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EU zu GlyphosatZulassung um fünf Jahre verlängert

Die EU-Länder beschließen, Glyphosat weiterhin zu erlauben. Die deutsche Zustimmung war offenbar nicht mit der SPD abgestimmt.

Herbizidausbringung in Niedersachsen Foto: dpa

Berlin taz | Die EU-Mitgliedstaaten haben völlig überraschend die Zulassung des umstrittenen Unkrautvernichters Glyphosat um fünf Jahre verlängert. Deutschland und 17 weitere der 28 EU-Länder stimmten am Montag für einen entsprechenden Vorschlag der EU-Kommission, wie das Bundesumweltministerium der taz bestätigte.

Ohne die deutsche Stimme wäre die nötige Mehrheit nicht zustandegekommen. Neun Staaten – zum Beispiel Frankreich und Österreich – votierten dagegen, nur Portugal enthielt sich.

Glyphosat ist der meistverkaufte Pestizidwirkstoff. Im März 2015 stufte ihn die Krebsforschungsagentur der Weltgesundheitsorganisation (IARC) als „wahrscheinlich krebserregend“ ein. Die Wissenschaftler beriefen sich insbesondere auf beunruhigende Ergebnisse von Tierversuchen. Rückstände der Chemikalie finden sich immer wieder in Lebensmitteln. Auch die Artenvielfalt ist gefährdet: Glyphosat zerstört so gut wie alle nicht gentechnisch veränderten Pflanzen auf dem Feld und damit laut Umweltbundesamt auch Nahrung beispielsweise für Vögel.

Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) kritisierte denn auch die deutsche Zustimmung als Vertrauensbruch. Sie habe noch am Montag gegenüber Landwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) erklärt, sie sei „mit einer Verlängerung der Zulassung von Glyphosat weiterhin nicht einverstanden“. Dennoch habe der Vertreter des Landwirtschaftsministeriums in Brüssel für den Antrag der EU-Kommission gestimmt – wer an „Vertrauensbildung zwischen Gesprächspartnern interessiert“ sei, könne sich so nicht verhalten, sagte Hendricks. Bei einer Abstimmung vor gut zwei Wochen hatte sich die Bundesregierung noch enthalten.

Der geschäftsführende Landwirtschaftsminister Schmidt verteidigte sein Abstimmungsverhalten. „Mit unserer heutigen Zustimmung zur weiteren Zulassung von Glyphosat für fünf Jahre konnten wir wichtige Bedingungen durchsetzen“, teilte der CSU-Politiker mit.

Zusätzliche Maßnahmen

Der Minister nannte die „Stärkung der Rolle von Biodiversität und Tierwelt“, weitere Aufklärung im Hinblick auf die gesundheitlichen Gefahren für den Menschen und eine „Prüfung der Optimierungsmöglichkeiten des Genehmigungsverfahrens für Pflanzenschutzmittelwirkstoffe“.

Schmidt begründete das deutsche Abstimmungsverhalten in Brüssel auch damit, dass die EU-Kommission „sich ohnehin für die Verlängerung der Zulassung von Glyphosat entschieden“ hätte. „Die Kommission hätte damit den Wirkstoff ohne diese Bedingungen verlängert.“ National werde man zusätzliche Maßnahmen im Sinne restriktiverer Anwendungen ergreifen, versprach Schmidt.

Hendricks wies diese Argumentation aber zurück. Sie habe Schmidt unmittelbar vor der Entscheidung am Telefon klar gemacht, dass sie die Neuzulassung nicht unterstütze, „auch nicht unter bestimmten Konditionen“.

Der agrarpolitische Sprecher der Grünen im Europaparlament, Martin Häusling, sprach von einem „Glyphosatskandal“. „Das Umschwenken von einer Enthaltung in dieser Frage zur Zustimmung liefert uns einen Vorgeschmack auf die künftigen Machtverhältnisse in Berlin“, teilte der Abgeordnete mit.

Die EU-Kommission hatte ursprünglich beantragt, die Zulassung um 15 Jahre zu verlängern. Weil die Wissenschaft aber ständig neue Erkenntnisse vorlege, solle der Wirkstoff erst einmal nur für 5 weitere Jahre erlaubt werden, heißt es in der Vorlage, der die Mitgliedstaaten nun zugestimmt haben. Sie enthält kein Ausstiegsdatum.

Die Umweltorganisation Greenpeace forderte, dass Deutschland nun im Alleingang Glyphosat verbieten müsse. Der EU-Bauernverband Copa-Cogeca begrüßte zwar die neue Zulassung. Er bedauerte aber, dass sie nur für 5 Jahre gelten soll.

In der EU wird seit Jahren über den Unkrautvernichter gestritten. Die bisherige Zulassung für Glyphosat läuft am 15. Dezember aus.

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24 Kommentare

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  • Wenn man sich die Doku 'Monsanto Tribunal' anschaut fragt man sich, ob 'vermutlich' krebserregend nicht noch das geringste Übel an dem Zeug ist.

