UN-Lieferkettengesetz für Unternehmen: Ketten ohne Pflichten

Wieder verhandelt die Weltgemeinschaft über ein Abkommen zu fairen Lieferketten. Im aktuellen Entwurf wurden nun Klima- und Umweltauflagen gestrichen.

Eine Industrieanlage, die Luft ist dunstig

Versuche, Umweltverpflichtungen im UN-Lieferkettengesetz zu verankern, waren schnell vom Tisch Foto: Martin Divisek/epa

Seit Beginn des Jahres haben große deutsche Unternehmen gesetzliche Sorgfaltspflichten und müssen ihre Lieferkette auf die Einhaltung von Menschenrechten überprüfen. In der EU verhandeln die Institutionen über ein ähnliches Gesetz. Es gibt aber noch ein drittes, globales Lieferkettengesetz, das weniger bekannt ist. Dabei wird es schon seit neun Jahren verhandelt. Diese Woche diskutieren Po­li­ti­ke­r*in­nen und Lobbygruppen in der 9. Verhandlungsrunde in Genf über den dritten Entwurf des verbindlichen UN-Abkommens zu Wirtschaft und Menschenrechten.

Während das geplante Abkommen langsam auf mehr Zustimmung bei den UN-Mitgliedstaaten stößt, kritisiert ein breites Bündnis aus Gewerkschaften und zivilgesellschaftlichen Organisationen Aufweichungen in der aktuellen Überarbeitung. So wurden unternehmerische Auflagen zu Umwelt und Klima komplett gestrichen. „Verpflichtungen“ von Unternehmen wurden im Text ersetzt durch „Verantwortung“.

Große Teile der Zivilgesellschaft fordern außerdem, den Finanzsektor explizit im Vertrag zu nennen und in die Pflicht zu nehmen. Außerdem soll Schutz von Betroffenen und deren Zugang zu Recht vertraglich verbessert werden. Auch Kolumbien, Venezuela und Brasilien forderten einen stärkeren opferzentrierten Ansatz.

Der Geltungsbereich umfasst nun alle Unternehmen

Ein Zusammenschluss afrikanischer Staaten wiederholte in den ersten Verhandlungstagen die Forderung, den Geltungsbereich des Vertrags auf multinationale Konzerne zu beschränken, wie es im ursprünglichen Antrag von 2014 vorgesehen war. Denn gerade bei transnationalen Operationen gäbe es eine Rechtslücke. Die Staaten befürchteten außerdem, dass Unternehmen sonst Verantwortung auf Zulieferer abwälzen würden. Die Industrieländer hatten sich dafür eingesetzt, stattdessen „alle Unternehmen“ zu verpflichten, was bereits im zweiten Entwurf angenommen wurde.

Die EU argumentierte, der Vertrag würde sonst Menschenrechtsverletzungen von staatseigenen Unternehmen auslassen.

Seit Beginn der Verhandlungen lehnten die Industrieländer, allen voran die USA, Australien und die EU, ein verbindliches UN-Abkommen ab und stimmten 2014 gegen den Antrag, den Südafrika und Ecuador mit Unterstützung von überwiegend afrikanischen, arabischen und südamerikanischen Staaten eingebracht hatten.

Keine rechtliche Verbindlichkeit wegen der Industrieländer

Die EU boykottierte den Prozess zunächst, meldete etwa mehrfach Verstöße gegen Verfahrensregeln. Im Kern argumentierten die EU und andere Industrieländer, der Prozess doppele bestehende freiwillige Regeln wie die OECD oder UN-Leitlinien zu Wirtschaft und Menschenrechten. Sie stemmten sich vor allem gegen die rechtliche Verbindlichkeit des neuen Abkommens. Auf Druck der Industrieländer wurde dann auch schnell davon abgesehen, Unternehmen durch das Abkommen direkt völkerrechtlich zu belangen.

Stattdessen sollten Staaten dazu verpflichtet werden, Regelungen für Unternehmen einzuführen. Auch die Idee eines internationalen Strafgerichtshofs, um Menschenrechtsverletzungen von Unternehmen zu ahnden, war schnell wieder vom Tisch.

Ben Vanpeperstraete, European Cen­ter for Constitutional Human Rights

„In dem Prozess hat die EU keine Führungsrolle gezeigt, sondern eher das Gegenteil“

Ben Vanpeperstraete von der Menschenrechtsorganisation European Center for Constitutional Human Rights bedauert, dass die EU kein Verhandlungsmandat haben will und nicht am Vertragstext mitarbeitet. Gleichzeitig beanspruche sie im Menschenrechtsrat eine moralische Führungsrolle. In diesem Prozess um das UN-Lieferkettengesetz „hat sie jedoch nicht diese Führungsrolle gezeigt, sondern eher das Gegenteil“, sagte Vanpeperstraete der taz.

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