Druck auf Brasiliens Präsidenten: Bolsonaro im Panikmodus
Erst wechselt Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro sechs Minister aus, dann tritt die Armeespitze zurück. Der Druck auf den Rechtsextremen steigt.
Grund für den Rücktritt: Bolsonaro hatte am Montag bekannt gegeben, sechs Minister zu ersetzen, darunter Verteidigungsminister Fernando Azevedo e Silva. Dieser hatte seinem Chef klargemacht, dass die Streitkräfte der Verfassung und nicht dem Regierungsprojekt Bolsonaros verpflichtet seien. Bolsonaro, selbst ehemaliger Fallschirmjäger, soll vom Militär größere Loyalität eingefordert haben. In letzter Zeit sprach er von „meiner Armee“.
Neben Verteidigungsminister Azevedo musste am Montag auch Außenminister Ernesto Araújo zurücktreten. Der selbsterklärte „Antiglobalist“, Klimawandel-Leugner und glühende Trump-Fan wird für das Chaos bei der Impfstoff-Beschaffung verantwortlich gemacht.
Mit der Kabinettsumbildung reagierte Bolsonaro auf die wachsende Kritik an seinem Corona-Management. Brasilien durchlebt derzeit die kritischste Phase der Pandemie mit durchschnittlich 2.600 Toten pro Tag, kollabierten Gesundheitssystemen, gefährlichen Virus-Mutationen und einer schleppend laufenden Impfkampagne.
Bolsonaro sät Zweifel am elektronischen Wahlsystem
Der centrão, der mächtige Block aus Mitte-rechts-Parteien im Parlament, nimmt den Präsidenten immer stärker in die Verantwortung. So hatte der Unterhauspräsident vor wenigen Tagen indirekt mit einer Amtsenthebung gedroht, sollte Bolsonaro die Situation nicht in den Griff bekommen. Auch Wirtschaftsverbände kritisierten den ultrarechten Politrowdy zuletzt in ungewohnter Deutlichkeit.
Nach massivem Druck war erst vor zwei Wochen der umstrittene Gesundheitsminister Eduardo Pazuello gegen einen Kardiologen ausgetauscht worden. Mehr noch: Der Impfkritiker Bolsonaro hatte sich für Impfungen ausgesprochen und begonnen, in der Öffentlichkeit Maske zu tragen, was er zuvor als eine „Sache für Schwuchteln“ bezeichnet hatte. Der zaghafte Kurswechsel hängt wahrscheinlich auch mit dem Comeback des populären Ex-Präsidenten Lula zusammen, der den kriselnden Bolsonaro für die Wahl im Jahr 2022 unter Druck setzt.
In dieser angespannten Situation beobachten viele Bolsonaros Versuche der Einflussnahme auf das Militär mit Sorge. Sie befürchten, er könnte versuchen, die Streitkräfte für politische Zwecke zu nutzen, etwa zur Verhinderung eines Amtsenthebungsverfahrens oder im Falle einer Wahlniederlage. Bolsonaro sät bereits jetzt Zweifel am elektronischen Wahlsystem – obwohl es in Brasilien seit der Redemokratisierung 1985 keinerlei Anhaltspunkte für Wahlfälschungen gegeben hatte. Die Botschaft ist klar: Die Wahlergebnisse akzeptiert er nur, wenn er gewinnt.
Nicht weniger beunruhigend ist für viele Brasilianer*innen, dass nun radikale Ideolog*innen die verhältnismäßig moderaten Kräfte im Militär ersetzen könnten. Zum neuen Verteidigungsminister wurde Walter Braga Netto ernannt, ein Bolsonaro-treuer General. Der machte gleich am ersten Tag seines neuen Jobs klar, wofür er steht: Den Militärputsch von 1964, der sich am Mittwoch zum 57 Mal jährte und eine blutige Diktatur einleitete, bezeichnete er als „Bewegung von 1964“ – und forderte, den Tag gebührend zu feiern.
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