    Aber wie gut, dass Bayer Monsanto noch nicht gekauft hat, sonst wäre es sicher um mindestens 15 Jahre verlängert worden. Man denke an die Arbeitsplätze!

  • Regieren heißt Zukunft gestalten!



    Dabei ist Gott bescheidener und gebietet in der Schöpfungsgeschichte 1. Mose 2,15 dem Menschen, den Garten Eden zu bebauen und zu bewahren!



    Und schwupp erfinden wir schon wieder ein neues Gift gegen die Schöpfung.



    Aus für das meistgenutzte Ackergift der Welt rückt in greifbare Nähe:

    [...]

    Um ganze 75 Prozent sind die Insektenbestände in Deutschland seit 1989 gesunken. WissenschaftlerInnen mahnen zur Eile: Wenn dieser Trend nicht in einer ökologischen Katastrophe enden soll, müssen wir den Pestizideinsatz jetzt massiv reduzieren. Doch die chemische Industrie bringt stattdessen immer neue Insektengifte auf den Markt: zwei neue Insektizide mit dem Wirkstoff Sulfoxaflor !

     

    Kommentar bearbeitet, Entfernung fehlerhafter Links zu Bildern. Die Moderation

  • Glyphosat hin oder her. Schmidt ist CSU Mann. Und als solcher vertritt er vor der Landtagswahl in Bayern aufopferungsvoll die Interessen seiner Wähler, der bayrischen Bauernschaft.

    Und die Merkelin hilft ihm dabei. Ist doch Union.

  • Tja? Weiter so mit dem Insektensterben, mit dem Verschwinden der Singvögel, der Blumen am Ackerrand..

    Mit den Radtouren durch die sommerlich wogenden Felder hab ich schon vor Jahren aufgehört, nachdem ich Giftwolken eines Giftsprüh- Treckers ausgesetzt war.. die "deutschen Fluren" werden evtl `totenstill´ohne Vogelpiepen, ohne brummende Insekten.. Was nun? Nur noch eindeutig das gesunde Angebot biologischen Landbaues nutzen!

    Die sogenannten `Volksvertreter´in der Bundesregierung und in den "roundup EU" Nationen sollen sich einfach Schämen! Sie haben sich als Diener der Industrie und der Profitökonomie definiert! Vertrauensunwürdig eben.. Schöne Scheisse ist das... *

  • Schmidt begründete das deutsche Abstimmungsverhalten in Brüssel auch damit, dass die EU-Kommission „sich ohnehin für die Verlängerung der Zulassung von Glyphosat entschieden“ hätte. „Die Kommission hätte damit den Wirkstoff ohne diese Bedingungen verlängert.“ National werde man zusätzliche Maßnahmen im Sinne restriktiverer Anwendungen ergreifen, versprach Schmidt.

     

    muss man ihm zugute halten, dass das wohl so stimmt. trotzdem ist die csu im landwirtschaftsministerium einfach nicht mehr tragbar. man kann schmidt jetzt nur noch auf seine aussagen festnageln, acuh wenn restriktivere massnahmen sehr vage sind. wobei er sowieso aus dem amt scheiden wird. dann zum abschied fuer ihn und alle vertreter der bauernverbaende einen ordentlichen schluck glyphosat, wird ja gleich wieder ausgeschieden und ist voellig harmlos. bitte - prost!

     

    als verbraucher kann einen das nur anspornen, die naechsten fuenf jahre wirklich alle produkte, die weizen, soja und mais aus konventionellem anbau enthalten, boykottartig nicht zu konsumieren. ich hoffe, die 60% der bevoelkerung, die gegen glyphosat sind, machen da alle mit.

  • Die Groko darf jetzt auf keinen Fall mehr kommen.

     

    Diese Brunnenvergifter der Union dürfen nicht unterstützt werden.

  • Wenn es zutrifft, dass Merkel gegen den Willen der SPD zugestimmt hat stellt sich nur noch die Frage ob die sich selbst noch ernst nimmt. Wenn ja, dann kann es keine neue Koalition geben.

  • Wer gegen den Klimawandel ankämpfen und Bodenerrosion verhindern will, der darf Glyphosat nicht verbieten

    • @Bernhard Hellweg:

      Die Indianer in Mexico bauen seit tausenden von Jahren Mais an. Ohne Pestizide, Insektizide... mit höherem Ertrag als mit Glyphosat und ohne Bodenerrosion. Muss wohl Magie sein...

    • @Bernhard Hellweg:

      Wer Pizza mag fährt Toyota.

       

      Kann mir wer den Zusammenhang erklären?

    • @Bernhard Hellweg:

      Das habe ich auch mal gedacht, denn so kann man Ackerbau praktisch ganz ohne Bodenbearbeitung machen. Das habe ich auch getan bis ich gelernt habe, dass Glyphosat nicht nur Unkräuter, sondern auch Bakterien bekämpft. Und damit ruiniert man das Bodenleben. Jetzt, wo ich es nicht mehr einsetzte, sehe ich den Unterschied.

    • @Bernhard Hellweg:

      Auf welchem Planten leben Sie eigentlich mit ihren komischen Komentaren ?

