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Ein Kardinal auf wirren AbwegenAngekommen im braunem Milieu

Einst war Gerhard Ludwig Müller einer der Top-Männer in der katholischen Kirche. Jetzt warnt der Kardinal vor einer vermeintlichen Weltverschwörung.

Kardinal Gerhard Ludwig Müller: ein irrationaler Hardliner am rechten Rand der katholischen Kirche Foto: Alessandra Tarantino/ap

Berlin taz | Gerhard Ludwig Müller, einst einer der Top-Männer der katholischen Weltkirche, hat schon viele Böcke geschossen – das aber dürfte sein kapitalster sein: Mit anderen reaktionären Kirchenfürsten (allerdings eher der zweiten Reihe) hat der Kardinal einen Aufruf unterschrieben, der die Coronakrise nutzt, um krudeste Weltverschwörungstheorien zu verbreiten.

Das obskure Schreiben raunt unter anderem, man habe Grund zu der Annahme, „dass es Kräfte gibt, die daran interessiert sind, in der Bevölkerung Panik zu erzeugen. Auf diese Weise wollen sie dauerhaft Formen inakzeptabler Freiheitsbegrenzung und der damit verbundenen Kontrolle über Personen […] durchsetzen. Diese illiberalen Steuerungsversuche sind der beunruhigende Auftakt zur Schaffung einer Weltregierung, die sich jeder Kontrolle entzieht.“ Ferner werde gemunkelt von einer „Einmischung von fremden Mächten“ und „unklaren Absichten supranationaler Einheiten“ – Experten der Antisemitismusforschung klingen bei solchen Sätzen schnell die Ohren.

Dass Müller nun endgültig in das latent braune Milieu der Verschwörungstheoretiker und Aluhut-Träger abgerutscht ist, verwundert kaum, entbehrt aber auch nicht einer gewissen Tragik. Denn der 1947 im heutigen Mainz geborene Theologe galt in seinen frühen Jahren als einigermaßen weltoffener, vernünftiger und liberaler Mann – davon zeugt Müllers langjährige Freundschaft zu dem peruanischen Theologen Gustavo Gutiérrez, der der linken Theologie der Befreiung ihren Namen gab und sie mit begründete.

Spätestens aber in seiner Zeit als Bischof von Regensburg von 2002 bis 2012 und in den folgenden fünf Jahren als Chef der Kongregation für die Glaubenslehre im Vatikan profilierte sich Müller als irrationaler Hardliner am rechten Rand der Kirche Roms.

Verrammelt in der ideologioschen Wagenburg

Joseph Ratzinger, der deutsche Papst Benedikt XVI., förderte während seines Pontifikats den tiefschwarzen Flügelmann – und dass Ratzinger seit seinem Rücktritt vor sieben Jahren offenbar ebenfalls immer mehr Verschwörungstheorien à la Müller anhängt, zeigte der Papa emeritus jüngst in einem Buch. Darin erklärte Ratzinger, Kirche und Papsttum seien durch eine „weltweite Diktatur von scheinbar humanistischen Ideologien“ bedroht und die moderne Gesellschaft dabei, „ein antichristliches Credo zu formulieren“.

Seitdem Papst Franziskus Kardinal Müller 2017 de facto gefeuert hat, verrammelt er sich zunehmend in einer ideologischen Wagenburg der Entmachteten und Beleidigten, die die liberalen Gesellschaften schlicht als Feind sehen. Nun reicht es selbst den deutschen Bischöfen: Sie distanzierten sich öffentlich von Müllers Wahnideen, ein einmaliger Vorgang.

Am deutlichsten kritisierte der Essener Generalvikar Klaus Pfeffer das irre Schreiben von Müller und Co. Pfeffer erklärte: „Dem muss widersprochen werden! Mit Jesus Christus, auf den sich die Unterzeichner berufen, haben derart wirre Thesen, die Ängste schüren, Schwarz-Weiß-Denken verfolgen, üble Feindbilder zeichnen und das Miteinander in unseren Gesellschaften vergiften, nichts zu tun.“

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8 Kommentare

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  • Was die TAZ mit diesem Artikel tut, ist genau das, was sie anderen vorwirft: sie hetzt gegen einen Kardinal. Bevor auch nur ein zugkräftiger Beleg für "braunes" Gedankentum auf den Tisch gelegt wird, ist der Mann schon als zum braunen Milieu gehörig abgeurteilt. Alles was er getan hat, und was auch ich kritisch sehe, ist, ein zweifelhaftes Papier mit seinem Namen zu unterstützen. 

