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Diskussion um Vier-Tage-WocheNoch weniger ist mehr

Daniél Kretschmar
Kommentar von Daniél Kretschmar

Da ist sie wieder – die Forderung nach einer Arbeitszeit­reduzierung, die sich Mitarbeitende auch leisten können. Die Idee kann ausgeweitet werden.

Weniger malochen, nicht viel weniger verdienen – darum geht's Foto: dpa

D en Freitag beim Wort nehmen: vier Tage die Woche Lohnarbeit, und dann ab ins verlängerte Wochenende. Diese Idee versuchen derzeit sowohl die IG Metall als auch die Linkspartei zu popularisieren. Der Moment zur Reanimierung der alten Forderung, die Wochenarbeitszeit zu reduzieren, ist günstig. Die ohnehin laufenden Prozesse zur digitalen Umstrukturierung der Großindustrie erfahren in der Pandemie erhöhte Aufmerksamkeit und Dringlichkeit.

Auch wenn zumindest der Vorschlag der Gewerkschaft hie und da recht positiv aufgenommen wurde – selbst Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) kann sich vorstellen, bei teilweisem Lohnausgleich der steigenden Produktivität zugunsten der Arbeitnehmer*innen Rechnung zu tragen – melden sich erwartbar negative Stimmen. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung, der CDU-Wirtschaftsrat und andere Profitpropheten mit gutem Kapitalkontakt sind, nun ja, skeptisch.

Dass ein Großteil der Beschäftigten in den Niedriglohnjobs der Gig-Economy nicht im Interesse einer besseren Work-Life-Balance auf Einkommen verzichten kann, stört die Kapitallobby dabei nicht so sehr. Ihre Sorge gilt den durch angeblich nötige Neueinstellungen steigenden Lohnnebenkosten, denn der Staat ist ja bekanntermaßen unersättlich; und wird doch eigentlich nur dazu gebraucht, das Vermögen der In­ves­to­r*innen vor dem Corona-Armageddon zu bewahren.

Schön sozialdemokratisch

Da ist es doch schön, dass es noch die eine oder andere Instanz gibt, die es wagt zu fragen, ob gesellschaftlicher Wohlstand nicht ein kleines bisschen fairer verteilt werden könnte, und sei es mit diesem Freizeitausgleich.

Statt dies allein den Tarifverhandlungen in Schlüsselbranchen zu überlassen, wäre ein politischer Vorstoß auf Bundesebene, wie von der Linken vorgeschlagen, vielleicht keine schlechte Idee. Klar, in der Großen Koalition wird das nicht zu realisieren sein. Ein schicker Wahlkampfslogan aber für den Kanzlerkandidaten der SPD, Olaf Scholz, könnte das doch sein: „Am Freitag gehört die Mami mir.“

Das ist schön sozialdemokratisch, ohne gleich jenes ganz große Fass aufmachen zu müssen, was für eine derbe Zumutung der erzwungene Verkauf der eigenen Arbeitskraft überhaupt ist. Also, traut euch!

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Daniél Kretschmar
Autor
Jahrgang 1976, Redakteur für die tageszeitung 2006-2020, unter anderem im Berlinteil, dem Onlineressort und bei taz zwei. Newsletter unter: https://buttondown.email/abgelegt
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9 Kommentare

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  • Eine 24 Stunden Woche mit 4 Tagen und 6 Stunden am Tag ist eigentlich vom Verstand her gesehen genug. Die Schwierigkeit in der Umsetzung besteht wohl im bestehenden Wirtschaftssystem, was sich nicht so einfach gewaltfrei ändern lässt. Es besteht aber die Möglichkeit mit dem Aufbau einer Sozialwirtschaft der Sozialökonomie zu beginnen und im ganz kleinen Rahmen Mitarbeiter/innen Unternehmen zu gründen, in denen die Utopie einer 24 Stunden Woche umgesetzt wird.



    Eine öffentliche Debatte mit Unterstützung durch die Medien und finanzieller Hilfen vom Staat, kann langfristig auch eine Entlastung der Sozialleistungen mit sich bringen.

