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EU-Parlament zu LGBTQI-RechtenEU wird „Freiheitszone“ für alle

Aus Protest gegen Diskriminierung in Polen hat das EU-Parlament eine „LGBTIQ-Freiheitszone“ erklärt. Polen will ein Adoptionsverbot für gleichgeschlechtliche Paare.

Ein Zeichen gegen LGBTQI-Feindlichkeit im Brüsseler Finanzviertel Foto: Francisco Seco/ap/dpa

Brüssel afp/dpa | Als Protest gegen Diskriminierung von Homosexuellen in Polen hat das Europaparlament die gesamte EU zur „LGBTIQ-Freiheitszone“ erklärt. Mit einer Mehrheit von 492 zu 141 Stimmen und 46 Enthaltungen nahm das Brüsseler Parlamentsplenum am Donnerstag eine entsprechende Entschließung an. Die Abgeordneten nahmen damit Bezug auf die seit 2019 von einer Reihe polnischer Gemeinden ausgerufenen „LGBTI-freien“ Zonen.

Das streng katholische Polen steht immer wieder wegen der Diskriminierung sexueller Minderheiten in der Kritik. Die rechtsnationale Regierungspartei PiS prangert regelmäßig eine vermeintliche „LGBTI-Ideologie“ an, die von Brüsseler „Eurokraten“ genährt werde und sich gegen polnische Traditionen und Werte richte.

Die EU-Kommissarin für Gleichstellung, Helena Dalli, begrüßte die Initiative des EU-Parlaments. „Die EU muss eine Freiheitszone für uns alle sein, ohne Ausnahme“, sagte die Malteserin bei einer Parlamentsdebatte am Mittwoch.

Die Kommission hatte einige der selbsterklärten LGBTI-freien Gemeinden von EU-Programmen ausgeschlossen. Scharfe Kritik kam auch vom EU-Parlament und dem Straßburger Europarat. Einige Gemeinden haben die umstrittenen Erklärungen mittlerweile zurückgenommen. Polnische Gerichte erklärten zudem einzelne von ihnen als illegal.

Polen und Ungarn in der Kritik

Derweil hat sich der polnische Justizminister Zbigniew Ziobro am Donnerstag dafür ausgesprochen, gleichgeschlechtlichen Paaren ausdrücklich die Adoption von Kindern zu verbieten. Der Politiker der rechten Regierungspartei Solidarna Polska (Solidarisches Polen) stellte einen entsprechenden Gesetzentwurf vor. Das Kindeswohl sei in diesem Fall der „übergeordnete Wert“, argumentierte der 50-Jährige. Für einen solchen Schritt hatte sich im vorigen Sommer auch Präsident Andrzej Duda starkgemacht.

Bereits jetzt können in Polen nur Ehepaare und Einzelpersonen Kinder adoptieren. Gleichgeschlechtliche Paare werden in dem EU-Mitgliedstaat rechtlich nicht anerkannt.

Auch Ungarn wird immer wieder vorgeworfen, die Rechte sexueller Minderheiten zu beschneiden. Die Regierung in Budapest plant ein Gesetz, das Definitionen von Elternschaft und Geschlecht zum Nachteil von Homosexuellen und Transgendern in der Verfassung verankern soll. Die Grundrechte von LGBTIQ-Personen würden dadurch „stark beeinträchtigt“, heißt es dazu in der Parlamentsentschließung.

PiS bezeichnet den Entschluss als „absurd“

Die Abgeordneten fordern die Kommission auf, „alle ihr zur Verfügung stehenden Instrumente“ zu nutzen, um sicherzustellen, dass die Grundrechte sexueller Minderheiten respektiert werden. Als Beispiele werden Vertragsverletzungsverfahren, die Streichung von EU-Mitteln und Strafverfahren nach Artikel 7 der EU-Verträge genannt.

Der PiS-Europaabgeordnete Ryszard Legutko bezeichnete die Entschließung als „absurd“ und das EU-Parlament als „große ideologische Maschine“. Familienpolitik sei ausschließlich nationale Kompetenz der EU-Länder, und die polnischen Gemeinden hätten ihr gutes Recht, traditionelle Familien zu verteidigen und die „Indoktrinierung“ von Kindern mit „Absurditäten“ von Gender-Theorien abzulehnen.

LGBTIQ-Menschen würden als „Spinner“ oder „Perverslinge“ abgetan, erwiderte die Grünen-Abgeordnete Terry Reintke. „Dabei fordern wir lediglich gleiche Rechte“.

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11 Kommentare

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  • Wie wäre es, für die Menschenfeinde, mindenstens für die 141 Abgeordneten stellen und womöglich auch gegen die 46, einen Ausschlussantrag zu stellen, um diesen Arm neurechter Identitätspolitik abzusägen?

  • @NINA JANOVICH

    Katholen haben sich selten durch Mut zum Konflikt hervorgetan.

    Auch die EU-Flüchtlingspolitik, die mit Wucht den christlichen Werten widerspricht wird vornehmlich von solchen Leuten betrieben wie Seehofer, ein Katholik.

    Was meinen Sie, was los wäre, wenn ihn der Papst exkommunizieren würde, oder zumindest mal öffentlich rügen würde (was nach seinem Twitter-Furz zum 69. Geburtstag schon angebracht gewesen wäre).

