Eckpunkte für Haushalt 2025: Zoff um Steuerrabatt für Fachkräfte
Geplante Erleichterungen für zugewanderte Arbeitnehmer ernten Kritik. Dass bei Integrationskursen gespart werden soll, gerät fast aus dem Blick.
![Ein Mann schaut in eine elektrische Maschine Ein Mann schaut in eine elektrische Maschine](https://taz.de/picture/7109435/14/Fachkraft-1.jpeg)
Kanzler Olaf Scholz (SPD), Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) hatten sich am Freitag auf Eckpunkte für den Bundeshaushalt 2025 geeinigt. Vorgesehen sind auch Maßnahmen, welche die deutsche Wirtschaft stärken sollen, darunter die umstrittenen Pläne für eingewanderte Fachkräfte. Geplant ist, dass diese im ersten Jahr 30 Prozent des Bruttolohns nicht versteuern müssen, im zweiten Jahr 20 Prozent und im dritten Jahr 10 Prozent. Dafür soll es aber eine Gehaltsgrenze geben.
Die BSW-Vorsitzende Sahra Wagenknecht kritisierte die Pläne umgehend als „rücksichtslos gegenüber den einheimischen Beschäftigten“. Unions-Wirtschaftspolitikerin Julia Klöckner sprach von „Inländer-Diskriminierung“. Aber auch die Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes Yasmin Fahimi wandte sich gegen das Vorhaben. Habeck verteidigte die Pläne dagegen öffentlich.
Der Migrationsexperte Thomas Liebig von der OECD sieht durchaus Chancen, dass die Pläne Wirkung zeigen. Die Erleichterungen seien nicht zwangsläufig ungerecht. „Ausländische Fachkräfte haben nicht von der steuerfinanzierten Bildung profitiert, und auch der Umzug kostet viel Zeit und Geld.“ Liebig sagt aber auch, die Steuerlast sei „nicht das Hauptproblem, wegen dem Fachkräfte nicht herkommen“. Deutschland sei für Fachkräfte im Ausland ohnehin attraktiv. Es gebe aber hohe Hürden bei der Einwanderung. Wichtiger sei es deshalb, die Digitalisierung der Visaprozesse weiter voranzutreiben und das Personal in den Verwaltungs- und Visastellen aufzustocken.
Vieles bleibt noch vage
Derweil gehen die weiteren migrationspolitischen Aspekte in den Haushalts-Eckpunkten geradezu unter. So will die Ampel etwa – wie im Koalitionsvertrag angekündigt – die Westbalkan-Regelung auf weitere Staaten anwenden. Diese erleichtert es Menschen aus Albanien, Bosnien und Herzegowina, Kosovo. Nordmazedonien, Montenegro und Serbien, zum Arbeiten nach Deutschland zu kommen: Sie müssen einen Arbeitsvertrag vorweisen, nicht aber eine berufliche Qualifikation. Die Regelung ist derzeit auf 50.000 Zustimmungen pro Jahr begrenzt.
Welche weiteren Länder nun hinzukommen sollen, ist aber offenbar noch unklar: Auf taz-Nachfrage heißt es aus dem Bundesarbeitsministerium, dazu könne man „leider zum jetzigen Zeitpunkt nichts mitteilen“. Die „konkrete Ausgestaltung“ bleibe abzuwarten.
Zudem sollen Geflüchtete, die eine Arbeitsgenehmigung beantragen, künftig schneller Klarheit haben: Die Ampel will eine „Genehmigungsfiktion“ einführen. Was sperrig klingt, heißt in der Praxis: Wenn die Ausländerbehörde nicht innerhalb von zwei Wochen anders entscheidet, gilt die Erlaubnis als erteilt. Und das Bundesinnenministerium will über Anwendungshinweise erreichen, dass Ausländerbehörden künftig einheitlicher – und kulanter – im Fall von Ermessensduldungen entscheiden – um so Menschen vor Abschiebung zu schützen, die etwa auf die Erteilung ihrer Beschäftigungs- oder Ausbildungsduldung warten.
Gleichzeitig drohen offenbar gravierende Kürzungen. In der offiziellen Einigung ist von konkreten Zahlen zwar nichts zu lesen. Die Deutsche Presseagentur erfuhr allerdings aus Regierungskreisen, dass etwa bei den Integrationskursen im dreistelligen Millionenbereich gespart werden soll. Auf taz-Nachfrage wollte das Bundesinnenministerium sich zur genauen Höhe nicht äußern und verwies auf den Kabinettsbeschluss, der für den 17. Juli geplant ist.
Kritik für Kürzungen
Das sei fatal, sagt Kerstin Becker vom Paritätischen Gesamtverband. Sie kritisiert, dass in der Einigung zwar viel von gesellschaftlichem Zusammenhalt die Rede sei – Maßnahmen zur Integration von Migrant*innen und Geflüchteten dort aber gar nicht vorkämen. „Schon seit den letzten Haushaltsverhandlungen drohen hier immer wieder gravierende Kürzungen, dabei bräuchten wir eigentlich eine Aufstockung“, so Becker.
Bislang gibt es nur Meldungen über Kürzungen bei den Integrationskursen. „Aber wenn wir das hören, klingeln natürlich alle Alarmglocken, dass es sich nicht auf diesen Bereich beschränken wird.“ Sie sorgt sich auch um die Asylverfahrensberatung, die Migrationsberatung oder die psychosozialen Zentren. All das sei elementar für den gesellschaftlichen Zusammenhalt, so Becker – und auch für den Arbeitsmarkt. „Wer traumatisiert ist, kann weder mit voller Energie die deutsche Sprache lernen, noch ernsthaft berufstätig sein.“
Auch Wiebke Judith von Pro Asyl bezeichnet die Sparvorhaben als „dramatisch“: „Gerade wird Geflüchteten wieder allenthalben vorgeworfen, sich nicht zu integrieren“, sagt Judith. „Da ist es einfach nur zynisch, wenn man gleichzeitig die Mittel kürzt, die ihnen Integration überhaupt erst ermöglichen.“
Dass die Bundesregierung in den Ausländerbehörden auf eine größere Einheitlichkeit bei der Entscheidungspraxis hinwirken will, begrüßt Judith. „Wir erleben aktuell sehr unterschiedliche Herangehensweisen, manche Ausländerbehörden sind kulanter, andere sehr restriktiv – das variiert auch regional“, so Judith. Zwar sei das BMI den Ausländerbehörden gegenüber nicht weisungsbefugt. „Aber Anwendungshinweise aus dem Ministerium finden durchaus Beachtung.“
Auch schnellere Klarheit bei Anträgen auf Arbeitserlaubnis sieht Judith positiv. Die Ausländerbehörden seien massiv überlastet, mitunter warteten Geflüchtete ein dreiviertel Jahr auf Antwort. „Es kommt durchaus vor, dass Geflüchteten Arbeitsplätze verloren gehen, weil die Rückmeldung nicht schnell genug kommt“, so Judith. „Wir haben allerdings Sorge, dass diese Fiktionsgenehmigung Arbeitgeber*innen verunsichert, weil sie sie nicht kennen – die wollen natürlich die Sicherheit haben, dass sie Leute einstellen, die auch arbeiten dürfen“, so Judith. Das Problem kenne man bei Pro Asyl auch von anderen Fiktionsbescheinigungen, etwa beim Aufenthaltstitel.
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