EU-Sanktionen gegen Siedler*innen: Ben & Jerry's als Vorbild der EU
Sanktionen und Boykotts gegen Israel sollten immer kritisch geprüft werden. Doch die geplanten EU-Sanktionen gegen Siedler*innen sind richtig.
E in Quantensprung in der europäischen Nahostpolitik sind sie nicht, die Sanktionen gegen extremistische Siedler*innen, die die europäischen Außenminister*innen am Montagnachmittag auf den Weg bringen wollten. Auf die Situation im Westjordanland dürften sie wenig Einfluss haben. Und doch ginge der Schritt über Symbolpolitik hinaus.
Zum ersten Mal würde die EU mit solchen Sanktionen nicht nur in Worten mahnen, die an Netanjahus Regierung sowieso folgenlos vorbeiziehen würden. Sie würde auch Maßnahmen erlassen, als Reaktion auf die Gewalt von Siedlern gegen Palästinenser*innen.
Doch die Gewalt der Siedler*innen ist das eine, viel grundlegender ist das Problem der Siedlungspolitik an sich. Kurz nach dem Sechstagekrieg 1967 und dem Beginn der Besatzung des Westjordanlands wurden die ersten Siedlungen gebaut. Seitdem hat jede israelische Regierung die Siedlungspolitik mitgetragen – und damit die Chance für einen palästinensischen Staat bis zur Unkenntlichkeit schwinden lassen.
Die Frage, die sich die EU stellen sollte, lautet: Wie kann man den Druck auf die israelische Regierung so gestalten, dass sie ihre Besatzungspolitik aufgibt? Inspirieren lassen könnte sich die EU von der Eiscremefirma Ben & Jerry’s, die vor drei Jahren aus Protest gegen die Besatzung den Verkauf von Speiseeis in den Siedlungen gestoppt hat – wohlgemerkt ging es dabei nicht um einen Boykott des gesamten Staates Israel.
Wen stärken wir, wenn wir zu wenig Druck ausüben?
Denn ja, wenn wir in Europa über Sanktionen gegen Israel nachdenken, drängt sich die Erinnerung an die Shoah („Kauft nicht bei Juden“) und damit ein ungutes Gefühl auf – zu Recht. Antisemitismus existiert nicht nur in den Köpfen schuldbewusster Deutscher. Die Frage, ob Maßnahmen gegen Israel doppelten Standards folgen oder antisemitisch sind, kann man nicht unter den Tisch fallen lassen – besonders nicht dieser Tage.
Gleichzeitig sollten wir auch immer diese Frage stellen: Wen stärken wir, wenn wir zu wenig Druck ausüben? Die progressiven Israelis und die Besatzungskritiker*innen, die sich für Frieden einsetzen? Oder Netanjahus extrem rechte Regierung, die zu bedeutenden Teilen aus Siedler*innen besteht und gerade das Land in den Abgrund treibt?
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Deutsche Konjunkturflaute
Schwarze Nullkommanull
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
Grünen-Abgeordneter über seinen Rückzug
„Jede Lockerheit ist verloren, und das ist ein Problem“
Schäden durch Böller
Versicherer rechnen mit 1.000 Pkw-Bränden zum Jahreswechsel
Ende der scheinheiligen Zeit
Hilfe, es weihnachtete zu sehr