Dumping-Preise am Flughafen Bremen: Billig fliegen ohne Vorbehalt
Die Umweltorganisation Robin Wood kritisiert die Finanzhilfen für den Bremer Airport als unvereinbar mit dem gerade beschlossenen Klimavorbehalt.
Denn der besagt, dass künftig alle Anträge und Verwaltungsvorlagen im Landtag auf mögliche Klimafolgen hin überprüft werden müssen – mit dem Ziel, Bremens Emissionen bis 2030 um mindestens 80 Prozent gegenüber 1990 zu senken. „Ausgerechnet einen Flughafen finanziell zu unterstützen, läuft sowohl dem Vorbehalt als auch dem Ziel zuwider“, sagt Behrendt. Allein im deutschen Luftverkehr hätten die CO2-Emissionen seit 1990 um mehr als 90 Prozent zugenommen.
Mit der für die Finanzierung der Flughafenfeuerwehr nötigen Änderung des Bremischen Hilfeleistungsgesetzes im Dezember habe Bremen darauf geachtet, dass es sich bei den Finanzhilfen nicht um unzulässige Zuweisungen handele, sagt Behrendt. „Und weil das alles zeitlich vor dem Beschluss des Klimavorbehalts stattgefunden hat, fürchten wir, dass der deswegen nicht greift.“ Allerdings: Der Haushalt für dieses und nächstes Jahr ist ja noch gar nicht verhandelt, geschweige denn beschlossen worden.
„Die Kostenübernahme der Flughafenfeuerwehr konterkariert nicht mit den Klimaschutzzielen“, sagt auf taz-Anfrage Sebastian Rösener, Sprecher der zuständigen Häfensenatorin Claudia Schilling (SPD). „Sofern es in den Haushaltsverhandlungen beschlossen wird, steht einer Auszahlung nichts im Wege.“
LEDs für den Klimaschutz
Selbstverständlich werde jede Investition auch daraufhin überprüft, inwieweit sie einen Beitrag zum Klimaschutz leisten werde, „beispielsweise wie aktuell vorgesehen, der Ersatz der Leuchten auf dem Vorfeld durch LEDs“.
Das Geld müsste dringend in eine klimafreundliche Verkehrswende investiert werden, sagt Behrendt. Für den Flughafen hingegen dürfte es überhaupt kein Problem sein, jährlich 4,2 Millionen Euro und mehr zusätzlich einzunehmen: „Diese Summe entspricht ja nicht einmal zwei Euro pro Passagier im Jahr – der Flughafen soll also gefälligst seine Preise erhöhen und sich das Geld von seinen Kunden holen!“
Von einer Preiserhöhung ist der Flughafen freilich weit entfernt – im Gegenteil: Seit 1. Februar gewährt er im Rahmen einer neuen Entgeltordnung sogar noch Rabatt: Für Fluglinien, die Verbindungen ab Bremen ausbauen oder neu einrichten, gibt es künftig einen Nachlass von anfänglich satten 85 Prozent auf die Start- und Landegebühren. „Absurd“, sagt dazu Behrendt.
„Kleine Flughäfen arbeiten defizitär und werden deswegen subventioniert – bloß, um dann auch noch untereinander mit Rabatten in den Wettbewerb zu treten.“ Damit würden Dumping-Preise für Flüge noch befördert statt Alternativen wie ein länderübergreifender Bahnverkehr.
Diese Kurzstreckenflüge, kritisiert auch Ralf Bohr von der Vereinigung zum Schutz Flugverkehrsgeschädigter, könnten durch die „Rabattaktion“ des Flughafens gestärkt werden und damit in direkte Konkurrenz zur Bahn treten. „Mehr Verkehr, mehr Lärm, mehr Schadstoffe, mehr Klimaschädigung“, fasste er im Weser-Kurier die Folgen der neuen Entgeltordnung zusammen.
Werner Behrendt, Robin Wood
Trotzdem hat das zuständige Hafenressort nur wenige Tage vor dem Beschluss des Klimavorbehalts das Lockangebot des Flughafens genehmigt. Laut des Luftfahrtgesetzes sei die Behörde dazu verpflichtet, die Entgeltordnung zu genehmigen, wenn sie bestimmten Kriterien entspreche, sagt Rösener. „Dazu gehören unter anderem die Herstellung von Transparenz, der Kostenbezug muss gegeben sein und es darf keine Diskriminierung der Airlines erfolgen.“
Was den Klimavorbehalt angehe, beinhalte die Entgeltordnung „beispielsweise auch Rabattierungen für emissionsarme Flugzeuge. Dadurch wird ein Anreiz für Airlines geschaffen, modernes, leises und kraftstoffsparendes Fluggerät am Bremer Flughafen einzusetzen.“
Ihn habe die Rabattaktion gewundert, sagt Arno Gottschalk, umweltpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion. „Denn beim Klimaschutz müssen wir natürlich gerade in Richtung Fliegerei einen kritischen Blick werfen.“ Gleichzeitig dürfe man aber auch die Zukunft des Flughafens nicht aus dem Blick verlieren. „Die Strategie der neuen Entgeltordnung ist mir allerdings noch unklar – ich sehe da Gesprächs- und Erläuterungsbedarf sowohl in Richtung Flughafengeschäftsführung als auch in Richtung Häfensenatorin.“
Den sehen auch die Grünen: Sie bereiten eine Bürgerschaftsanfrage vor, „um herauszufinden, was da passiert ist und was die Entgeltverordnung klimapolitisch konkret bedeutet“, sagt Phillip Bruck, klimapolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion. Der Klimavorbehalt, sagt Bruck, sei allerdings erst nach der Genehmigung der Verordnung beschlossen worden. Implementiert werde das Instrument erst in den nächsten zwei Monaten: „Wie dann ein praktisch umsetzbares Verfahren aussieht, ist noch nicht entschieden.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen
Klimakiller Landwirtschaft
Immer weniger Schweine und Rinder in Deutschland