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Drohende ÜberflutungenSchlechter Schutz vor Hochwasser

Viele Bundesländer sind auf ein Jahrhunderthochwasser nicht ausreichend vorbereitet. Zu diesem Ergebnis kommt eine Analyse der Deutschen Umwelthilfe.

In vielen Bundesländern sind die Menschen nicht ausreichend gegen Überflutungen geschützt, kritisiert die Deutsche Umwelthilfe Foto: Jens Büttner/dpa

Berlin dpa | Viele Bundesländer sind nach Einschätzung der Deutschen Umwelthilfe (DUH) im Fall eines Jahrhunderthochwassers nicht ausreichend vorbereitet. Dabei seien die Risiken für schwere Schäden in einigen Regionen hoch, wie der Verein mitteilte. „Bislang tun die Bundesländer jedoch zu wenig für den Schutz der potenziell hunderttausenden Betroffenen“, sagte DUH-Bundesgeschäftsführer Sascha Müller-Kraenner laut einer Mitteilung.

Nachholbedarf im Bereich Hochwasservorsorge und Vorsorgemonitoring sieht die DUH vor allem beim naturbasierten Hochwasserschutz der Länder, etwa der Renaturierung von Auen und Flüssen. Durch solche Maßnahmen könnte sich Wasser besser ausbreiten und langsam wieder abfließen. „Flüsse und Bäche brauchen endlich mehr Raum, Wasser muss in intakten Wäldern, Wiesen und Feuchtgebieten zurückgehalten werden“, sagte Müller-Kraenner.

Ein Jahrhunderthochwasser tritt statistisch gesehen zwar nur einmal alle 100 Jahre auf, aber: „Im Zuge der Klimakrise sind Wasserstände dieser Höhe zukünftig häufiger zu erwarten“, schreibt die Umwelthilfe.

Aus der bei einem Jahrhunderthochwasser potenziell von Schäden betroffenen Fläche und der Zahl der betroffenen Wohnadressen errechnete die DUH einen Hochwasser-Risikograd für die Länder. Der Risikograd sei dann besonders hoch, wenn ein Bundesland insgesamt eine große Hochwasser-Risikofläche gemäß EU-Definition hat und gleichzeitig viele Wohnadressen in den möglichen Überflutungsgebieten liegen.

Bayern hat die größten Risiken

In Bayern ist der Risikograd den Angaben zufolge am höchsten. Dort seien mit mehr als 65.000 Wohnadressen besonders viele Menschen einem Hochwasserrisiko ausgesetzt, gleichzeitig sei dort bei einem Jahrhunderthochwasser auf 4,25 Prozent der Landesfläche mit erheblichen Schäden für Menschen, Umwelt, Kulturerbe und wirtschaftliche Tätigkeiten zu rechnen. Zum Vergleich: In Nordrhein-Westfalen wäre dies zwar bei 6,8 Prozent der Landesfläche der Fall, hier wären mit rund 28.000 Wohnadressen aber deutlich weniger Menschen als in Bayern einem Hochwasserrisiko ausgesetzt.

Hoch ist der Anteil der Risikoflächen an der Landesfläche auch in Brandenburg (6,2 Prozent), Sachsen-Anhalt (5,9 Prozent), Baden-Württemberg (4,7 Prozent) und Hessen (4,6 Prozent). Am geringsten ist er in Mecklenburg-Vorpommern mit 0,7 Prozent.

Die Berechnungen basieren laut DUH auf Daten des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherer und der Bundesanstalt für Gewässerkunde.

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6 Kommentare

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  • Ich bin an der Donau aufgewachsen und vor Ort gab es in den 80ern und 90ern viele Jahrhunderthochwasser. Aber nicht weil es damals mehr geregnet hat als sonst, sondern weil die Ufer der Donau "optimiert" wurden.



    Denn es waren die üblichen Verdächtigen: die Landwirte wollten ihre Ackerflächen und Wiesen nicht für notwendige Polder opfern, Anwohner wollten möglichst nah oder sogar in überschwemmungsrelevenaten Gebieten bauen. Der Erkenntnisgewinn hat lange gedauert, und wurde wahrscheinlich auch mit viel Geld bezahlt. Heute gehören Überschwemmungen von Stadtgebieten der Vergangenheit an.

  • Es gibt viele Länder, in denen die Menschen der Natur im Falle einer Naturkatastrophe schlimmstens ausgeliefert sind ( und häufig tragen die Industrieländer eine große Mitschuld).



    Aber hier gibt es schon Jahre um Jahre Erkenntnisse (und immer wieder verschobene Planungen) zu Gefahren und Schutzmechanismen. Aber nichts geschieht, unfassbar.



    Da spendet man jedesmal und immer wieder, wenn man die Bilder sieht. Aber inzwischen macht mich die Ignoranz wütend.

  • Der Aktionsplan des Niedersächsischen Landesamtes für Wald, Küstenschutz und Naturschutz (NLWKN) versagt auf ganzer Linie. An der Elbe wird auf den Ausbau von Deichen gesetzt; ebenso wird die Geländerauigkeit durch Rodung der nach EU - Recht streng geschützten Weichholzaue in Teilen (angebliche Engpässe) verringert. Altarme werden wieder angeschlossen, obwohl die Elbe vertieft werden soll, und ein Anschluss überwiegend zur Austrocknung der für die Biodiversität wertvollen Aue führen dürfte (erschwerend kommen die zu erwartenden Dürreperioden hinzu, die den Pegel der Elbe für die größte Zeit des Jahres auf Extremwerte sinken lassen). Auf brandenburger Seite setzt man auf großflächige Retentionsräume für den Fluss, was ein Vielfaches der Wirkung erzielt, wie der von der Uni Hamburg nachgerechneten 2 cm Hochwasserspitze, die durch die naturzerstörerischen Maßnahmen des NLWKN bewirkt werden.

  • Macht sich die DUH nicht auch für E-Autos stark?



    Geld, das für E-Autos ausgegeben wird, steht nicht mehr für den Hochwasserschutz zur Verfügung.

  • Dass der IPCC im AR6, der immerhin vor 4 Jahren schon publiziert wurde, die Maßnahmen zum Schutz gegen Extremwetter genauso bzgl. Wichtigkeit / Dringlichkeit beschreibt wie die Maßnahmen zur C02-Reduzierung scheint immer noch weitgehend unbekannt zu sein.

  • "Nachholbedarf im Bereich Hochwasservorsorge und Vorsorgemonitoring sieht die DUH vor allem beim naturbasierten Hochwasserschutz der Länder, etwa der Renaturierung von Auen und Flüssen. "

    Solche Sätze gibt es bereits seit Jahrzehnten, auch dann als der Klimawandel noch nicht "das" Thema war. Sie fallen immer dann, wenn es irgendwo eine heftige Überschwemmung gab.

    Nach kurzer Zeit war das Thema aber nur noch ein kleines Nachrichtenschweinchen , das aus dem medialen Dorf heraus gejagt wurde. Aus den Augen aus den Sinn.

    Bei den regionalen und kommunalen Planungen war die Bedeutung der Vermeidung von Versiegelungen und Schaffung von Retentionsräumen schnell passe.

    Die Angabe von Risikoflächen pro Bundesland halte ich für sinnfrei. Die Bundeslandgrenzen richten sich nicht nach der Geographie. Alpen, Mittelgebirge und Flachland als orographische Hauptfaktoren für Überschwemmungen sind einfach zu unterschiedlich verteilt. Und in großen Bundesländern sind die Gegebenheiten auch noch mal sehr unterschiedlich verteilt