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Donald Trump und das F-WortProjekt und Projektion Faschismus

Dominic Johnson
Essay von Dominic Johnson

Ist Donald Trump ein Faschist? In den USA sind sich immer mehr Analysten darüber einig – und verwaschen so die Bedeutung dieses Begriffs.

Viele halten auch Trump für einen Faschisten Illustration: Katja Gendikova

D ie Frage „Ist Trump ein Faschist?“ ist in den USA so alt wie Donald Trumps politische Karriere. „So kommt Faschismus nach Amerika“, schrieb der konservative Kommentator Robert Kagan schon 2016, als Trumps Aufstieg gerade begann. „Wir sollten zögern, bevor wir diese toxischste aller politischen Bezeichnungen auf Trump anwenden“, mahnte demgegenüber der renommierte Faschismusforscher Robert Paxton 2017: Trump sei einfach „eine autoritäre Persönlichkeit bar jeder Verpflichtung zum Rechtsstaat, zu politischer Tradition oder gar Ideologie“.

Der Sturm rechtsradikaler Trump-Anhänger auf das Kapitol am 6. Januar 2021, um den Machtwechsel zu verhindern, sorgte für einen Umschwung. Gleich in der nächsten Ausgabe des Magazins Newsweek übte Paxton öffentlich Selbstkritik und gab den Faschismusbegriff für Trump frei: „Die Bezeichnung erscheint heute nicht nur akzeptabel, sondern notwendig.“

Trumps Gegner griffen das dankbar auf. Kurz vor den Wahlen 2024 beantwortete Kamala Harris, Präsidentschaftskandidatin der US-Demokraten, die Frage, ob sie Trump für einen Faschisten halte, mit „Ja“. Seit seiner erneuten Amtsübernahme am 20. Januar 2025 checken US-Linke Trumps Worte und Taten gegen ihre Listen der Merkmale des Faschismus – Autoritarismus, extremer Nationalismus, Militarismus und „Othering“, also Ausgrenzung, lautet eine der beliebtesten – und kommen zum Schluss: Ja. Trump ist ein Faschist.

In Ländern, die Faschismus selbst erlebt haben, ist er Teil der eigenen Geschichte. In den USA ist es ein abstrakter Begriff, um dessen Definition sich die historische Wissenschaft streitet, vor allem in Bezug auf Europa zwischen den Weltkriegen. Vielleicht nicht ganz zufällig entwickelte sich in den Jahren der Verhärtung in den USA nach den Terroranschlägen des 11. September 2001 eine Kontroverse darüber, ob Faschismus eine „revolutionäre“ oder eine „konterrevolutionäre“ Bewegung sei, also mit einer eigenen positiven Vision oder lediglich mit dem Negativziel, unerwünschte Entwicklungen zu zerstören.

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Für erstere Annahme stand der in den USA lehrende britische Soziologe Michael Mann, für letztere Robert Paxton. Mann definiert Faschismus in seinem Buch „Fascists“ als eine Form von Staatsumbau, als „das Bestreben, eine transzendente und säubernde Nationalstaatlichkeit durch paramilitärische Organisation zu schaffen“; er unterdrückt zunächst seine Gegner und unterwirft nach dem Sieg alle Klassen und Gruppen einem korporatistischen Einheitsstaat.

Paxton hingegen definiert Faschismus in „The Anatomy of Fascism“ als eine Art Abwehrkampf, nämlich „eine Form politischen Verhaltens, die durch eine obsessive Beschäftigung mit dem Niedergang der eigenen Gemeinschaft, ihrer Demütigung oder Opferrolle sowie durch kompensatorische Kulte von Einheit, Stärke und Reinheit gekennzeichnet ist, in denen eine Partei nationalistischer Kämpfer, die in loser, aber effektiver Zusammenarbeit mit den traditionellen Eliten arbeitet, demokratische Freiheiten aufgibt und mit messianischer Gewalt und ohne ethische oder rechtliche Beschränkungen Ziele der internen Säuberung und externen Expansion verfolgt“.

