Doku über Fußballnationalteam der Frauen: Die große Bühne
Die Dokuserie „Born for this“ begleitet das Nationalteam der Frauen vor der Fußball-EM in England und bietet Einblicke, die nach wie vor selten sind.
„Ich würde dich als Freundin bezeichnen“, sagt die 27-jährige Mittelfeldspielerin Lina Magull und grinst Nationalteamkollegin Laura Freigang an. Die beginnt zu lachen. „Ist mir ja ein bisschen peinlich, aber ich bin eigentlich dein Fan.“ Die beiden Fußballerinnen trennen alterstechnisch nur knapp vier Jahre. In der Entwicklung des Frauenfußballs können das Welten sein.
„Als ich klein war, war es immer mein Traum, in der Nationalmannschaft zu spielen“, sagt Magull. Die Spielerin des FC Bayern München begann ihre Karriere in Jungenteams. Seit 2015 ist sie eine feste Größe im Nationalteam der Frauen. Magull verfolgte ihren Traum zielstrebig und ist heute eine der Fußballidole, zu denen junge Mädchen aufschauen. Knapp sechzigtausend Menschen folgen der Fußballerin auf Instagram. In Stadien tragen Fans ganz selbstverständlich Trikots mit ihrem Namen auf dem Rücken.
Die Zeiten, in denen der Mehrheit der fußballinteressierten Menschen an Fußballerinnen nur die Welt- und achtfache deutsche Fußballerin des Jahres Birgit Prinz einfiel, sind lange vorbei. Trotzdem ist die dreiteilige Doku „Born for this – Mehr als Fußball“ für die ein Team von Warner Bros. ein Jahr lang das Fußballnationalteam der Frauen begleitet hat, noch etwas Besonderes. Filmisch begleitet wurde die Weltmeisterschaft der Frauen 2007 mit der Dokumentation „Die besten Frauen der Welt“. Kurz vor Turnierstart gibt es sonst aber meistens kürzere Einspieler, Werbefilme oder vereinsfinanzierte Promosendungen. Die Doku, die ab dem 6. Juli in den Mediatheken von ARD, Sky und Magenta TV zu sehen ist, gibt den Spielerinnen und Nationaltrainerin Martina Voss-Tecklenburg die große Bühne.
Denn natürlich geht es beim Fußball der Frauen immer auch um Sichtbarkeit. Melanie Leupolz merkt beim Rückspiel gegen Israel an: „Ich freue mich, dass wir noch mal zeigen können, wie gut wir sind. Dass es auch live im TV kommt, das war ja beim letzten Spiel leider nur im Stream.“ Die drei Dokufolgen mit je über einer Stunde Laufzeit zeigen die harte Arbeit, die das Team für die Vorbereitung auf die Europameisterschaft in England geleistet hat. Sie porträtieren die Dynamik im Team, belanglosere Gespräche, aber auch ernsteren Konkurrenzkampf. Das Filmteam wird auch die EM-Reise des Teams begleiten.
„Born for this – Mehr als Fußball“, 3 Folgen ab 6. Juli 2022 in der ARD Mediathek. Die erste Folge strahlt die ARD am 12. Juli um 23.15 Uhr aus, nach dem Vorrundenspiel der Uefa-Frauen-Europameisterschaft Deutschland gegen Spanien
Sportliche Highlights, persönliche Einblicke
Eine gute Portion Fußballdramatik fehlt in den Folgen nicht. Etwa die enttäuschten Blicke, untermalt mit Streichermusik, weil das Team im Oktober 2021 nur 1:0 gegen Israel gewinnen konnte. Eine gefühlte Niederlage. Die ausrastende Trainerin am Spielfeldrand. Zahlreiche Bilder aus den Stadien mit jubelnden Fans, Ansprachen in der Kabine und Bilder aus Flugzeugen. Das hat man alles schon so ähnlich gesehen. Aber eben selten vom Fußballnationalteam der Frauen.
In der Doku, die ohne Sprecherin auskommt, lernt man die Spielerinnen persönlicher kennen. Sie erzählen von ihrem Ehrgeiz, von Unsicherheiten, zeigen ihre Spielfreude. Sara Däbritz folgt die Kamera zu ihrem Verein in Paris. Alexandra Popp sieht man nach abermaliger Verletzung auf ihrem Weg zurück ins Nationalteam.
Empfohlener externer Inhalt
Besonders sticht die Geschichte von Torhüterin Almuth Schult hervor, die sich entschied, nicht statt, sondern während ihrer Fußballprofikarriere Mutter von Zwillingen zu werden. „Wenn die Hormonlage im Körper anders ist, verändert sich das Leistungsvermögen. Das ist nicht optimal, dass sich der Körper von Schwangerschaft auf Leistungssport umstellen muss. Nach dem ersten Training war ich völlig fertig.“ Schult blieb dran, spielt weiterhin im deutschen Nationalteam. Bald zieht die 31-Jährige für den Job als Fußballerin in die USA. Ob das auch mit der besseren Bezahlung von Fußballerinnen dort zusammenhängt?
Die Tatsache, dass alle Spielerinnen im Nationalteam noch ein zweites berufliches Standbein haben, wird in der Doku auch thematisiert. Die Probleme und Belastungen, die es im Frauenfußball gibt, werden in der Doku durch die Berichte der Spielerinnen eingebunden. Rassismus, Sexismus – etwa auch der Skandal um sexuellen Missbrauch in der US-Fußballliga der Frauen. Ja, das ist ein Teil des Alltags. Die Doku bleibt aber nah am sportlichen Spaß, nimmt sich Zeit für Taktik und Spielanalysen. Filmisch gelöst mit vielen schnellen Schnitten und Aufnahmen der lässig tricksenden Spielerinnen am Ball. „Born for this – Mehr als Fußball“ präsentiert die Frauen als das, was sie sind: hochmotivierte EM-Stars.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen