Doku über rechten Terror: Vermeintliche Einzeltäter
Die Macher von „Der Terror der einsamen Wölfe“ hinterfragen die These des rechtsextremen Einzeltäters. Denn hinter ihnen steht eine Szene.
Die eine Tat wirkt wie das Vorbild für die nächsten Taten. Es geht um das Massaker in Christchurch, den Angriff auf Menschen mit Migrationsgeschichte in El Paso und den Anschlag auf die Synagoge in Halle.
Die weltweiten Terrorakte der vermeintlichen „lone wolfs“, der „einsamen Wölfe“, Männer, die weiß und jung sind, forderten allein im Jahr 2019 insgesamt 77 Todesopfer. In der ARD-Reihe „Die Story im Ersten“ gehen Christian Bergmann und Florian Barth dem „Terror der einsamen Wölfe“ nach, um zu zeigen, „wie Einzelgänger zu rechten Attentätern werden“. Die anfänglichen schnellen Bildschnitte erzeugen dabei eine dramatische Dynamik: Der Terror ist da, allgegenwärtig, international und unberechenbar. Die Botschaft stimmt. Die Bildschnitte sollen wohl auch das Publikum mitreißen, damit Zuschauer:innen nicht einfach weiterzappen.
Die Täter, um die es hier geht, suchen mit Livestreams ihrer Taten eine globale Öffentlichkeit. In den ersten Minuten des ARD-Films wird deutlich, dass die Journalisten Bergmann und Barth nicht Gefahr laufen, den Tätern diese Aufmerksamkeit zu bieten. Denn Florian Hartleb, Experte im Bereich Rechtsextremismus, ordnet den Kontext der Täter und ihrer Taten gleich ein. Auch die Eltern des 2016 beim Anschlag am Olympia-Einkaufszentrum in München getöteten Can Leyla, Hasan und Sibel Leyla, kommen zu Wort. Sie sind nicht die einzigen Betroffenen, die auch die Sicherheitsbehörden hinterfragen. Die Perspektiven der Täter werden bis zum Schluss reflektiert und nicht präsentiert.
Experte Hartleb führt aus, dass diese „einzelnen Wölfe“ nur die Tat allein verübten, jedoch aus „ideologischen Rudeln“ kämen. Dieser neue Tätertyp im Bereich Rechtsextremismus ist zudem dadurch charakterisiert, dass Anschläge im Internet vorbereitet werden und dort auch eine internationale Vernetzung mit Gleichgesinnten stattfindet. Die Täter bewegen sich in einer Online-Community, die geprägt ist von einer zynischen Internet-Subkultur – und die verbunden ist mit der Gamer-Szene.
Die Mitte ist nicht immun
Die sogenannte Gamification des Terrors wird längst gezielt von rechten Gruppen vorangetrieben. Von den USA über Island bis nach Russland skizzieren die Journalisten nicht bloß Netzwerke. Sie zeigen zudem auf, dass Ermittler in den Fällen Halle und München digitale Spuren der vermeintlichen einzelnen Wölfe zu ihrem Rudel nicht verfolgten: Spuren, die vielleicht Folgetaten hätten verhindern können. Drei Jahre brauchte die bayerische Staatsregierung, um das rechtsextreme Tatmotiv im Fall von München anzuerkennen. Vater Hasan Leyla kommentiert das in einem der emotionalsten Momente der Dokumentation auf bittere Weise.
Den Filmemachern gelang es auch, zwei Aussteiger aus der Internetszene vor die Kamera zu bekommen. Die bringen aber nur Klischees heraus: Gemeinschaft und Anerkennung hätten sie gesucht. Dies erklärt aber nicht, warum sie sich in das rechtsextreme Milieu im digitalen Raum begeben haben. Ist es einfach zufällig beim Surfen passiert oder liegt es doch daran, dass bei ihnen bestimmte Ressentiments bereits latent vorhanden waren? Der radikale Antifeminismus und die militante Maskulinität werden als zentrale Motive dieser Szene wenig betont. Für die Radikalisierung sind sie gemeinsam mit einem extremen Antisemitismus äußerst relevant.
Einer der Aussteiger berichtet, erst durch einen Verwandten zur rechtsextremen Ideologie gekommen zu sein. Der analoge Raum blitzt als politisierender Ort auf. Den gesellschaftlichen Kontext zwischen Digital und Analog leuchten die Journalisten jedoch wenig aus. Wenn diese Räume aber getrennt gedacht werden, entlastet das die „politische Mitte“, die sich selbst als solche vorstellt.
Miro Dittrich, Experte für Rechtsextremismus im Netz, betont indes, dass die Täter getrieben sind von der Vorstellung, dass eine weiße Welt männlicher Prägung untergeht. Eine Idee, gegen die jene „Mitte“ nicht immunisiert ist.
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