Als die Öffentlichkeit diese vergleichende historische Forschung für die Analyse des Phänomens Trump ausschlachtete, war die Wissenschaft entsetzt. Denn nun konnte man sich aus unterschiedlichen Faschismusdarstellungen die jeweils passende selbst zusammenstricken und auf die Gegenwart projizieren. Der Politologe Dylan Riley warnte 2018, so missbrauche man „die Vergangenheit als Lagerstätte zusammenhangloser Beispiele“.

Als aber Paxton 2021 Trump dann doch als Faschisten bezeichnete, zog er selbst den historischen Bogen. Wenn man, wie Paxton, Faschismus als organisierte Konterrevolution begreift, ist der Sturm auf das Kapitol ein faschistischer Akt und „Make America Great Again“ eine faschistische Parole. Schon Italiens Benito Mussolini hatte 1919 beim Gründungskongress der faschistischen Bewegung gesagt: „Wir Faschisten haben keine vorgefertigte Doktrin, unsere Doktrin ist die Tat.“

Faschismus ist mehr als nur Gefuchtel

Aber genügt ein Aufstand, genügt eine Attitüde, um Faschist zu sein? Im Laufe der Jahre wurden solche Debatten in linken Zirkeln zu einer Art Reinlichkeitstest für Trump-Gegner, „ein Proxy dafür, wie man zu anderen Fragen steht“, bemerkte der New Yorker im März 2024 in dem Essay „Wieso wir nicht aufhören können, darüber zu streiten, ob Trump ein Faschist ist“, und schlussfolgerte: „Um zu wissen, wann wir Panik kriegen sollen, müssen wir wissen, wonach wir Ausschau halten.“

Wonach also hält man Ausschau? Hitlergrüße? Hakenkreuze? NS-Reizwörter? Rufe nach „Remigration“?

Vielen genügt das. Faschismus ist aber nicht auf Gesten und Worte zu reduzieren. Faschismus ist keine Show und auch keine bloße Haltung. Es ist ein politisches und gesellschaftliches Organisationsprinzip. In zeitgenössischen Schilderungen des Faschismus aus den 1930er Jahren fällt auf, dass an erster Stelle immer die Massen­organisationen und ihre rohe Gewalt stehen, die allen Konkurrenten den Rang streitig machen. Mit der Machtergreifung rücken sie selbst an die Schaltstellen der Macht. Staatliche Institutionen sind fortan nur noch ausführende Organe des durch den Faschismus ausgedrückten Volkswillens. Man gehört dazu – oder man ist Volksfeind. Der gesunde Volkskörper muss von kranken Elementen gesäubert werden, Gewalt gegen Abweichende und Andersdenkende ist systemisch und unbarmherzig.

„Die faschistische Diktatur findet das nächste Moment für ihr Handeln in der Notwendigkeit, jede Kritik, jede gegnerische Organisation zu vernichten, die gesamte gesellschaftliche Tätigkeit ihrer Kontrolle und Leitung zu unterwerfen“, hieß es in einem der letzten Manifeste der nicht stalinistischen deutschen Linken vom Mai 1933, bevor sie alle ins KZ wanderten oder in die Emigration zogen. „Der Faschismus treibt die bürgerliche Staatsgewalt auf die höchste Spitze. Er reduziert sie auf die nackte Gewalt. Zugleich setzt er an seine Spitze den Abschaum der bürgerlichen Gesellschaft, eine Bande von Abenteurern, Dieben, Meuchelmördern, Banditen.“

Es gibt viele Länder, auf die all dies heute zumindest teilweise zutrifft: Wladimir Putins Russland mit seiner Dauerhysterie und seinen Dauerkriegen, Xi Jinpings China mit seiner totalen sozialen Kontrolle und der Dominanz der Partei gegenüber dem Staat, Assads Syrien und Kims Nordkorea ebenso.

