Eingebrochene Küstenautobahn: Auf ein Neues im Moor

Still und fast heimlich wurde die Sperrung der Autobahn bei Tribsees aufgehoben. Am Sonntag „feiern“ Ak­ti­vis­t:in­nen die Wiedereröffnung.

Das abgesackte Autobahnteilstück der A20 an der Trebeltalbrücke bei Tribsees (Mecklenburg-Vorpommern) wird am 10.10.2017 von Fachleuten begutachtet

So sah das aus: die abgesackte A20 im Jahr 2017 Foto: Bernd Wüstneck/dpa

TRIBSEES taz | Seit dem Sommer rollt der Autoverkehr wieder auf der Autobahn 20 bei Tribsees in Mecklenburg-Vorpommern. Still und heimlich, ohne Pomp, war die sechsjährige Sperrung aufgehoben worden, in der die Ingenieurskunst sichergestellt haben soll, dass der Abschnitt nicht noch einmal im Moor versinkt und ein 100 Meter langes Loch den Kampf zwischen Mensch und Natur verbildlicht. Nun sind es immerhin Umwelt- und Klimaschützer:innen, die an diesem Sonntag auf das Ende der irrsinnigen Reparatur mit einer „moorigen Straßenparty“ an dieser Autobahn hinweisen wollen – und dazu noch herzliche Grüße nach Niedersachsen schicken, wo sich die „Küstenautobahn“ eines Tages ebenfalls mitten durch Moore ziehen soll.

Schlappe 180 Millionen Euro hat es gekostet, die zuvor wenig befahrene A20 durchs Trebeltalmoor wieder zu reparieren. Die war vor sechs Jahren erst auf einer Fahrbahn Stück für Stück, genauer gesagt um bis zu zwei Zentimeter pro Tag abgesackt, ehe ein Teil des Bauwerks zusammenbrach. Da war der Krater noch 40 Meter lang und 10 Meter breit, einige Wochen später war er 100 Meter lang und zog auch die Gegenfahrbahn zweieinhalb Meter mit hinunter in den moorigen Untergrund. Ursache war der Bruch mehrerer Säulenreihen unter der Fahrbahn.

„Das hat gezeigt: Moore sind keine Gegenden, in denen Autobahnen gebaut werden sollen“, sagt die Aktivistin Emily, die mit dem örtlichen „Moorbündnis“ den Aktionstag auf der Autobahn organisiert: Exkursionen ins umliegende Moor soll es geben, als Moorfrösche verkleidet wollen die Ak­ti­vis­t:in­nen auf das Moor als schützenswertes Biotop hinweisen, und wenn der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) zur gemeinsamen Anreise aus Greifswald zum lange gesperrten Autobahnabschnitt radelt, soll das auch eine Mahnung sein, dass das zur Reparatur eingesetzte Geld besser in den Ausbau des ÖPNV geflossen wäre.

„Wir haben hier in Mecklenburg-Vorpommern zwei Dinge im Übermaß: kaputte Moore und kaputten öffentlichen Nahverkehr“, sagt Emily. Und auch wenn die A20 bei Tribsees nun wieder befahren wird, wollen die Ak­ti­vis­t:in­nen auf das nördliche Niedersachsen verweisen: Dort soll schließlich die A20 auf rund 120 Kilometern Richtung Niederlande weitergebaut werden. Doch da sie dort etwa zur Hälfte durch Moor- und Marschböden führen soll, wären wie bei Tribsees weitere Biotope zerschnitten.

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Bundesverkehrsminister mag lieber Neues

Zwar ist in Niedersachsen noch kein Meter der Autobahn gebaut worden, doch derzeit stehen die Chancen schlecht, dass die Politik das Projekt noch kippt: Für das Bundesverkehrsministerium ist der Neubau „vordringlicher Bedarf“, steht also ganz oben in der Prioritätenliste. Und auch letztinstanzlich vor Gericht hatten die niedersächsischen Au­to­bahn­geg­ne­r:in­nen zuletzt kaum Erfolg: Zwar darf zunächst ein erstes Stück der A20 nicht gebaut werden. Dass dafür Moore zerstört würden, sei allerdings kein Grund, den Neubau abzusagen.

Das Bundesklimaschutzgesetz, das unter solchen Voraussetzungen die Fertigstellung der A20 verhindert hätte, existierte schlicht noch nicht, als die Planung losging.

Drum spielt es auch keine Rolle, dass Moore und Marschböden zu den größten CO₂-Speichern gehören – werden sie zerstört, würden sie allein auf den ersten beiden Bauabschnitten in Niedersachsen insgesamt 450.000 Tonnen CO₂ freisetzen, wie der BUND beklagt.

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