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Durchsuchung beim G20-GipfelPolizei verläuft sich bei Razzia

Eine Hundertschaft stürmte während des G20-Gipfels das Internationale Zentrum B5. Die Aktion traf auch eine Wohnung und ein Kino.

Welchen Eingang hätten Sie gern? Polizisten durchsuchen das Internationale Zentrum Foto: dpa

Hamburg taz | Aufgebrochene Türen, gefesselte Anwohner und kaum Ergebnisse: Eine Hundertschaft der niedersächsischen Polizei und Beamte des Landeskriminalamtes Hamburg durchsuchten zwei Stunden lang das „Internationale Zentrum“ B5 in der Brigittenstraße. Anlass für die Maßnahme war ein „ernstzunehmender Hinweis des Verfassungsschutzes“, sagt die Hamburger Polizei.

Es habe Gefahr im Verzug gegeben und es hätten sich „gefährliche Gegenstände“ in den Räumlichkeiten befunden, die zur Herstellung von Brandsätzen genutzt werden könnten. Gefunden wurde illegale Pyrotechnik, keine Brandsätze. Dass direkt eine Hundertschaft benötigt wurde, um das B5 am 8. Juli zu durchwühlen, begründete die Polizei mit der „Gesamtsituation während des G20-Gipfels“.Bei der Hausdurchsuchung gingen die Beamten rabiat vor.

Sie ignorierten Aktivisten des Zentrums, die anboten, die Türen aufzuschließen und brachen sie stattdessen auf. Außerdem wurden auch das benachbarte Kino B-Movie und mindestens eine Privatwohnung durchsucht. Weder die Wohnung noch das Kino gehören zum B5. Es wurde für beide kein schriftlicher Durchsuchungsbeschluss vorgelegt.

Der Anwohner, der nach eigenen Angaben im Erdgeschoss der Brigittenstraße 5 wohnt, berichtet von Polizeigewalt. In einem Interview mit dem Online-Portal „Perspektive“ sagte er, dass Beamte ihn gefesselt hätten, dann über ihn gelaufen seien und ihn so am Bein verletzt hätten. „Danach wurde die Wohnung verwüstet“, erzählt er.

Internationales Zentrum B5

Das B5 ist ein Treffpunkt für Antiimperialisten. Abends öffnet das Café für Themenabende. Es werden Vorträge gehalten oder Filme geschaut.

Der Verfassungsschutz betrachtet es als Zentrum für gewaltbereite Linksextremisten.

Die Aktivisten würden mit terroristischen und kommunistischen Gruppen aus Indien, Peru und den kurdischen Autonomiegebieten sympathisieren.

Das B-Movie wurde 2009 gewaltsam vom B5 an der Vorführung der Claude-Lanzmann-Doku „Warum Israel?“ gehindert. Der Film ist pro Israel, das B5 pro Palästina. Der Vorwurf gegen die Veranstalter lautete damals, sie seien antideutsche Rassisten.

Glaselemente in den Wohnungstüren seien zerschlagen worden, der Couchtisch wurde durch die Wohnung geworfen. Der Grund für die Durchsuchung sei ihm nicht genannt worden. Er habe der Polizei gesagt, dass er Anwohner sei und nichts mit dem B5 zu tun habe. Laut ihm war das den Polizisten egal. Erst nach zwei Stunden hätten die Beamten ihn entfesselt, aber ihm sei verboten worden, die Wohnung zu verlassen. Die Möglichkeit, Zeugen oder einen Anwalt zu holen, sei verweigert worden.

Laut einer Mitteilung des „Internationalen Zentrums“ seien die Menschen im B5 über eine Stunde gefesselt gewesen, einer Ärztin sei es untersagt worden, sich um Verletzte zu kümmern. Außerdem seien ebenfalls keine Zeugen dabei gewesen, als die Polizei die Türen in den Räumlichkeiten aufbrach. Der Hinweis der Polizei auf gefundene Pyrotechnik sei „eine Lüge“. Das antiimperialistische Zen­trum bezeichnet das Vorgehen als Angriff.

Philipp Großmann vom B-Movie berichtet, dass der Einsatz „schockierend“ war. Der Eingang zum Kino liegt im Hinterhof hinter dem B5. Es wäre für die Polizei leicht erkennbar gewesen, dass das Kino nicht zum „Internationalen Zentrum“ gehört, sagte Großmann. Die Beamten brachen die Eingangstür auf und verursachten leichte Schäden an Filmspulen und einem Projektor. Die Razzia des Kinos wurde abgebrochen, nachdem die Polizei merkte, dass sie im falschen Gebäude steht.

Eine Durchsuchung ohne schriftlichen Durchsuchungsbeschluss kann legal sein. Laut Joachim Lauenburg, Fachanwalt für Strafrecht aus Hamburg, kommt es hierbei auf den zeitlichen Rahmen an. In einer offiziellen polizeilichen Mitteilung zu dem Einsatz heißt es, dass der Hinweis vom Verfassungsschutz am gleichen Tag einging. Damit könnte die Dringlichkeit gegeben sein, sagt Lauenburg.

Ob die Durchsuchung wirklich rechtens ist, muss hinterher festgestellt werden. Jeder Betroffene kann Akteneinsicht bei der Staatsanwaltschaft einfordern. Ein Anwalt kann dabei hilfreich sein. Aber eine rechtswidrige Hausdurchsuchung schützt nicht vor strafrechtlichen Konsequenzen, wenn illegale Gegenstände oder Drogen gefunden werden.

Die Polizei beantwortete mit Verweis auf die laufenden Ermittlungen keine Nachfragen. Auf die Durchsuchung des Kinos und des Nachbarn geht sie nicht ein. Die Durchsuchung ist Teil der G20-Sonderkommission. Erst wenn deren Arbeit abgeschlossen ist, könne man Stellung nehmen, so ein Sprecher.

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