piwik no script img

EU-Gesetz zu ZwangsarbeitFDP-Nein wirkungslos

Die EU-Staaten beschließen ein Verbot von Produkten aus Zwangsarbeit. Eine ablehnende Haltung der deutschen Liberalen kann das nicht verhindern.

„Stammen die Tomaten für eine Soße aus Zwangsarbeit, muss die gesamte Soße entsorgt werden“, erklärte der Rat Foto: imago

Berlin taz | 24 Länder dafür, eins dagegen, zwei Enthaltungen: Deutschland war unter den EU-Ländern, die sich nicht zu einem Ja zu einem Verbot von Produkten durchringen konnten, die mit Zwangsarbeit in Verbindung stehen. Wegen der ablehnenden Haltung der FDP musste sich die Bundesregierung bei einer Abstimmung über ein entsprechendes Gesetz im europäischen Ministerrat enthalten. Anders als beispielsweise beim geplanten EU-Lieferkettengesetz, das wegen des FDP-Neins zu scheitern droht, gab es jedoch insgesamt eine Mehrheit für die neue Regelung, wie die belgische Ratspräsidentschaft am Mittwoch mitteilte.

Die Verordnung sieht vor, dass kein Teil eines Produkts unter Zwangsarbeit hergestellt werden darf. Handelt es sich zum Beispiel um ein Teil eines Autos, ist der Hersteller verpflichtet, entweder einen neuen Zulieferer zu finden oder die Arbeitsbedingungen zu verbessern. „Stammen die Tomaten für eine Soße aus Zwangsarbeit, muss die gesamte Soße entsorgt werden“, erklärte der Rat. Betroffene Waren müssten „gespendet, recycelt oder zerstört werden“, teilte das Europaparlament mit. EU-Kommission und Mitgliedstaaten sollen nun gemeinsam untersuchen, ob Zwangsarbeit in den Lieferketten vorkommt.

„Verbraucherinnen und Verbraucher wollen sicher sein, dass die Produkte, die sie kaufen, nicht mithilfe moderner Sklavenarbeit hergestellt sind“, sagte Katharina Dröge, Grünen-Fraktionschefin im Bundestag. Die Verordnung sei auch im Interesse vieler Unternehmen, die auf die Einhaltung von Menschenrechten achten.

Dass Deutschland aufgrund der Blockade der FDP der Verordnung nicht zustimmen konnte, sei dagegen „beschämend“, betonte Dröge. Was „früher ein normaler Vorgang war“, nämlich dass der Rat der Einigung von EU-Parlament, Kommission und Mitgliedsstaaten zustimmt, „wird in den letzten Wochen bei immer mehr Gesetzen zur Zitterpartie“, ergänzt die Grüne EU-Abgeordnete Anna Cavazzini.

Der FDP hatte unter anderem eine Abschätzung der Folgen des Gesetzes gefehlt. Durchgesetzt hatte sie dagegen, dass kleine und mittelständische Unternehmen bei der Umsetzung der Verordnung unterstützt werden.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

22 Kommentare

 / 
  • Erschütternd wie einige Menschen über die Ausbeutung von Menschen reagieren. Wünscht mir fast, dass Sie mal davon betroffen wären.

  • @WARUM_DENKT_KEINER_NACH?

    Wieso. Wenn's einklagbar ist, dann findet sich bestimmt ein Verein. Vgl. die grossartige Arbeit von Max Schrems/noyb im Bereich der DSGVO.

  • "Die EU-Staaten beschließen ein Verbot von Produkten aus Zwangsarbeit. Eine ablehnende Haltung der deutschen Liberalen kann das nicht verhindern."



    Ganz egal worum es geht, das ist eine gute Nachricht. Grotesk, wie eine Klein(st)partei in Deutschland über europäische Politik entscheiden soll!!

  • Die FDP ist also gegen ein Verbot von Produkten aus Zwangsarbeit ...

    Wen wundert's. Versucht sie doch mit notorischer Konstanz längst überwundene Arbeitsgesetze aus der Anfangszeit der Industriealisierung neu zu etablieren.

    • @Bolzkopf:

      "Die FDP ist also gegen ein Verbot von Produkten aus Zwangsarbeit ..."

      Nein, das stimmt nicht.

