Ein Kardinal auf wirren Abwegen: Angekommen im braunem Milieu
Einst war Gerhard Ludwig Müller einer der Top-Männer in der katholischen Kirche. Jetzt warnt der Kardinal vor einer vermeintlichen Weltverschwörung.
Das obskure Schreiben raunt unter anderem, man habe Grund zu der Annahme, „dass es Kräfte gibt, die daran interessiert sind, in der Bevölkerung Panik zu erzeugen. Auf diese Weise wollen sie dauerhaft Formen inakzeptabler Freiheitsbegrenzung und der damit verbundenen Kontrolle über Personen […] durchsetzen. Diese illiberalen Steuerungsversuche sind der beunruhigende Auftakt zur Schaffung einer Weltregierung, die sich jeder Kontrolle entzieht.“ Ferner werde gemunkelt von einer „Einmischung von fremden Mächten“ und „unklaren Absichten supranationaler Einheiten“ – Experten der Antisemitismusforschung klingen bei solchen Sätzen schnell die Ohren.
Dass Müller nun endgültig in das latent braune Milieu der Verschwörungstheoretiker und Aluhut-Träger abgerutscht ist, verwundert kaum, entbehrt aber auch nicht einer gewissen Tragik. Denn der 1947 im heutigen Mainz geborene Theologe galt in seinen frühen Jahren als einigermaßen weltoffener, vernünftiger und liberaler Mann – davon zeugt Müllers langjährige Freundschaft zu dem peruanischen Theologen Gustavo Gutiérrez, der der linken Theologie der Befreiung ihren Namen gab und sie mit begründete.
Spätestens aber in seiner Zeit als Bischof von Regensburg von 2002 bis 2012 und in den folgenden fünf Jahren als Chef der Kongregation für die Glaubenslehre im Vatikan profilierte sich Müller als irrationaler Hardliner am rechten Rand der Kirche Roms.
Verrammelt in der ideologioschen Wagenburg
Joseph Ratzinger, der deutsche Papst Benedikt XVI., förderte während seines Pontifikats den tiefschwarzen Flügelmann – und dass Ratzinger seit seinem Rücktritt vor sieben Jahren offenbar ebenfalls immer mehr Verschwörungstheorien à la Müller anhängt, zeigte der Papa emeritus jüngst in einem Buch. Darin erklärte Ratzinger, Kirche und Papsttum seien durch eine „weltweite Diktatur von scheinbar humanistischen Ideologien“ bedroht und die moderne Gesellschaft dabei, „ein antichristliches Credo zu formulieren“.
Seitdem Papst Franziskus Kardinal Müller 2017 de facto gefeuert hat, verrammelt er sich zunehmend in einer ideologischen Wagenburg der Entmachteten und Beleidigten, die die liberalen Gesellschaften schlicht als Feind sehen. Nun reicht es selbst den deutschen Bischöfen: Sie distanzierten sich öffentlich von Müllers Wahnideen, ein einmaliger Vorgang.
Am deutlichsten kritisierte der Essener Generalvikar Klaus Pfeffer das irre Schreiben von Müller und Co. Pfeffer erklärte: „Dem muss widersprochen werden! Mit Jesus Christus, auf den sich die Unterzeichner berufen, haben derart wirre Thesen, die Ängste schüren, Schwarz-Weiß-Denken verfolgen, üble Feindbilder zeichnen und das Miteinander in unseren Gesellschaften vergiften, nichts zu tun.“
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