    Stattdessen -- nichts.

    Aus denselben Reflexen fliegt denen jetzt die ganze Kindesmissbrauchsgeschichte um die Ohren: die meisten, die es jetzt noch erwischt sind nicht die Täter (oft zu alt!) sondern die Vorgesetzten, die gewusst und vertuscht haben.

    Ich glaube, es ist genau dieses System Schweig, was Sie da beobachten.

    "Die polnischen Ledernacken und Christ-Ajatollahs sind gegen Abtreibung, also auf unserer Seite", werden die sich denken.

    • @tomás zerolo:

      "Auch die EU-Flüchtlingspolitik, die mit Wucht den christlichen Werten widerspricht wird vornehmlich von solchen Leuten betrieben wie Seehofer, ein Katholik."

      Es waren vor allem christliche Gruppen, die sich in der Betreuung von Flüchtlingen hervorgetan haben. Ihr Abwatschen dieser Solidarität mit Flüchtlingen hat ein übles Geschmäckle.

  • 1G
    17900 (Profil gelöscht)

    Wie gestern im TV berichtet, hat sich die PIS mit der Zahlung von Kindergeld ihre Wähler gekauft.



    Vorher unter Tusk gab`s nüschst!



    Ein bewährtes Tool, was auch hierzulande bestens funktioniert!

  • Ich frage mich, wo der Widerspruch der katholischen Kirche anderer EU Länder bleibt. Gerade weil Polen wie hier erwähnt "streng katholisch" sei, würde es sehr viel bringen, wenn sich zur polnischen Politik, die sich hier auf die "polnischen Werte" und dabei offenbar auch auf die katholische Religion bezieht katholische Würdenträger:innen der EU melden und öffentlich der fundamentalistischen Auslegung in Polen widersprechen.

    • @Nina Janovich:

      Einfach mal hinhören und sich nicht nur den Sermon rechter Christen anhören!

  • Die polnische Bevölkerung ist sehr katholisch und konservativ. Stellt sich die Frage, inwieweit eine Bevölkerung innerhalb der EU sich durch freie Wahlen eigene Regeln geben darf.

    Demokratie bedeutet, die Mehrheit setzt sich durch. Nicht Minderheiten.

    • 1G
      17900 (Profil gelöscht)
      @Wonneproppen:

      Ähh, nicht so ganz.



      In der EU hat doch ein kleines Land wie Luxembourg die gleiche Stimme wie Polen, Deutschland oder Italien, oder täusche ich mich?

    • @Wonneproppen:

      Es gibt halt nen Unterschied zwischen ner liberalen Demokratie und einer Dikatur der Mehrheit.

      Was sie hier beschreiben ist im Grunde genommen der Tot der Demokratie. Wenn ich die Macht übernehme, mache ich alle fertig die ich nicht mag. Am besten verbiete ich ihnen gleich auch die Wahl. Die Mehrheit will das ja, also ist das schon okay.

      Eine funktionale Demokratie beruht eben darauf, dass sich die Leute darauf verlassen können eben nicht fertig-gemacht zu werden, wenn mal wer anderes gewinnt. Als LGBT Person in Polen würde ich mir auch überlegen ob Demokratie so eine tolle Sache ist.

    • @Wonneproppen:

      Die Mehrheitsentscheidung darf halt nicht gegen die AEMR von 1948 insbesondere Artikel 2 verstoßen, der eine besonders hohe Wertung hat. Ansonsten erfolgt halt nicht nur eine Ablehnung vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, sondern nun auch vom EU-Parlament!



      Das Ermächtigungsgesetz 1933 war auch eine Mehrheitsentscheidung, die Demokratie und Menschenrechte haben sich mit dieser Mehrheitsentscheidung übrigens nicht durchgesetzt!



      Ergo: Demokratie, Gewaltenteilung und eine Verfassung auf Grundlage der Menschenrechte entscheiden und nicht allein die Mehrheitsentscheidungen und schon gar nicht menschenfeindliche Entscheidungen. Ansonsten könnten Sie auch jederzeit wieder mithilfe einer Mehrheitsentscheidung zum Boykott jüdischer Geschäfte, Warenhäuser, Banken, Arztpraxen, Rechtsanwalts- und Notarkanzleien aufrufen!

    • @Wonneproppen:

      @wonneproppen

      Eine sehr sehr simple und darwinistische Auslegung des Begriffes Demokratie...



      Nicht die Mehrheit setzt sich durch... Sondern es werden Entscheidungen auf Basis der Mehrheitsentscheidung getroffen...



      Eine Diskriminierung, Gefährdung (psych.+ phys. Gewalt) und Menschenrechtsverletzungen müssen dabei in den heutigen demokratischen Verständnissen mit einbezogen... Zumindest sollte es meiner Ansicht nach so sein...

      Dass wir uns in einer Demokratie nicht grundlegend nach den Minderheiten "ausrichten", ist klar... Aber um diesen letzten Satz mal an einem Beispiel zu erklären...



      Niemand fordert, dass NUR noch LGBT* Menschen adoptieren dürfen... Dass wäre demokratisch unkorrekt.



      Die jetzige Idee stellt Minderheiten nur gleichberechtigte Möglichkeiten zur Mehrheit...