Diskussion über Menstruationsbeschwerden: Bloody Mary am Pool
„Menstruationsurlaub“ ist ein absurdes Wort. Als würde man auf Kosten des Arbeitgebers mit einem Cocktail am Pool liegen, statt furchtbare Schmerzen zu haben.
E s ist immer wieder erstaunlich, mit welcher Paranoia und Hysterie feministische Forderungen im Mainstream aufgenommen werden. Damit meine ich nicht den „Girlboss“-Feminismus, der lediglich ein paar Ausgebeuteten zuflüstert, dass sie sich doch ein bisschen zusammenreißen und einfach mehr arbeiten sollten, statt zu heulen. Dem Status quo ist diese Art von Feminismus nämlich recht förderlich, deshalb bezeichnet man inzwischen alles, was bei drei nicht auf dem Baum ist, als „feministisch“ und hofft auf eine neue Klientel, der man denselben alten Schrott in Neonpink verkaufen kann.
Tatsächliche Emanzipationsbestrebungen wie das Einfordern ganz grundlegender Arbeiter_innenrechte werden dagegen schnell zur Gefahr erklärt. Etwa eine Krankschreibung von bis zu drei Tagen im Monat bei starken Menstruationsbeschwerden, wie es gerade in Spanien diskutiert wird. Der Gesetzentwurf, der diese Woche im dortigen Parlament bereits für Furore sorgte, spukt durch den halben Kontinent weiter in Gestalt einer gruseligen Hexe, die nur die eigene Bevorzugung im Sinn hat. Kein Wunder, denn die Schlagzeilen schreiben sich von selbst bei so einem alarmierenden Gesetzesnamen: „Menstruationsurlaub“.
Das Wort ist so absurd, ich muss direkt kichern, wenn ich es höre. „Menstruationsurlaub“, das klingt irgendwie gar nicht nach einem 12 Tonnen schweren Lkw-Anhänger, der plötzlich mitten auf meinem Kreuz parkt. Die Feuerwerkskörper, die im Stundentakt meinen Unterleib zerfetzen, die Schwindelanfälle beim Aufstehen, das ständige Gewitter unter meiner Schädeldecke – all das löst sich auf in diesem Versprechen von einem Wort: Menstruationsurlaub. In Zitrusfarben leuchten die Buchstaben vor meinem inneren Auge und heben ab wie Heliumballons.
Trefft mich auf meinem allerersten Menstruationsurlaub, wie ich mit einer Bloody Mary am Pool hänge, mein Bikini off-white, und die Brise über meinen Bauchnabel streicht. Der Himmel ist klar, die Cocktails sind hinterlistig und im Background läuft das rote Album von Rihanna auf Repeat. Jedes Mal, wenn der Song „Work“ ertönt, entfährt mir ein müdes Lachen über meine nicht menstruierenden Kolleg_innen, die jetzt im Homeoffice vor dem Rechner hängen und nebenbei ihre Kinder versorgen müssen.
Auf Menstruationsurlaub gibt es keine Zoom-Calls und Chat-Mobbings und aus dem Ruder laufende Überstunden. Es gibt Lichtschutzfaktor 30, Sand zwischen den Zehen und Tretboote, die aussehen wie Delfine, die ebenfalls ein bisschen zu tief ins Glas geschaut haben. Einschlafen ist nicht gleichbedeutend mit Doomscrolling, sondern mit Grillenzirpen von der offenen Balkontür her, oder für die, die es mögen, dem angenehmen Surren einer funktionstüchtigen Klimaanlage. Der Morgen beginnt nicht mit dem Ausräumen der Spülmaschine beim parallelen Zähneputzen, sondern mit Roomservice: ein paar fluffige Pancakes, zwei Scheiben Wassermelone, nichts Wildes, ein, zwei Mimosas vielleicht.
Die einzige Carearbeit, die auf Menstruationsurlaub geleistet wird, ist Selfcare. Eine Aromaölmassage vor dem Mittagessen, ein paar Stunden am Nachmittag zum Lesen unter dem Sonnenschirm, am Abend noch mal schnell rausschwimmen, bevor die Sonne untergeht. Nur leider ist der Urlaub so kurz, dass ich es nicht einmal schaffe, alle cremefarbenen Outfits, die ich mitgebracht habe, einmal getragen zu haben. Was solls.
Ich werde bei meiner Rückkehr den gepackten Koffer einfach in meinem Wohnungsflur stehen lassen. Schließlich lässt der nächste Menstruationsurlaub nicht lange auf sich warten. Ich blicke zum Koffer und zähle ungeduldig die Tage, bis es wieder so weit ist, und Tante Rosa mir ein Flugtaxi rüberschickt – auf den Nacken meines Arbeitgebers.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag auf Magdeburger Weihnachtsmarkt
Vieles deutet auf radikal-islamfeindlichen Hintergrund hin
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Keine Konsequenzen für Rechtsbruch
Vor dem Gesetz sind Vermieter gleicher
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Klimakiller Landwirtschaft
Immer weniger Schweine und Rinder in Deutschland