      Die FDP ist gegen ein weltfremdes Gesetz, welches die Zwangsarbeit weltweit nicht beseitigen wird, aber die Bürokratie und den administrativen Aufwand für die Hersteller von Produkten in aberwitzige Höhen steigern, der Zertifizierungsindustrie einen Wachstumsschub und im Gegenzug den Preis für alle Produkte ebenso um die Kosten der Zertifzierung und den administrativen Aufwand erhöhen wird.

      Das ist ein Unterschied.

      Siehe meinen anderen Post dazu.

      PS: die Blechdose für die Tomatensoße: ist das Eisen dafür ohne Zwangsarbeit abgebaut? Wer hat aus dem Eisen Blech hergestellt? Ein Zwangsarbeiter? Wer hat die Dose hergestellt? Das Papier auf der Dose, wo stammt es her? Wer hat es bedruckt? Wer hat es verpackt und an den Dosenhersteller geliefert? Die Logistikdienstleister für all die Zutaten der Tomatensoße und der Blechdose und der Verpackungskartons: Zwangsarbeiter?

      Merken Sie was?

      Und das ist nur Tomatensoße. 10 Zutaten, eine Dose mit Papierschild.

      Entweder die Hersteller ignorieren dieses Gesetz, finden findige Wege mittels Papierzettelchen von Zertifizieren Aktenordner zu füllen oder man streut mit dem Befolgen dieses Gesetzes eben Sand in das Getriebe der Herstellung von Produkten. Viel Sand.

  • „Stammen die Tomaten für eine Soße aus Zwangsarbeit, muss die gesamte Soße entsorgt werden“

    Herrlich.

    Es stellt sich heraus, dass das Basilikum in der Tomatensoße von einem Uiguren in China angebaut wurde. Nun muss vom Hersteller der Tomatensoße geprüft werden, ob der Uigure das unter Zwang angebaut hat oder ob das Basilikum dort in Freiheit wachsen durfte. Und was ist überhaupt Zwangsarbeit? Gilt das grundsätzlich für Lagerinsassen/Häftlinge oder ist Zwangsarbeit schon, wenn leichter Druck von Seiten der Regierung/staatlicher Organe da ist? Was ist mit freiwilliger Arbeit im Gefängnis? Und was ist mit dem Pfeffer, dem Salz, dem Sellerie, der Zwiebel, dem Sonnenblumenöl, dem Palmöl, und den restlichen 10 Zutaten der Tomatensoße? Muss das alles der Hersteller der Tomatensoße überprüfen? Und wie soll er das tun? Reicht ein Zettel vom Basilikumbauern, dass er nicht zwangsgearbeitet hat? Oder muss der Hersteller der Tomatensoße da hin fahren (CO2-Fußabdruck!!!) und das vor Ort selbst prüfen?

    Zusammengefasst: ein irres, völlig lebensfremdes Gesetz in einer globalisierten Welt mit Tausenden von Lieferketten.

    Was wird es bewirken? Sicher nicht, dass Zwangsarbeit weltweit entfällt, sondern dass alle Produkte schlicht teurer werden durch den irren Aufwand der Hersteller.

    • @EIN MANN:

      Spricht da ein FDP Mitglied??

  • @WARUM_DENKT_KEINER_NACH?

    Ja, es kann natürlich sein. Aber ohne Verbot passiert mit Sicherheit nichts.

    Denken Sie doch nach.

    Und ja, das Verhalten der FDP ist, wie so oft, zum Schämen.

    • @tomás zerolo:

      Mir ist das zu allgemein. Es kann sehr schnell zum Alibi werden.

      Wir haben doch so ein schönes Gesetz. Damit ist das Thema (offiziell) erledigt...

      Auf praktisches Handeln kommt es an. Und ich bin skeptisch, dass dazu der Wille existiert.

      • @warum_denkt_keiner_nach?:

        Schlagen Sie etwas vor. Grundsätzlich gebe ich Ihnen recht, steht das Gesetz, steht auch die Weiterentwicklung.

        Vielleicht sollte auch kein Zertifikat sondern Klage und Bestrafung möglich sein. Und so wie ich den Artikel lese, soll das auch (in Teilen) so sein. (-> Vernichtung, Recycling, Spende)

        ---

        Jeder will SEINE Grundrechte geachtet wissen. Achten wir sie aber bitte von JEDEM!

        • @-Zottel-:

          Konkret. Länder in denen es nach Einstufung der EU Zwangsarbeit gibt, zahlen hohe Strafzölle. So hohe, dass sich das Geschäft nicht lohnt. Oder man verbietet die Einfuhr ganz.