    [...] Gekürzt. Bitte beachten Sie die Netiquette. Die Moderation

  • Hat er vielleicht vom Opus Dei geflüstert bekommen, der rechtsradikale Zweig der KK, Zentrale in Spanien, Pamplona und wie eine Krake in der Welt unterwegs. Man könnte fast meinen (hüstel) WEltherrschaft... aber nein, das sind ja noch die Scientologen, die Mormonen und viele andere mächtige Netzwerke und Seilschaften, die zum Glück alle in Konkurrenz stehen. Daher wird das nichts mit der Weltherrschaft, Leute. Das schafft nur der japanische Knöterich. Echt jetzt.

  • „Dem muss widersprochen werden! Mit Jesus Christus, auf den sich die Unterzeichner berufen, haben derart wirre Thesen, die Ängste schüren, Schwarz-Weiß-Denken verfolgen, üble Feindbilder zeichnen und das Miteinander in unseren Gesellschaften vergiften, nichts zu tun.“

    Ist korrekt. Nur hat auch die KK an sich - meiner bescheidenen Meinung nach - nicht viel mit Jesus Christus zu tun. Ein patriarchales Machtgefüge wie jedes andere auch, voller Intrige, Gier und Mißbrauch.

  • the who: hope i die before get old ...

    noch bin ich (58) jung genug um nicht zu verstehen, was mit alten Männern passiert - aber ich sehe mit Sorge (um mein Seelenheil), dass Zahnausfall und Impotenz nicht das Schlimmste ist.

    Die Reihe der im Alter abgekackten ist lang - ehrlich, ich hoffe sehr, dass einer meiner jüngeren Freunde mich vor einen Bus schubst, bevor ich so einen Dreck denke ...



    Oder das jemand herausfindet, woran das liegt und ein Gegenmittel findet.

  • "Auf diese Weise wollen sie dauerhaft Formen inakzeptabler Freiheitsbegrenzung und der damit verbundenen Kontrolle über Personen […] durchsetzen. Diese illiberalen Steuerungsversuche sind der beunruhigende Auftakt zur Schaffung einer Weltregierung, die sich jeder Kontrolle entzieht.“ "

    Da fürchtet wohl einer Konkurenz für die eigene Institution

  • 0G
    00677 (Profil gelöscht)

    "Auf diese Weise wollen sie dauerhaft Formen inakzeptabler Freiheitsbegrenzung und der damit verbundenen Kontrolle über Personen […] durchsetzen. Diese illiberalen Steuerungsversuche sind der beunruhigende Auftakt zur Schaffung einer Weltregierung, die sich jeder Kontrolle entzieht.“ Ferner werde gemunkelt von einer „Einmischung von fremden Mächten“ und „unklaren Absichten supranationaler Einheiten“



    Klingt irgendwie sehr nach seinem eigenen Verein...

  • Ich glaub der trinkt und zwar schon lange .. und er bekennt sich nicht zu seinen "Todsünden" um es mal so zu sagen. Habe ihn vor 6 Jahren bei so einem Priesterumzug in Regensburg live erlebt. Eine heilige Aura hatte er nicht.

  • Ich habe den damaligen Professor Müller kennengelernt, als sich gerade abzeichnete, daß wohl einer der nächsten frei werdenden Bischofsstühle mit ihm besetzt werden würde. Ich krame gerade die Kontaktdaten meiner damaligen Begleiter_innen heraus, die mich damals rügten, ich sei unhöflich zu dem Herrn Professor gewesen, um ihnen ein über zwanzig Jahre gereiftes "siehste!" zuzuraunen. Weil ich ein noch unerträglicherer Rechthaber bin als jede Eminenz.