EU-Parlament stimmt gegen Seenotrettung: Rettungs-Resolution gescheitert
Rechte haben im EU-Parlament eine Resolution zur Seenotrettung im Mittelmeer verhindert. Malta schickt weiter Geflüchtete zurück nach Libyen.
„Die Nachricht ist deutlich: Hier will man lieber wegschauen und sterben lassen, als Menschen vor dem Ertrinken zu retten“, sagte die Sprecherin für Asylpolitik der Linken im EU-Parlament, Cornelia Ernst. „Die CDU und CSU behaupten, dass sie für die Seenotrettung sind und dann stimmt man dagegen,“ sagte der Grüne Erik Marquardt. „Jährlich sterben tausende Menschen und die Konservativen diskutieren Kommata. Beschämend.“ Die SPD-Parlamentarierin Birgit Sippel kritisierte, dass so in Kauf genommen werde, „dass weiter unzählige unschuldige Menschen auf ihrem Weg nach Europa im Mittelmeer ihr Leben verlieren“.
Die Konservativen hatten kurz zuvor einen Änderungsantrag eingebracht. Sie wollte einen Passus streichen, nachdem alle Akteure im Mittelmeer Informationen über Notfälle nicht nur an die zuständigen Rettungsinstitutionen weiterleiten sollen, sondern direkt auch an alle in der Nähe befindlichen Schiffe, die für eine Beteiligung an der Rettung in Frage kommen.
Die EVP hatte eine eigenen Antrag eingebracht, der ebenfalls keine Mehrheit fand. Die rechten Parteien forderten vor allem, den Schwerpunkt der EU auf die Kontrolle der Außengrenzen und auf die Rückführung von Migranten in Drittländer zu konzentrieren. „Wir wollen keine Vorlage schaffen, die Schmugglern und Menschenhändlern in die Hände spielt und dieses zynische Geschäftsmodell auch noch unterstützt, anstatt es zu bekämpfen“, begründete dies die CDU-Abgeordnete Lena Düpont.
Zurück in den Bürgerkrieg
Bis Donnerstag sind in diesem Jahr im Mittelmeer 1.080 Flüchtlinge und MigrantInnen ertrunken. Im September hatten Deutschland und Frankreich eine Vorstoß unternommen, um Schiffbrüchigen in der EU aufzunehmen, die vor Libyen von privaten NGOs gerettet werden. Der Vorschlag fand aber beim letzten Treffen der Innen- und Justizminister keine Resonanz.
Die EU betreibt derzeit keine eigenen Rettungsaktionen im Mittelmeer. Die gemeinschaftliche Marinemission „Sophia“ vor Libyen hat kein Mandat zum Einsatz mit Schiffen, weil die Mitgliedstaaten sich bislang nicht auf eine Verteilung der geretteten Menschen einigen konnten.
In Brandenburg einigte sich SPD, CDU und Grüne in ihrem neuen Koalitionsvertrag darauf, jährlich 200 Flüchtlinge aufzunehmen, die aus Seenot gerettet wurden.
Unterdessen wurde bekannt, dass Malta offenbar die libysche Küstenwache genutzt hat, um Schiffbrüchige aus seiner eigenen Rettungszone zurück nach Libyen zu bringen. Das wäre illegal, weil in Libyen Bürgerkrieg herrscht.
Hilfe erst nach sieben Stunden – aus Libyen
Der Vorfall ereignete sich nach Angaben der Initiative Alarm Phone bereits am vergangenen Freitag. Ein mit 50 Menschen besetztes Boot war demnach etwa 110 Meilen nördlich von Tripolis in Seenot geraten und hatte gegen 14 Uhr einen Notruf abgesetzt. Zu diesem Zeitpunkt befand sich das Boot bereits weit innerhalb der maltesischen Rettungszone. Der nächste sichere Hafen wäre die Insel Lampedusa gewesen.
Doch die maltesische Rettungsleitstelle schickte keine Retter. Dafür kam nach über sieben Stunden das libysche Patrouillenbott Fezzan und nahm die Menschen an Bord. Sie wurden zurück nach Libyen gebracht und kamen nach Erkenntnissen des Alarm Phone in das berüchtigte Internierungslager Triq al Sikka.
Die Times of Malta bat die Küstenwache Maltas und das Innenministerium in Valletta um Stellungnahmen zu dem Fall. Beide äußerten sich nicht. Zu Wort meldete sich aber das UN-Flüchtlingswerk UNHCR. Dessen Mittelmeer-Beauftragter Vincent Cochetel schrieb auf Twitter, er teile die Befürchtungen, dass es sich bei der Aktion um eine Verletzung internationalen Rechts handele. Malta habe nicht zum ersten Mal so gehandelt, so Cochetel. Gegenüber der Times of Malta sagte Cochetel der UNHCR habe eine Untersuchung des Vorfalls eingeleitet. „Das Problem ist, dass die Migranten in Libyen von Bord gegangen sind. Das ist sicherlich ein Verstoß gegen das Seerecht. Es ist klar, dass Libyen kein sicherer Hafen ist.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Deutsche Konjunkturflaute
Schwarze Nullkommanull
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
Schäden durch Böller
Versicherer rechnen mit 1.000 Pkw-Bränden zum Jahreswechsel
Ende der scheinheiligen Zeit
Hilfe, es weihnachtete zu sehr
Grünen-Abgeordneter über seinen Rückzug
„Jede Lockerheit ist verloren, und das ist ein Problem“