          Irgendwelche Zertifikate sind ABM für Bürokraten und kein wirklicher Nachweis. Wenn man etwas macht, muss man es richtig machen und nicht nur Feigenblätter verteilen.

          SO achtet man Grundrechte von jedem.

          • @warum_denkt_keiner_nach?:

            Ist der Vorschlag ernst gemeint? Strafzölle würden, je nach Machtverhältnissen, entweder als Imperialismus oder als Herausforderung betrachtet. In der gegenwärtigen internationalen Lage z.B. China oder Brasilien mit Strafzöllen kommen zu wollen, weil einem deren Innenpolitik nicht passt, ist realitätsfremd. Es geht hier nicht mehr nur um Länder, denen der reiche Norden Bedingungen diktieren kann. Über die Unternehmen und ihre Lieferketten ranzugehen ist da schon ein sehr viel realistischerer Ansatz.

            • @Wonko the Sane:

              Keine Angst. War nur ein Vorschlag der mehr als ein Feigenblatt wäre.

              Natürlich kommen die Strafzölle nicht. Dann wäre ja das deutsche Geschäftsmodell gefährdet. Und das beruht nun mal drauf, ohne jegliche moralische Rücksichten vom Export zu leben. Dafür braucht es Freihandel.

              Allerdings sollte man dann auch ehrlich sein und auf moralische Verrenkungen verzichten.

              Wie sagte schon Lord Cutler Beckett? "Es geht nur ums Geschäft."

  • Der Soziologe Dr. Thomas Loer kommentiert diese Entwicklung wie folgt:

    Freude bei den Empfängern des sogenannen Bürgergeldes…

    …dürfte bald aufkommen angesichts der Einigung der Unterhändler des Europaparlaments und der EU-Staaten darüber, dass „Produkte vom Markt verbannt und an den Grenzen beschlagnahmt werden sollen, wenn festgestellt wurde, dass Zwangsarbeit eingesetzt wurde.“



    weiter: blog.freiheitstatt...nen-buergergeldes/

  • Die Idee ist natürlich gut.

    Aber wie muss ich mir das vorstellen?:

    "EU-Kommission und Mitgliedstaaten sollen nun gemeinsam untersuchen, ob Zwangsarbeit in den Lieferketten vorkommt."

    Kann es sein, dass am Ende nichts passiert?

    • @warum_denkt_keiner_nach?:

      Es wird etwas passieren. Es entsteht ein Markt für Zertifizierer.

      • @sollndas:

        Gibt es dadurch auch weniger Zwangsarbeit. So ein Zertifikat ist ein schönes Stück Papier...

        • @warum_denkt_keiner_nach?:

          "...weniger Zwangsarbeit"



          Naja, vielleicht in homöpathischen Dosen. Aber bei den Zertifizierern komme Menschen in Lohn und Brot...

          • @sollndas:

            "Aber bei den Zertifizierern komme Menschen in Lohn und Brot..."

            In der EU.

            • @warum_denkt_keiner_nach?:

              "In der EU."



              Nö, auch in den Herkunftsländern. Hiesige Zertifizierer delegieren das an örtliche (was die Qualität der Zertifikate nicht gerade erhöht). Gab vor ein paar Wochen in der "Zeit" einen Bericht dazu; habe aber gerade keine Lust, den wieder aus dem Papiermüll zu popeln.



              BTW: Sollte Ihnen mein leicht sarkastischer Unterton entgangen sein?

    • @warum_denkt_keiner_nach?:

      Die Gefahr besteht immer, EU-Richtlinien werden ja auch bei der Umsetzung in den Mitgliedsstaaten manchmal verwässert. Aber: Immerhin kann man sich darauf berufen.

      Die Freiheit der Waren und der Märkte sind nicht wichtiger als das Recht, kein Sklave sein zu müssen.

      Wer danach ruft, ,,Fluchtursachen und deren Folgen'' (Migration) zu ,,bekämpfen'' und gleichzeitig gegen das EU-Lieferketten-Gesetz und das EU-Verbot von Zwangsarbeit ist, will gar nicht für auch nur irgendetwas kämpfen sondern immer nur lobbyieren. Ekelhaft.

    • @warum_denkt_keiner_nach?:

      Man kann sicher davon ausgehen...umso erbärmlicher, dass man selbst dort dann immer noch Nein sagen will.



      Aber FDP halt...