen und dann den Krieg weiterzuführen?



    Denn Russlands Hauptziel, die NATO aus der Ukraine rauszuhalten, ist in keinem Wort bisher erfüllt.



    Und solange bei diesem Thema nichts handfestes auf dem Tisch liegt, wird Russland keiner Feuerpause zustimmen.

    • @TeeTS:

      "Denn Russlands Hauptziel, die NATO aus der Ukraine rauszuhalten, ...."



      Ich weiß nicht, wie oft man diese Propagandabehauptung der hiesigen Putinvertreter eigentlich noch widerlegen muss. Russland hat seine Forderungen ja nun oft genug wiederholt: Abtretung der eroberten Oblaste, Absetzung der "faschistischen" Regierung in Kiew, massive Abrüstung der ukrainischen Armee (damit es beim nächsten Einmarsch nicht schon wieder eine unangenehme Überraschung gibt).



      Ansonsten gerne zum Mitmeißeln: Die Ukraine war vor dem russischen Überfall nicht Mitglied der NATO, ist es nicht und hatte und hat auch nicht die geringste Chance darauf. Denn für letzteres sorgt allein schon Putins bewährter Handlanger in NATO und EU Viktor Orban

    • @TeeTS:

      Was soll denn da noch handfesteres auf dem Tisch liegen? Die Aussage von Trump ist doch schon eindeutig, und das die Nato keine Mitglied aufnimmt, welches sich in einem Konflikt befindet ist doch auch eindeutig.



      Aber vielleicht sollte Trump noch etwas nachlegen. Hauptziel für Frieden muß sein, das die Ukraine keine militärische Verbindung mit Nazi-Russland eingeht.

    • @TeeTS:

      Hab ich was nicht mitbekommen? Mein letzter Stand: Ukraine nicht in der NATO, letzter Aussage von Trump: "kann Mitgliedschaft vergessen"

    • @TeeTS:

      Die Frage ist, ob es stimmt, dass das Putins Hauptziel ist.

      Immerhin wurde ihm das bereits mehrfach angeboten.

      Zudem verbrüderte er sich gerade mit dem Chef des maßgeblichen NATO-Staates und bot ihm die Ausbeutung von Ressourcen im russisch eroberten Gebiet an.

  • Die UN kommt in den Überlegungen gar nicht mehr vor.

  • So ist es. Jetzt müssen entweder die Russen, oder ansonsten die Amis „liefern“. Bin mail gespannt, wie der GröFaZ im Weißen Haus seinen Buddy im Kreml auf Linie bringen will.

  • Ich muss gestehen, dass ich die Vorgehensweise der US-Regierung einigermaßen konsistent finde (auch wenn es nach außen hin zick-zack scheinen mag). Zuerst diejenige Konfliktpartei einfangen, die direkt von den USA abhängig ist. Dann der anderen Konfliktpartei ein Angebot machen, das sie schwer ablehnen kann. Die Wahl des Verhandlungsortes mag symbolisch sein für den Hebel, den Trump gegen Putin hat: Wenn der Ölpreis unter 40 $ gedrückt würde und eine Weile dort bliebe, könnte Putin den Krieg nicht fortsetzen. Das wäre dann sowas wie Frieden schaffen ohne Waffen.

  • Aber genau dieser Teil des Plans scheint möglicherweise intendiert, ob die USA die Kraft haben diesen Teil durchzusetzen ist die entscheidende Frage. Oder, ob sie durch die brachiale Diplomatie und angekündigte Aufrüstung der Ukraine um RUS zu puschen einen Krieg vom Zaun brechen, das ist jetzt die entscheidende Frage

  • Sehr guter Kommentar! Danke!