Aber die USA? Trumps Politik mag zu Recht Widerstand hervorrufen. Aber die USA bleiben ein Land, in dem die Opposition frei tätig bleibt, die Gewaltenteilung funktioniert, Justiz und Medien unabhängig arbeiten und wo man den Präsidenten ungestraft einen Verbrecher nennen darf.

Eine Faschismusdefinition, die ohne die Praxis faschistischer Machtausübung auskommt, die nicht von der Gewalterfahrung von Faschismusopfern ausgeht, degradiert Faschismus von Herrschaft zu Performance, vom Terror zum Habitus. Man läuft dabei Gefahr, wahre Faschisten zu verkennen.

Eine Worthülse als Kampfbegriff

Putin etwa einen Faschisten zu nennen ist in den USA verpönt. Zwar führte der russische Kommentator Wladislaw Inosemzew 2022 sorgfältig Parallelen zwischen Putin und Mussolini auf und wies darauf hin, mit dem Krieg gegen die Ukraine sei diese Frage jetzt von „mehr als theoretischem Interesse“. Aber in Deutschland sträubt man sich dagegen. In der taz meinte der deutsche Historiker Ulrich Herbert: „Faschismus ist in Bezug auf Russland ein rhetorischer Kampfbegriff, der das Böse und Gegnerschaft assoziieren soll. Analytisch taugt er nicht. In dieser Logik könnten wir auch China als faschistisch bezeichnen.“

Worauf man antworten könnte: Ja, warum eigentlich nicht? Und es ist vor allem Russland selbst, das den Faschismusvorwurf ungeniert als rhetorischen Kampfbegriff gegen den „kollektiven Westen“ im Allgemeinen und die Ukraine im Besonderen missbraucht. Rechte Israelis und radikale Palästinenser bezeichnen sich gegenseitig als Nazis. Weltweit gehört „Faschist“ zu den beliebtesten politischen Beschimpfungen.

Das ist nicht neu, wie man im Essay „Was ist Faschismus?“ des britischen Schriftstellers George Orwell aus dem Jahr 1944 feststellt. Aus heutiger Sicht waren damals, zum Höhepunkt des Zweiten Weltkrieges und des Kampfes gegen Hitler, die Dinge eigentlich eindeutig. Aber Orwell führt aus, dass „Faschist“ im Alltag vor allem als Schimpfwort diente, das in Großbritannien schon alles und jeden traf: „Konservative, Sozialisten, Kommunisten, Trotzkisten, Katholiken, Kriegsgegner, Kriegsbefürworter, Nationalisten“. Seine Schlussfolgerung: „Das Wort Faschismus ist fast komplett bedeutungslos.“

Der Faschismus­vorwurf sollte Harris zum Wahlsieg verhelfen. Aber mussten die US-Demokraten nach der Wahlniederlage in den Untergrund?

Auch heute dient der Faschismusvorwurf vor ­allem der Abgrenzung. Es ist die Definition eines Bösen, mit dem man unter keinen Um­ständen ­etwas zu tun haben darf. Es ist eine Negativ­definition ohne eigenen Inhalt. Der Faschismus­vorwurf gegen Donald Trump sollte, wie linke ­Kritiker während des US-Wahlkampfs be­mängelten, in erster Linie Kamala Harris zum Sieg verhelfen, denn er stilisierte die Präsidentschaftswahl zu ­einer Entscheidung zwischen Gut und Böse. Aber regiert heute das Böse? Müssen die US-Demokraten nach der Wahlniederlage in den Untergrund?

Was Trump heute als Faschismus vorgeworfen wird, trifft auf so gut wie alle autoritären ­Regime der Welt zu: Eine personalisierte Staatsmacht ohne Achtung für Rechtsstaat, Tradition und Ideologie schützt eine oligarchische Klüngelwirtschaft. Bleibt man dabei, sind die meisten Länder der Welt faschistisch. Das banalisiert den Begriff, es führt geopolitisch in die Isolation – und es ist eine Diagnose der Hoffnungslosigkeit.

