Anschlag vor Synagoge in Hamburg: Attacke laut Anklage unpolitisch

Die Hamburger Staatsanwaltschaft will den Mann, der vor der Synagoge einen Juden attackierte, anklagen. Ein politisches Motiv sieht sie nicht.

Shlomo Bistritzky steht vor Polizisten und Absperrband vor der Synagoge

Nach der Tat: Landesrabbiner Shlomo Bistritzky vor dem Absperrband der Synagoge Hohe Weide Foto: Jonas Walzberg/dpa

Hamburg taz | Die Hamburger Staatsanwaltschaft hat die Ermittlungen um den Anschlag vor der Hamburger Synagoge Hohe Weide abgeschlossen. Ein 29-Jähriger hatte im Oktober vor der Synagoge einen 26-jährigen Studenten, der eine Kippa trug, angegriffen und schwer am Kopf verletzt. Doch Anhaltspunkte auf ein antisemitisches Motiv haben sich laut Staatsanwaltschaft im Zuge der Ermittlungen nicht ergeben. Die Jüdische Gemeinde in Hamburg reagiert darauf irritiert.

Der taz gegenüber sagte Nana Frombach, Sprecherin der Staatsanwaltschaft: „Es gibt keine Hinweise auf ein politisches Motiv.“ Stattdessen liege das Tatmotiv in der psychischen Erkrankung des Tatverdächtigen.

Der Mann befindet sich derzeit weiter in einer psychiatrischen Einrichtung. Er soll – bekleidet in einem Tarnanzug der Bundeswehr – den 26-Jährigen am Eingang der Synagoge im Bezirk Eimsbüttel von hinten mit einem Spaten angegriffen haben. Der Angegriffene musste wegen seiner Kopfverletzung zunächst auf die Intensivstation eingeliefert werden.

Der Sicherheitsdienst der Jüdischen Gemeinde und die vor der Synagoge stationierten Polizist:innen konnten den Angreifer unmittelbar nach der Tat festnehmen. Aus der Untersuchungshaft heraus wurde er einer psychiatrischen Einrichtung überstellt.

Täter soll schuldunfähig sein

„Die Ermittlungen haben ergeben, dass sich ein hinreichender Tatverdacht wegen versuchten Mordes und schwerer Körperverletzung bestätigt hat“, sagt Frombach. Zwar seien keine niederen Beweggründe festgestellt worden, wohl aber sei die Tat heimtückisch gewesen. Auch wenn in den Taschen des Angreifers ein Zettel mit einem aufgemalten Hakenkreuz gefunden wurde, scheide ein politisches Motiv für die Tat aus.

Zwar stehe die Tat und das Motiv in Beziehung zum jüdischen Glauben, diese Beziehung aber bestünde in erster Linie in der Krankheit des Tatverdächtigen. Um eine klar politische Tat habe es sich demnach nicht gehandelt. „Wir gehen wegen des Gesundheitszustands von der Schuldunfähigkeit des Tatverdächtigen aus“, sagt Frombach.

Philipp Stricharz, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde Hamburg

„Es klingt sehr fernliegend, dass es sich nicht um eine antisemitische Tat gehandelt hat“

Die Tat hatte bundesweit für Entsetzen gesorgt, weil darin eine weitere antisemitische Attacke gesehen wurde. „Wie kann das noch mal, ein Jahr nach Halle, passieren?“, fragte der Hamburgische Landesrabbiner Shlomo Bistritzky am Abend nach der Attacke.

Die Tat fand wenige Tage vor dem Jahrestag des Anschlags auf die Synagoge von Halle an der Saale statt. Und in der Syna­goge feierte die Gemeinde gerade das jüdische Laubhüttenfest. Bistritzky befand sich zum Tatzeitpunkt ebenfalls auf dem Weg zur Synagoge.

Jüdische Gemeinde ist überrascht

Die Hamburger Polizei teilte anfangs die Vermutung, es habe ein politisches Motiv gegeben: „Aufgrund der derzeitigen Einschätzung der Gesamtumstände ist bei der Tat von einem antisemitisch motiviertem Angriff auszugehen.“ Umso mehr überrascht Philipp Stricharz, den Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde in Hamburg, die neue Einschätzung. „Es klingt sehr fernliegend, dass es sich nicht um eine antisemitische Tat gehandelt hat“, sagt er.

Das Jüdische Forum für Demokratie und gegen Antisemitismus (JFDA) zeigt sich empört: „Solche Taten geschehen nicht aus dem Nichts heraus“, sagt deren Sprecher Levi Salomon. Schließlich sei gezielt ein Mensch vor einer Synagoge, der wegen des Tragens seiner Kippa auch als Jude erkannt werden konnte, angegriffen worden. „Zu denken, dass eine solche Tat unpolitisch und nicht antisemitisch sei, ist hanebüchen.“ Auch wenn jemand psychisch krank ist, müsse dessen Tat politisch betrachtet werden.

Auf weitere Mittäter:innen habe es laut Staatsanwaltschaft keine Hinweise gegeben. Nach Informationen des Magazins Der Spiegel meldete sich der Tatverdächtige 2016 zum freiwilligen Wehrdienst und blieb zumindest das Jahr über bei der Bundeswehr. Daher soll er im Besitz von Tarnkleidung gewesen sein, die er bei der Attacke trug.

In Kürze muss das Hamburger Landgericht entscheiden, ob sie die Klage zulässt. Wegen das Krankheitszustands des Tatverdächtigen könnte der Prozess unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.