EU-Einigung auf Lieferkettengesetz: Wegschauen bei Kinderarbeit verboten
Die EU verständigt sich auf ein neues Gesetz: Firmen müssen darauf achten, dass ihre Zulieferer Menschenrechte und Umweltstandards einhalten.
Zuletzt hatte es noch eine Nachtsitzung gebraucht. Aber am Donnerstagmorgen war dann klar: Die EU hat sich in Trilogverhandlungen auf ein Lieferkettengesetz geeinigt, das viele Unternehmen künftig dazu verpflichten soll, ihr Produktionsnetzwerk auf mögliche Verstöße gegen die Menschenrechte zu überprüfen und dagegen vorzugehen. Zudem müssen Konzerne einen Plan verabschieden, der sicherstellen soll, dass ihr Geschäftsmodell mit dem Pariser Klimaabkommen vereinbar ist.
Dass die Verständigung zwischen Vertreter*innen des EU-Parlaments, der Mitgliedstaaten und der Kommission über die EU-Sorgfaltspflichtenrichtlinie – wie sie offiziell heißt – überhaupt zustande kommt, war bis zuletzt unsicher. Zu groß schienen die Unstimmigkeiten vor allem zwischen Rat und Parlament.
„Fast bis zum Tageseinbruch“ hätten die Verhandler*innen diskutiert, sagte die Berichterstatterin für das Parlament, Lara Wolters. Sie stellte die Einigung am Donnerstag in einer Pressekonferenz mit Justizkommissar Didier Reynders und dem spanischen Staatssekretär Gonzalo García Andrés vor, der für die Mitglieder im Rat verhandelt hatte.
„Missstände wie Kinderarbeit bei der Gewinnung von Kobalt für Smartphones, Regenwaldzerstörung für Soja, das in unseren Supermärkten landet, sind nur einige Beispiele für unverantwortliche Geschäftspraktiken, bei denen Unternehmen nun nicht mehr wegschauen können“, erklärte Wolters.
Finanzdienstleister ausgenommen
Die letzten Streitpunkte waren Fragen, die beispielsweise im deutschen Lieferkettengesetz, das seit Beginn des Jahres in Kraft ist, noch gar nicht vorkommen. Etwa, ob die Sorgfaltspflichten auch für den Finanzsektor gelten sollen. Dagegen hatte sich besonders Frankreich gewehrt – und mit der Unterstützung der anderen Mitgliedstaaten dann auch durchgesetzt. Im Kompromiss sind Finanzdienstleister nun ausgenommen, sie können aber mit Hilfe einer Überprüfungsklausel später noch eingefügt werden.
Während einige Teile der Finanzlobby sich vehement gegen ihre Einbeziehung in die Richtlinie gewehrt hatten, gab es auch viele Investoren und Finanzdienstleister, die das wollten. Unter anderem hatte Frank Elderson vom Vorstand der Europäischen Zentralbank dafür geworben, die EU-Richtlinie auf den Finanzsektor auszuweiten.
Zweiter großer Streitpunkt waren die Klimavorgaben für Unternehmen: Sollten Unternehmen lediglich Klimapläne vorlegen müssen – oder auch verpflichtet sein, sie umzusetzen und bei Verstößen dagegen belangt werden können? Auch hier hatten sich vor allem Mitglieder des Rats, darunter Deutschland, gegen die stärkeren Verpflichtungen ausgesprochen. Hier setzten sich aber die Vertreter*innen des Parlaments durch. Ebenso wie mit der Vorgabe, dass die Umsetzung der Klimapläne an Bonuszahlungen für Manager*innen gekoppelt sein sollen.
Und auch im dritten Konflikt – der Haftung – behauptete sich das Parlament. Anders als im deutschen Lieferkettengesetz können nach den Vorgaben der EU-Richtlinie Betroffene oder auch Interessenvertreter wie Gewerkschaften oder NGOs künftig vor europäischen Gerichten gegen Unternehmen klagen, die ihren Pflichten nicht nachkommen. Die Verjährungsfrist soll fünf Jahre betragen. Außerdem sollen die Kosten begrenzt werden, die auf Kläger*innen zukommen.
Deutschland muss nachbesser
Während vor allem deutsche Wirtschaftsverbände bis zuletzt stark gegen die EU-Richtlinie lobbyiert hatten, hatten sich etwa Unternehmen aus der Textil- und Nahrungsmittelindustrie immer für klare Regeln eingesetzt und zeigten sich nun entsprechend erfreut. Auch aus der Zivilgesellschaft war Aufatmen zu hören: Ein breites Bündnis an Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen hatte jahrelang für Unternehmenspflichten auf EU-Ebene gekämpft.
Die EU-Richtlinie muss nun noch vom Parlament und den Mitgliedstaaten angenommen werden. Das ist in der Regel nach Abschluss der Trilogverhandlungen nur noch Formsache. Danach müssen die Mitgliedstaaten die Reglungen in nationale Gesetze überführen. Durchgesetzt werden diese dann von den nationalen Behörden. Diese können Untersuchungen durchführen und bei Verstößen Sanktionen gegen die Unternehmen verhängen – vorgesehen sind Geldstrafen von maximal 5 Prozent des Nettoumsatzes.
Deutschland muss sein Lieferkettengesetz nun in einigen Punkten nachbessern: Hinzugefügt werden müssen die Möglichkeit der zivilen Haftung und die Umweltpflichten. Außerdem wird der Geltungsbereich ausgeweitet: Das deutsche Lieferkettengesetz sollte ab 2024 für Firmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitern gelten, die EU-Einigung soll aber solche mit mehr als 500 Mitarbeiter*innen und einem weltweiten Nettoumsatz von 150 Millionen Euro betreffen.
Auch für Unternehmen von außerhalb der EU gilt das EU-Gesetz, wenn sie einen Nettoumsatz von 300 Millionen Euro in der EU erwirtschaften. Außerdem gelten die Sorgfaltspflichten nun für die gesamte Wertschöpfungskette, also auch für Verkauf, Logistik und Entsorgung.
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