Das Fehlen von Hoffnung galt in den 1930er Jahren als Hauptmotiv derer, die sich den Faschisten zuwandten. Nie wieder ist jetzt? Dann braucht es jetzt neue Analysen.

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Dominic Johnson
Ressortleiter Ausland
Seit 2011 Co-Leiter des taz-Auslandsressorts und seit 1990 Afrikaredakteur der taz.
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18 Kommentare

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  • Peer Steibrück hat es nicht in Bezug auf Trump, sondern auf Musk gut in Worte gefasst. Und eine Machergreifung von Musk ist ja nun auch wirklich im Gange.



    (hier im Audio ab 1:15:40):



    www1.wdr.de/radio/...einbrueck-112.html



    "Bezogen auf Musk will ich was hinzugügen: Den halte ich für einen Technofaschisten. Das heißt, es geht viel weiter als das, was Sie bisher gesagt haben. Da hat sich etwas gebildet – nicht nur bezogen auf Musk, sondern auf diese ganzen Silicon-Valley-Herzöge: Die sind wirklich der Überzeugung, dass algorithmengesteuerte Gesellschaften unter ihrer Kontrolle besser funktionieren als demokratisch regierte Länder. Das ist ihr Punkt."

  • Es werden wohl einige Kennzeichen des historischen Faschismus angewandt werden, wenn es in die wirtschaftsliberale Agenda passt. Wenn nicht, dann nicht. Das Ergebnis der wirtschaftsliberalen Agenda ist so oder so für die Armen und eher Minderheiten verheerend.

  • Trump und Hitler'sche Begriffe:

    "Der Hitler’sche Wahn vom “reinen Blut” ist in den letzten Monaten und Wochen zum festen Bestandteil von Trumps Wahlkampfrhetorik geworden: ... “Es ist wahr, sie zerstören das Blut des Landes...” Er fügte hinzu, dass er “Mein Kampf” nicht kenne: „Ich habe ‚Mein Kampf‘ nie gelesen. ... Abgesehen davon, dass Trump ... laut seiner Exfrau Ivana Trump ein Buch mit Hitlers Reden besaß und 1990 selbst behauptete, ein Exemplar von “Mein Kampf” zu besitzen, ist es letztlich irrelevant, ob Trump nun “Mein Kampf” gelesen hat oder nicht ..."

    www.volksverpetzer...mps-nazi-rhetorik/

    Auch Elon Musk schlägt in die faschistische Kerbe, etwa beim Kampf gegen Humanismus und alles, was links ist:

    "In einem anderen Beitrag sprach Musk in der Vergangenheit über die Behörde: "USAID war ein Schlangennest von linksradikalen Marxisten, die Amerika hassen."

    www.n-tv.de/politi...ticle25534194.html

    M.E. sind das faschistische Intentionen, nicht zu verwechseln mit faschistischen Methoden. Diese sind sehr flexibel, aber steigerungsfähig. Schau'n wir mal!

  • Danke - feine tour d‘horizont. Das ja.

    Ihrer Nagelprobe “ Aber regiert heute das Böse? Müssen die US-Demokraten nach der Wahlniederlage in den Untergrund?“

    Setz ich mal die der faschismuserfahrenen Italiener entgegen!



    “Bello. Was ist da draussen für ein Lärm? Schau mal nach! …Liegt der Müll noch in den Straßen?



    Si Si?! Dann sind die Faschisten noch nicht dran!“ Bella Italia - Canale Mussolini - M & M - •

    kurz - “Wer lange siebt - siebt Kaff!“.*



    Mich interessiert Definintionshuberei der Fliegenbeinzähler wenig. Für politische gesellschaftliche Prozesse ungeeignet & den Elfenbeintürmen selbstbezüglich verhaftet.

    Mit Martin Niemöller “Als die Nazis die Kommunisten holten,



    habe ich geschwiegen,



    ich war ja kein Kommunist.

