Doping-Urteil gegen HSV-Profi Vušković: Die Macht der Zweifler

Das DFB-Sportgericht sperrt Mario Vušković vom Hamburger SV für zwei Jahre. Der Protest ist groß. Über das Verhältnis von Fußball und Doping.

Zwei HSV-Fans halten ein Trikot von Mario Vušković hoch

Glaube an das Gute: HSV-Fans bekunden ihre Solidarität mit dem gesperrten Vušković Foto: Marcus Brandt/dpa

Würde man unter den Anhängern des Hamburger SV eine Umfrage erheben, ob ihr geliebter Innenverteidiger Mario Vušković gedopt hat, wäre das Ergebnis absehbar. Die Mehrheit würde vermutlich sagen: Das glaube ich nicht. Auch das Urteil des DFB-Sportgerichts vom Donnerstag, laut dem die Analysen der A- und B-Probe seiner Überzeugung nach mit „hinreichender Gewissheit“ zeigen, dass sich im Urin des 21-jährigen Kroaten Epo befunden hat, wird die Überzeugung der Fans kaum ins Wanken bringen. Am Fußball hängen die Emotionen unzähliger Menschen. So werden die Debatten über Doping emotional geführt. Die Wucht der Gefühle vermag es, dass selbst wissenschaftliche Ergebnisse von Dopinglaboren auf der Ebene von Glaubensfragen verhandelt werden.

Gewiss kann es auch im Fußball falsch-positive Proben geben. Es handelt sich dabei aber um absolute Ausnahmefälle. Umso erstaunlicher ist es, mit welcher Eindeutigkeit der HSV für seinen Spieler Partei ergreift, der nun für zwei Jahre gesperrt wurde. Der HSV-Vorstand Jonas Boldt kündigte an, man werde vor dem DFB-Bundesgericht in Berufung gehen. Dabei wäre eine vierjährige Sperre möglich gewesen.

Vor dem Richterspruch hatte Boldt gepoltert, es könne „eigentlich nur einen Freispruch geben“. Wie die Vušković-Anwälte vor Gericht stellte er die Nachweismethode von Epo grundsätzlich in Frage. Seit 2013 wird das Wachstumshormon, das die Zahl der roten Blutkörperchen und den Sauerstofftransport erhöht, mit einem speziellen Urintestverfahren ausfindig gemacht. Dabei entsteht ein Bild, bei dem künstliches Epo vom körpereigenen Epo per Augenschein unterschieden werden kann.

Weit über 400 Sportlerinnen und Sportler sind laut der Statistik der Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada) nach diesem Verfahren als Epo-Betrüger enttarnt worden. Jonas Boldt vom HSV dagegen stellte vor den Mikrofonen des TV-Senders Sky fest, dass man „leider auf einem Rücken eines jungen Menschen einen Präzedenzfall“ habe.

Spott über das Dopinglabor

Das Premierengefühl von Boldt entspricht dem Selbstverständnis in der Fußballwelt. Doping ist immer nur anderswo. Der Fußball hat nichts damit zu tun. Eine Grundhaltung, die etwa Mehmet Scholl legendär verkörperte. In seinem Job als TV-Experte bei der ARD weigerte er sich, über das Thema überhaupt nur zu sprechen. Jetzt, da sich dies mit Vušković und dem ersten Epo-Fall im deutschen Profifußball nicht vermeiden lässt, wird aber gleich das System in Frage gestellt – also das der Anti-Doping-Kämpfer.

Es sei „keine Verhältnismäßigkeit“, wenn das menschliche Auge entscheidet, ob ein Befund positiv oder negativ sei, erklärte Boldt. Die Nada-Analysten der Vušković-Probe sprachen von einem eindeutigen Bild. Die vier vom HSV und Vušković bezahlten Gutachter haben vor Gericht die Ergebnisse des Labors in Kreischa dagegen als „falsch positiv“ deklariert. Boldt spottete kürzlich, als er sich über eine vermeintlich falsche Videobeweisentscheidung bei einem HSV-Spiel aufregte: „Ich weiß nicht, ob sie da irgendwelche verschwommenen Doping-Bilder aus Kreischa eingeblendet haben …“

Das Säen von Zweifeln betreibt der HSV nicht exklusiv. Die Süddeutsche Zeitung titelte etwa im Februar „Der Ruf der globalen Dopinganalytik steht auf dem Spiel“. Geschrieben wurde zwar von einer Reihe anderer umstrittener Dopingbefunde in der Vergangenheit, die Grundsatzfrage wurde aber gestellt, nachdem das Fußballbusiness das Thema groß gemacht hatte. Konkrete Bedenken von Experten wurden angeführt. Das Testbild könne etwa ungünstig verfälscht werden, wenn zu viel Urin für die Probe verwendet wird.

Die Verteidiger von Vušković prangerten genau das an. Das Labor habe 20 statt der maximal zulässigen 15 Milliliter Urin verwendet. Es wurden aber lediglich 10 Milliliter genutzt, das bestätigt eine Recherche von Zeit Online. Der Epo-Nachweis ist komplex, aber er ist es immer gewesen.

Ein Befangenheits- und Strukturproblem

Angreifbar hat sich das DFB-Gericht in seinem Verfahren unbestreitbar gemacht. So sitzt der Gutachter Jean-Francois Naud, der die Arbeit des Labors in Kreischa überprüfte, in derselben Wada-Arbeitsgruppe wie Sven Voss, der Laborleiter von Kreischa. Ein Befangenheitsproblem wollte das Gericht nicht sehen.

In jedem Fall liegt ein strukturelles Problem vor. Es gibt außerhalb der Wada nur wenige Wissenschaftler, die Epo-Analysen durchführen. Deshalb konnte die Verteidigung von Vušković auch keinen Epo-Experten aufbieten, was ihr zum Nachteil gereichte. Doch mit diesem Problem müssen sich überführte Epo-Betrüger seit Jahren herumschlagen.

Über Doping und Fußball würde die DFB-Gerichtsbarkeit am liebsten nicht mehr sprechen. Vušković wurde ein Deal angeboten. Strafmilderung, wenn er zugeben würde, dass er gedopt habe. Die Akten hätten geschlossen werden können. Einzelfall, fertig, aus. Doch Mario Vušković und seine Anwälte willigten nicht ein. Es wird eine nächste Runde geben. Grundsätzliches wird wieder verhandelt werden.

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