      • @Opossum:

        Na auf unseren, ich jedenfalls. Kein Glyphosat heißt mehr Bodebearbeitung, sprich mehr Kraftstoff und mehr Erosion. Mehr Bodebearbeitung bedeutet mehr Humus Abbau. Schon mal nachgerechnet wieviel CO2 frei wird bei einen Prozentpunkt Humus Abbau in der Ackerkrume?

        • @Bernhard Hellweg:

          bei konventioneller Landwirtschaft mag ihr Einwurf gerade noch stimmen. Da gibt es aber noch andere funktionierende Wirtschaftkonzepte die auch ohne mehr Bearbeitung auskommen.

          Darüber hinaus: Wenn sie die CO2 Aufwändungen der Herstellung bis zum Einsatz von Glyphosat verrechnen, können sie beinahe 24 h den Acker bearbeiten und erreichen bei monsanto-(bayer)-freundlicher Berechnung eine ausgewogene Bilanz. Über ihre verbale Untersützung eines abhängigmachenden und nicht nachhaltigen Wirschaftsgutes möchte ich nicht weiter ausführen.

          Da hätte sich der CSU-Schmid doch besser der Stimme enthalten, leistet er mit seiner reflexartigen industriefreundlichen Zustimmung seinem Wahlheimatland Bayern und den Bauern einen Bärendienst, da er z.B. die bereits begonnene Vergiftung der bayerischen Biere mit Glyphosat für richtig befindet und beschleunigt und das Reinheitsgebot ausser Kraft setzt; Ein "Brunnenvergifter" ? Einer von der CSU! Wenn das die Junge Union erfährt - dann gute Nacht. Wer den Geschmack von Glyphosat noch nicht kennt - aufgehts - a Hoibe ex von de bekannten Marken - lafft sauba obe.

          • @Sonnenhaus:

            Alternativ könnte man wieder vermehrt menschliche Arbeitskraft in der Landwirtschaft einsetzen.

            Entweder in Form von freiwilligen oder verpflichtenden Einsätzen von Schülern und Studenten wie es z.B. schon erfolgreich in der deutsche demokratischen Republik gemacht wurde, oder durch den Import von Fachkräften.

            Laut historischen Studien aus der Karibik sowie Süd & Nordarmerika sollen Afrikaner dafür sehr geeignet sein.

          • @Sonnenhaus:

            "Kein Glyphosat heißt mehr Bodebearbeitung,"

             

            Häää? Was ist das für eine unsinnige Logik? Wenn Sie den Boden auflockern durch Umgraben, kann er mehr Wasser aufnehmen. Wenn Sie ihn nicht bearbeiten, ist er glatt und hart, das Wasser läuft sofort ab.

             

            Es ist sogar naheliegend, dass viele Überschwemmungsprobleme DAMIT zusammenhängen, dass die Böden nichts mehr aufnehmen.

             

            Also, woher haben Sie ihre verdrehte Logik?

        • @Bernhard Hellweg:

          Meines Wissens nach bedeutet Bodenbearbeitung: Lockern der Krume, Einarbeiten von organischem Material (wird später zu Humus), Erzeugen einer offenen Oberbodenstruktur, die das Abschwemmen des Bodens verhindert. Vermeiden von Fahrten zum Spritzen kann mit Fahrten zur Bodenbearbeitung gegengerechnet werden. Kostenersparnis ergibt sich durch Verwendung von Saatgut, dass frei verkäuflich ist und nicht den Lizenzen der Firma unterliegt, die Gyphosat herstellen. Wo bitte sind die nun Nachteile?

          • @wüst 2010:

            In dem Punkt hat Bernhard Hellweg schon Recht: der Glyphosateinsatz verringert die Intensität der Bodenbearbeitung, was hinsichtlich des Erosionsschutzes eine gute Sache ist, weil die Bodenstruktur erhalten bleibt. Die Bodenbearbeitung, insbesondere das Pflügen, führt dagegen immer zu einem höheren Erosionsrisiko.

            Der Haken ist nur, dass Glyphosat das Bodenleben negativ beeinflusst und somit keine vernünftige Lösung ist.

  • 4G
    41069 (Profil gelöscht)

    Kein Wort zum Lobbyismus der Umweltverseucher.

  • "... Hendricks (SPD) erklärte [...], dass das deutsche Stimmverhalten nicht innerhalb der amtierenden SPD/CDU-Koalition abgestimmt gewesen sei."

     

    Erste vertrauensbildende Maßnahme für die GroKo :)

    • 6G
      64984 (Profil gelöscht)
      @jhwh:

      Wenn die SPD noch ernst genommen werden will (sowohl bei der CDU als auch bei ihren potentiellen Wählern) sollte Sie sofort verlangen, dass Glyphosat ab sofort in Deutschland verboten wird (mit den Stimmen der CDU) oder sofort die Koalition verlassen und keine Verhandlungen über eine Groko beginnen solange dies nicht geregelt ist.

    • @jhwh:

      Wetten, dass die SPD trotzdm wieder mit der CDU ins Bett springt? Natürlich nur, um ihrer "Verantwortung" nachzukommen...