    Als sie die Sozialdemokraten einsperrten,



    habe ich geschwiegen,



    ich war ja kein Sozialdemokrat.

    Als sie die Gewerkschafter holten,



    habe ich geschwiegen,



    ich war ja kein Gewerkschafter.

    Als sie mich holten,



    gab es keinen mehr,



    der protestieren konnte.“

    Deswegen nenne ich einige unserer Politikaster & Medientäter - zum gerade laufenden Prozeß - Steigbügelhalter.



    Ob’s im Nachhinein als 100,10%ig zutreffend befunden wird?!



    Überlaß ich gern den Historikern •

  • Schon richtig. Aber Faschismus ist auch Ideologie, nicht nur Praxis, Hitler wurde nicht am 30. Januar 1933 zum Faschisten, weil er seine Ideen ab dann umsetzen konnte. Man kann den Begriff also nicht nur an Taten messen, sondern auch schon an Zielen.

    • @maltebruessel:

      Korrekt & Stechpalme & Schorsch too -

      Denke die Johnsonsche Nagelprobe ist nicht auf Höhe des Balles.



      Derartige Gräultaten hat diese Sorte Faschist gegenüber den Demokratenkadern gar nicht nötig & wird er an anderen begehen/begeht er ja längst.



      Die von ihm intronisierte Justiz - auf Bundesebene - wird ihn daran & den Kahlschlägen di Administration nicht hindern!



      ( mit Verlaub “, Justiz und Medien unabhängig arbeiten und wo man den Präsidenten ungestraft einen Verbrecher nennen darf.“



      Justiz - s,o. - unabhängig? Wie kommse denn auf das schmale Brett? die Vor-Wahl-Entwicklung verpaßt? falscher älterer Textbaustein? immer gefährlich!



      Nein. Er baut & da werden wir noch Bauklötze staunen - 🇺🇸 mundgerecht für sich & seine Buddys Murks Thiele & Cie & deren menschenverachtenden (Größen)Wahnideen um, Was sich dem in den Weg stellt wird beiseite geräumt: freier Blick von der. Gaza-Riviera aufs Mittelmeer!



      Wennse das nicht faschistisch nennen wollen - ist mir das offen gesagt - ziemlich wumpe!



      Hoffe aber doch, daß es wenigstens mit Georg Orwell zum Schimpfwort - FASCHIST - für diese Ansammlung von losgerissenen narzisstischen Kanonen langt! Woll



      Dank im Voraus. Wecker zu Willy - memoriam

  • Danke für den wichtigen Artikel.

  • "... die USA bleiben ein Land, in dem die Opposition frei tätig bleibt, die Gewaltenteilung funktioniert, Justiz und Medien unabhängig arbeiten und wo man den Präsidenten ungestraft einen Verbrecher nennen darf."



    Sind Sie sicher? Die Opposition wird bedroht, gerne auch gewalttätig angegriffen, die Gewaltenteilung steht auf dünnen Eis, man denke an den obersten Gerichtshof, der Trump absolute Immunität zugesprochen hat. Die Justiz unabhängig zu nennen, ist bereits fragwürdig, wenn Trump massenhaft Richter rausschmeisst und durch Loyalisten ersetzt. Ob die Medien unabhängig sind, sei mal dahingestellt, die grossen befinden sich in Händen von Milliardären, die demonstrativ den Kotau vor Trump machen. Musk hat Twitter schon gekauft, man munkelt vom Kauf von MSNBC. Und die Rachsucht Trumps erscheint unersättlich. Es reicht ihm nicht aus, Leute zu entlassen, er will sie öffentlich demütigen. Vielleicht werden auch sie wie unerwünschte Ausländer demnächst kurzerhand verhaftet.



    Das alles ist - noch - nicht Faschismus, aber es sind die Vorboten, die der bekannten Route folgen. Wer weiss, eines Tages wird man vielleicht Guntanamo das erste US-KZ nennen. Darf ich dann "Faschismus" sagen?

  • Mit Sicherheit ist die heutige Situation in den USA nicht mit der deutschen im Mai 1933 zu vergleichen. Die Frage danach, ob es sich bei Trump und seiner Bande um Faschisten handelt, muss aber auch anhand von historischer Entwicklung in Vergangenheit und Zukunft beantwortet werden.

    Zur (näheren) Vergangenheit, und zur untrennbaren Verknüpfung von Trumps Amerika mit Putins Russland, sowie Putins Russland mit (neo-)faschistischen Lehren von Ivan Ilyin bis Isborsk-Klub empfehle ich Timothy Snyder, z.B. "Der Weg in die Unfreiheit."

    Die zukünftige Entwicklung wird sich natürlich erst im Rückblick analysieren lassen, aller (immer wieder danebenliegenden) Prognosen zum Trotz. Ich hoffe dabei, dass sie Recht behalten, Herr Johnson: Dass Amerika derzeit "nur" in eine autoritäre und undemokratische Phase eintritt, und nicht in ein neues Kapitel des Faschismus, mit national wie international unvorstellbar destruktiveren und leidvolleren Folgen. Ich befürchte aber das Gegenteil. Ich kann mir nicht erwehren, mich bei Ihrem Kommentar erinnert zu fühlen an die Gedanken des Optimisten, der aus dem Hochhausfenster fiel: "Bis jetzt ging's gut. Bis jetzt ging's gut. Bis jetzt ging's g-"

    • @Schorsch:

      Hoffen und Befürchten sind zuwenig.

      Schauen wir doch hin.

      Über welche paramilitärische Organisation verfügt Trump?

      Unter welchen Repressalien leidet aktuell Harris?

      Haben Demokraten bereits Besuch von Schlägertruppen bekommen?

      • @rero:

        Zuwenig wofür?



        Ich stimme ja zu, dass die Situation nicht eins zu eins auf Faschismen der Vergangenheit übertragen lässt. Aber die relevanten Fragen sind ja:

        1) Welche Entwicklungen stehen noch bevor? Die Hindernisse auf dem Weg in einen "vollwertigen" Faschismus sind gerade dabei, ausgeräumt zu werden (Kontrolle des Supreme Court, Einstampfen und politische Säuberung von Bundesbehörden,...). Einen robusten Widerstand aus der Zivilgesellschaft kann ich selbst am Horizont nicht erkennen.

        2) Welche neuen Elemente enthält das Trump-System, welche Elemente des historischen Faschismus ersetzen oder obsolet machen kann? Z.B. Kontrolle des Diskurses in der digitalen Welt, in der sich ein großer Teil des öffentlichen und des privaten Lebens abspielt. Kann eine Bot-farm, Algorithmus-Manipulation oder eine Schar an überzeugten (oder bezahlten) "Content Creators" genauso nützlich zur Auslöschung von Dissenz sein wie die Ausübung von physischer Gewalt? Ich bin mir nicht sicher, aber bald wissen wir's. (Siehe auch die klasse Beiträge von Esther Kupka und Henne Solo hier)

        PS zu paramilitärischen Orgs: Was ist mit Proud Boys, Oath Keepers, Three Percenters,...? Auch mit Blick auf January 6.

  • Die zeiten ändern sich und die faschisten mit ihnen. Rohe gewalt auf den straßen ist nicht mehr nötig, das erledigt heute die gehirnwäsche in den sozialen medien. Ansonsten läuft alles ziemlich ähnlich wie ende 20er, anfang 30er jahre. Und die nationalsozialisten haben auch nicht alle gegner anfang 33 beseitigt. Lasst Trump doch noch ein bisschen zeit.



    Man darf den faschismus nicht bagatellisieren, aber man darf die heutigen faschisten auch nicht verharmlosen, weil es noch nicht so schlimm ist wie 1938.