  • Ach was, wenn man sich keinen Mallorca-Urlaub, jedes Jahr ein neues Smartphone, alle drei Monate eine neue Kleidungsgarnitur von H&M oder Kik kaufen kann usw. wird der zum Konsumenten erzogene Mensch nicht glücklich. Was soll er ohne Konsum auch mit der freien Zeit anfangen? Das wirft doch nur auf sich selbst zurück und vor uns selbst laufen wir doch alle beständig weg.



    Kurz und bündig: dafür wird sich in der Bevölkerung keine Mehrheit finden lassen. Zumal es noch die Millionen Arbeitnehmer gibt, die mit Mindestlohn gerade so durch den Monat kommen. Wären mit 4 Arbeitstagen alle Aufstocker. Auch die wollen ja konsumieren und nicht nur Überleben. Also findet man wohl nichtmal bei der Klientel Zuspruch.



    Das Zurückfahren hätte auch viele Vorteile, der Mensch gibt aber lieber Vollgas auf die Mauer.

  • Für mich als ehemaligem DDR-Bürger hat die Sache einen ganz interessanten Aspekt: In den 1980ern war die 40-Stunden-Woche in der BRD weitgehend Realität. In den führenden Blättern der DDR wurde dieser Erfolg der BRD-Gewerkschaften kaum erwähnt, und wenn, dann ohne offensichtlichen Verweis auf die Arbeitszeit.



    Diese Arbeitszeitverkürzung erreichten die Gewerkschaften der BRD unter den Bedingungen des Kapitalismus. Die Frage, die leider keiner stellt, ist doch: Warum war denn im sozialistischen Gesellschaftssystem der DDR eine entsprechende Arbeitszeitverkürzung nicht möglich? Zur Erinnerung: Die DDR-Kommunisten bezeichneten ihren Staat als den „besseren Teil Deutschlands“ und der kapitalistischen BRD eine „ganze geschichtliche Epoche voraus“! Hätte die DDR nicht voranschreiten müssen, um den Werktätigen in der BRD auch bezüglich Arbeitszeit die Vorzüge des Lebens im Sozialismus zu demonstrieren?



    Noch heute erinnere ich mich an eine Pressekonferenz anlässlich einer Leipziger Messe (ca. 1986(?)), in der der Vorsitzende der DDR-Gewerkschaft FDGB, Harry Tisch, die Arbeits- und Lebensbedingungen in der DDR in den höchsten Tönen lobte. Als ein fürwitziger BRD-Journalist fragte, wann denn wenigstens die 40-Stunden-Woche in der DDR eingeführt wird, antwortete H. Tisch schmallippig: „Dafür gibt es gegenwärtig keine Voraussetzungen“. Wäre es nicht seine Aufgabe gewesen, im höchsten Führungszirkel der Partei- und Staatsführung dafür zu kämpfen, statt zu kapitulieren?



    Bis zum Ende der DDR arbeitete ich jedenfalls, wie die meisten Werktätigen, 42,5 Stunden!

    • @Pfanni:

      Danke für die Infos!

      Ich wünschte, das hätten wir halten können.

  • Wird ned passieren außer der Staat zahlt den Spaß und dann auch ned weil der Manager mimt 25 Stunden die Woche nicht auskommt und dann kommt der Neid ins Spiel...

  • Sehr guter Vorschlag! Es gibt einige Studien, die belegen, dass Arbeitnehmenden sowieso nicht effektiv 8 Stunden am Tag arbeiten (können), z.B. diese: onlinemarketing.de...l-noch-zeitgemaess



    In 25 Stunden pro Woche (dann aber natürlich mit weniger Ablenkung) ließe sich effektiver und langfristig entspannter arbeiten.



    Als Alternativvorschlag für einen Wahlslogan würde ich allerdings einen geschlechtsneutraleren wählen: "Am Freitag gehören meine Eltern mir." ;) Leider arbeiten eben viele Mamas jetzt schon Teilzeit, mit entsprechend weniger Lohn. Ideal wäre, wenn sich beide Elternteile durch ihre 25 Stunden besser die Betreuung aufteilen könnten.

  • Wer will schon malochen gehen?



    ...

    • @Hartz:

      Das Geld soll so kommen - ohne malochen.