  • Ich finde, die angebotetenen Defintinionen von Faschismus ein wenig zu vereinfachend, zumal es auch kultureller Elemente bedarf, um einen speziellen Faschismus zu erschaffen.

    In Deutschland, Spanien und Italien hat es ja klassische Vorbilder gegeben für diese Art von Regierungsform.

    Für mich fehlt bei Trump der umfassende Bruch mit einer alten Rechtsordnung und die umfassende politische Verfolgung von bestimmten Menschen und Gruppen, in der Regel durch einen terrorisierenden Sicherheitsapparat.

    Dann sprich für mich bei Trump dagegen, dass Trump keine wirkliche politische Philosophie vertritt, er agiert wohl eher als politischer Unternehmer, denn als Präsident, der mal Unternehmer war.

    Obwohl es deutliche Anzeichen für Rassismus und Ausgrenzung gibt, gibt es keine durchgängigen Anzeichen dafür, dass die USA eine Art Apartheitstaat sind oder Rassengesetze verabschieden werden sollen.

    Und Trump findet den Kapitalismus gut, der will den nicht abwürgen durch einen umfassenden Unterdrückerstaat.

    Schlimm ist für mich nur, dass es eben inzwischen eine Frage ist, die man ernsthaft diskutieren muss, ist er ein Faschist oder was ist eigentlich Trump?

  • Der Begriff wird recht unbedarft benutzt. Ist ein Politiker, der zb. die Polizei Wohnungen von Kritikern durchsuchen lässt schon einer? Ich denke nicht. Da kommen eher andere Begriffe in Frage.

  • Die USA sind sicher noch kein faschistischer Staat, aber der Umbau unter Trump schafft immer mehr der Checks-and-Balances ab, die einen autoritären Umbau verhindern.

    So gelang es den Republikanern, den Supreme Court politisch mit zum Teil sehr fragwürdigem Personal zu besetzen und Trump ist um einen Abbau und die Gleichschaltung der US-Bürokratie bemüht. Zugleich setzt er an die Spitze der Regierung sehr fragwürdige Mitglieder der bürgerlichen Gesellschaft, eine Bande die man durchaus als Abenteurer oder Banditen bezeichnen könnte.

    Ein großer Unterschied ist das Fehlen einer Massenorganisation und des damit einhergehenden Egalitätsanscheins. Ziel ist es sicher nicht, die bürgerliche Elite dem Staat zu unterwerfen. Im Gegenteil ist der ideologische Unterbau der Libertarismus, also die Befreiung vom Staat und insbesondere der demokratischen Machtausübung. Man verwendet faschistische Versatzstücke, um den Staat vor dem Zugriff des Volkes zu schützen und die Oligarchie von demokratischen Regeln zu befreien und ihr gleichzeitig des Staat als Selbstbedienungsladen zu überlassen.

    Vielleicht ist es Zeit für einen neuen Begriff: Oligofaschismus

  • Gut analysiert, lohnend zu lesen, danke.

  • Sehr interessant und natürlich hängt es von der Definition ab, was Faschismus sein soll. Unabhängig davon finde ich die Definition von Paxton vielleicht nicht perfekt für den Begriff "Faschismus" - aber er passt perfekt auf das, was AfD und Trump-Wähler gleichermaßen antreibt...also die Zeilen mit "obsessiver Beschäftigung...." usw.

  • Es ist sicher richtig, dass der Begriff in seiner breiten Verwendung wenig analytische Tiefe bietet.



    Andererseits: "wo man den Präsidenten ungestraft einen Verbrecher nennen darf."



    Angesichts einerseits der Entlassungen von Beamten aus ihrer Arbeit, die mit den Untersuchungen der kriminellen Machenschaften des jetzigen Präsidenten beschäftigt waren, und andererseits der bedingungslosen Entlassung von gewaltbereiten verurteilen UnterstützerInnen von Trump aus dem Gefängnis, gilt das "ungestraft" auch nicht mehr in der Klarheit, wie ich es mir für eine stabile Demokratie vorstellen würde.